Mit Wang Hui (Intellektueller, Vordenker der Neuen Linken in China), Tienchi Martin-Liao (Autorin und Übersetzerin) und Prof. Dr. Heiner Roetz (Spezialist für Konfuzius, Sinologe)
Erstausstrahlung,30.8.2012, 3SAT
China hat sich in einer
rasanten Entwicklung innerhalb von nur 30 Jahren von einer Agrargesellschaft zu
einer modernen Industrienation entwickelt. An Chinas politischer und
wirtschaftlicher Macht kommt im Westen niemand mehr vorbei. Mit einer
Bevölkerung von rund 1,4 Milliarden Chinesen - ein Fünftel der Weltbevölkerung
- erobert das Riesenland die Märkte und bestimmt deren Regeln entscheidend mit.
Der Hunger der Volkswirtschaft nach Ressourcen scheint grenzenlos. Ebenso der
Wille, die neu gewonnene Vormachtstellung zu sichern: So hat China zum Beispiel
den weltweit drittgrößten Verteidigungsetat. Die bisherige, an den westlichen
Ländern orientierte Weltordnung hat sich bereits verschoben. Vielen flößt das
Angst ein. Scheinen doch die Chinesen in für Europäer fundamentalen Fragen wie
der der Menschenrechte, grundsätzlich anders zu denken und zu entscheiden. Ist
das tatsächlich so? Was verändert sich, wenn die chinesische Mentalität
größeren globalen Einfluss gewinnt? Wie wird es die bisher noch stark westlich
geprägten Wertvorstellungen von Recht, Vernunft, Individualität beeinflussen?
Gert Scobel diskutiert in "scobel - wie tickt' China?" mit Experten
über die grundlegenden Wertvorstellungen der neuen Supermacht und darüber, wie
sich eine Brücke zwischen "Kant und Konfuzius" schlagen ließe. Es
kommen unter anderen Wang Hui, einer der bedeutendsten Intellektuellen und
Vordenker der neuen Linken in China, die chinesische Autorin und Übersetzerin
Tienchi Martin-Liao und Prof. Dr. Heiner Roetz, Spezialist fürKonfuzianismus.
Wie
"tickt" China?
Erkenntnisse
über eine neue Supermacht
Gert Scobel diskutiert mit Fachleuten über
die grundlegenden Wertvorstellungen der neuen Supermacht China und darüber, wie
sich eine Brücke zwischen Kant und Konfuzius schlagen lässt. Wie denkt, fühlt
und "tickt" China? Zur dieser Frage wird sich unter anderen Wang Hui,
einer der bedeutendsten Intellektuellen und Vordenker der Neuen Linken in China
äußern.
5.000 Jahre
Geschichte und Kultur: China ist wieder aufgestanden, sagen die Chinesen. Das
Land ist heute wieder eine Weltmacht. Jeden Morgen, wenn die Nationalfahne zum
Sonnenaufgang gehisst wird, strömen Tausende auf den Tian’anmen Platz. Der
Tian’anmen Platz ist das politische Zentrum Pekings, das Zentrum der Macht des
neuen Supergewichts auf der politischen Weltbühne.
weiter ...
weiter ...
Konfuzius
lebte um 500 vor Christus in einer Zeit, in der auch in Indien und im antiken
Europa Denktraditionen entstanden, die ganz Asien und Europa bis heute prägen.
Der Philosoph Karl Jaspers hat für diese Ära deshalb den Begriff
"Achsenzeit" geprägt. Der Konfuzianismus war 2000 Jahre Staatslehre
in China.
weiter ...
weiter ...
Alle fünf
Jahre trifft sich Chinas kommunistische Elite zum Konklave vor pompöser Kulisse
in Peking. Alle zehn Jahre wird eine neue Führungsgeneration präsentiert.
Während man in der großen Halle des Volkes den Eindruck bekommt, dass viele
Delegierte das Gesagte nicht zum ersten Mal hören, sichert ein riesiges
Aufgebot von Sicherheitskräften und Freiwilligen die kommunistische Elite vor
dem Volk.
weiter ...
weiter ...
Mit Empörung
hat Peking auf den jährlichen Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums
reagiert, demzufolge sich die Lage in China verschlechtert hat. Der Bericht sei
voller Vorurteile und entspreche nicht den Tatsachen, sagte ein Sprecher des
chinesischen Außenministeriums dazu.
Unsere
Gäste am 30. August 2012
Heiner
Roetz, Sinologe und Konfuzius-Spezialist
Professor Heiner Roetz ist Spezialist für
Konfuzius und zudem einer der Sinologen, die für eine kritische, von China
unabhängig betriebene wissenschaftliche Arbeit stehen. Seine
Forschungsschwerpunkte sind chinesische Ethik, klassischer Konfuzianismus,
Tradition und Moderne in China und chinesische Religionsgeschichte. Er ist
Leiter der Sektion Geschichte und Philosophie Chinas am Fachbereich
Ostasienwissenschaften der Ruhr-Universität in Bochum.
Tienchi
Martin-Liao, Autorin und Übersetzerin
Tienchi Martin-Liao ist chinesische Autorin
und Übersetzerin. Von 1991 bis 2001 leitete sie das
Richard-Wilhelm-Übersetzungszentrum an der Bochumer Ruhr-Uni, danach ging sie
nach Washington DC, um für die Laogai Research Foundation tätig zu werden, eine
Organisation, die zu Menschenrechtsfragen in China informiert. Seit 2009 leitet
sie als Vorsitzende das unabhängige chinesische PEN-Zentrum in Taipeh. Tienchi
Martin-Liao lebt in Köln.
Eine
Erfolgsgeschichte
Chinesen
blicken stolz und kritisch in die Zukunft
5.000 Jahre Geschichte und Kultur: China
ist wieder aufgestanden, sagen die Chinesen. Das Land ist heute wieder eine
Weltmacht. Jeden Morgen, wenn die Nationalfahne zum Sonnenaufgang gehisst wird,
strömen Tausende auf den Tian’anmen Platz. Der Tian’anmen Platz ist das
politische Zentrum Pekings, das Zentrum der Macht des neuen Supergewichts auf
der politischen Weltbühne.
Die Chinesen sind stolz auf ihre Heimat,
aber sie sehen auch Probleme und Defizite wie die zunehmende Überalterung, die
Zerstörung und Verschmutzung der Umwelt oder auch die schlechten
Lebensbedingungen auf dem Land. Für den Westen ist das moderne China häufig ein
Rätsel. Für Professor Wang Hui ist es Gegenstand seiner Forschung. Ausgehend
von der Geschichte des Landes und im internationalen Vergleich mit anderen
gesellschaftlichen Systemen sagt er: "China ist das Land, das die Armut in
kürzester Zeit auf der größten Fläche am stärksten reduziert hat. Das ist ein
großer Erfolg."
Wang Hui analysiert aber auch die
Schattenseiten der einmaligen Erfolgsgeschichte. 30 Jahre wirtschaftsliberale
Reformpolitik haben China auch große Probleme beschert. "Das größte
Defizit ist die Diskrepanz zwischen Armen und Reichen, die Ungleichheit in der
Gesellschaft, die zunehmende Trennung von Stadt und Land und der Rückbau der
Infrastruktur in den ländlichen Gebieten", so Wang Hui.
Immer
die Geschichte im Blick
Bei seinen Doktoranden schärft er den Blick
für die historischen Dimensionen. Die Opiumkriege, die bürgerliche Revolution,
die Gründung der Volksrepublik – ohne die Analyse der Geschichte lasse sich das
moderne China nicht begreifen. Tsinghua ist die Eliteuniversität Chinas. Wer
hier studiert, analysiert die Gegenwart kritisch und wird die Zukunft des
Landes mitgestalten.
Die Elite von morgen führt
wissenschaftliche Debatten und kontroverse Diskussionen um die Zukunft des
Landes. Wang Hui sieht China am Scheideweg: "Wenn die gesellschaftlichen
Widersprüche nicht zu lösen sind, wenn das Volk oder große Teile der
Gesellschaft denken, dass die Reformpolitik nicht für das ganze Volk gemacht
wird, sondern nur für eine Minderheit, dann führt das zu einer
gesellschaftlichen Krise, zu einem Legitimationsproblem der Regierenden."
Reformen sollen kommen
Herrschaft muss sich legitimieren, auch in
China. Die herrschende Partei hat über 80 Millionen Mitglieder. Im Herbst 2012
wird auf dem Parteitag eine neue Führung gewählt. Wang Hui sagt: "Es
herrscht Einigkeit über die Notwendigkeit von Reformen. Als Hauptpunkte sollen bei
den kommenden Reformen das Wohl und die Rechte jedes einzelnen Bürgers
garantiert und gestärkt werden. Und das Recht des Bürgers bedeutet nicht nur
das wirtschaftsliberale Recht auf Reichtum, sondern es geht um die
Möglichkeiten des politischen Engagements, um Mitsprache und
Mitgestaltung."
Außerdem stehen soziale
Gerechtigkeit, die Förderung der ländlichen Gebiete, Umweltschutz und die
Bekämpfung der Korruption auf der Agenda. Noch traut die übergroße Mehrheit der
Chinesen der Regierung die Lösung der Probleme zu.
Praxisnahe
Lebensethik
Konfuzianismus als gesellschaftliche
Gebrauchsanweisung
Konfuzius lebte um 500 vor Christus in
einer Zeit, in der auch in Indien und im antiken Europa Denktraditionen
entstanden, die ganz Asien und Europa bis heute prägen. Der Philosoph Karl
Jaspers hat für diese Ära deshalb den Begriff "Achsenzeit" geprägt.
Der Konfuzianismus war 2000 Jahre Staatslehre in China.
Konfuzius kam 551 vor Christus in Qufu zur
Welt. Der Philosoph Laotse war vermutlich sein Zeitgenosse. Konfuzius lebte in
einer Zeit gewaltsamer Umbrüche. Das Reich der Mitte war noch nicht vereinigt.
Der Philosoph und seine Schüler zogen lange Jahre als Wanderlehrer umher. Sie
waren durch Hunger und Krieg bedroht. Konfuzius beriet Fürsten, veröffentlichte
aber seine Lehren nicht. Seine Schüler fassten die Weisheiten nach seinem Tod
im sogenannten "Lun Yu" zusammen. Sie schätzten ihren Meister als
einzigartigen Pädagogen und Vordenker der Bildungstheorie und folgten ihm wie
Jünger.
Menschenliebe
als höchste Tugend
Doch beim Konfuzianismus handelt es sich
nicht um eine Religion, sondern vielmehr eine praxisnahe Lebensethik. Deshalb
wird er auch "Gebrauchsanweisung für die Gesellschaft" genannt. Die
Herkunft seiner Schüler zählte für Konfuzius nicht. Den Wert eines Menschen
machten für ihn nur Bildung und deren Umsetzung aus. Reflektiertes Lernen dient
der Selbstvervollkommnung, die einen "Edlen" auszeichnet. Er übt sich
in den fünf Tugenden Rechtschaffenheit, Gewissenhaftigkeit, Gegenseitigkeit,
Aufrichtigkeit und der höchsten Tugend, der Menschenliebe.
Gesellschaftliche Ordnung und Harmonie
können, so Konfuzius, nur auf der Basis der sogenannten "kindlichen
Pietät" entstehen. Das Kind ist gehorsam gegenüber Eltern und Großeltern,
die Frau gehorcht dem Mann - und das Volk dem Herrscher. Verhält sich jeder
gemäß seiner Rolle, herrscht in der Familie Ordnung. Diese Harmonie geht dann
auf das Dorf, die Provinzen, das Reich und schließlich auf den gesamten Kosmos
über.
Traditionelle
Werte voll im Trend
In der Schule lernen die Kinder die
traditionellen Werte und Tugenden des Konfuzius, ihre Eltern zu ehren und
dankbar zu sein. Auch im rasant wachsenden China ist dieses Bildungsangebot
sehr gefragt. Nur mit den Tugenden lässt sich das Ideal der Harmonie erreichen.
Die Renaissance des Konfuzianismus begann bereits vor über 30 Jahren. Das Ziel
der Kommunisten ist die harmonische Gesellschaft, die seit fünf Jahren im
Parteistatut festgeschrieben ist.
Durch die Tradition des Konfuzianismus ist
das Ideal der gesellschaftlichen Harmonie viel stärker verankert als
individuelle Rechte. Harmonie meint allerdings kein religiöses
Heilsversprechen, sondern ein weltliches Ideal. Auch wenn die Harmonie im
Zentrum seiner Lehre stand, Konfuzius’ wohl wichtigste Botschaft an die heutige
Welt würde wohl lauten: Harmonie ist nicht alles und Kritik ist erwünscht -
selbst gegenüber Herrschenden.
Politik
von der Stange
Für Chinas Einheitspartei bleibt alles beim
Alten
Alle fünf Jahre trifft sich Chinas
kommunistische Elite zum Konklave vor pompöser Kulisse in Peking. Alle zehn
Jahre wird eine neue Führungsgeneration präsentiert. Während man in der großen
Halle des Volkes den Eindruck bekommt, dass viele Delegierte das Gesagte nicht
zum ersten Mal hören, sichert ein riesiges Aufgebot von Sicherheitskräften und
Freiwilligen die kommunistische Elite vor dem Volk.
Auf dem kommenden Parteitag in diesem
Herbst, soll nun eine neue Führungsspitze vorgestellt und abgenickt werden.
Dabei läuft alles auf die Kandidaten Xi Xingping und Li Keijiang hinaus. Der
erste soll Partei- und Staatschef werden, der zweite sein Regierungschef. Doch
wofür sie eigentlich stehen, weiß auch in China niemand so recht. Yang Jisheng
ist stellvertretender Chefredakteur der kleinen kritischen Zeitschrift
"Yanhuang Chunqiu", die nicht öffentlich verkauft, sondern nur direkt
an Abonnenten verschickt wird. Er sagt: "Die chinesische Politik
funktioniert anders, als die im Westen. Wenn man im Westen wählt, müssen zuerst
die politischen Meinungen und alle programmatischen Informationen
veröffentlicht werden".
Auch
neue Kandidaten ändern nichts
"In China wird das alles hinter der
Roten Maurer von einigen Wenigen ausgekungelt. Die Bürger erfahren nichts.
Deswegen kann niemand wirklich sagen, um was für Menschen es sich bei den
beiden Kandidaten handelt, was sie denken und wollen“, so Yang weiter. Immerhin
hat sein Blatt eine Auflage von 160.000 Stück. Zuvor, bis zu seiner
Pensionierung, arbeitete er bei der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, die
direkt dem Propagandaministerium unterstellt ist. Auch wenn man nicht viel über
die nächste Führungsgeneration wüsste, dass sie viel ändern könnte, sei
praktisch ausgeschlossen, meint Yang.
"Hu Jintao, der noch Parteivorsitzende
und Präsident, hat in einer Rede schon den Ton bestimmt. Er hat gesagt, bei den
politischen Reformen hätten wir keinen Nachholbedarf. Wir hätten gute
politische Erfahrungen gemacht, die unser politisches System bestätigen würden.
Es sei nicht nötig, die politischen Reformen zu beschleunigen und wenn man etwas
Gutes geschaffen habe, bräuchte man es auch nicht zu reformieren", so Yang
Jisheng. Dabei steht Chinas nächste Führungsgeneration vor gewaltigen
Herausforderungen. Zwischen 100.000 und 200.000 Zwischenfälle mit
Massenhintergrund gibt es mittlerweile. Das ist die euphemistische Umschreibung
von teils gewaltsamen Protesten gegen Korruption und illegale Landnahmen.
Kein
Vertrauen in die Politik
China ist ein Rechtsstaat, der nicht durch
das Recht, sondern durch die Partei bestimmt wird. Dort können Kritiker -
selbst mächtige lokale Parteichefs wie jüngst Bo Xilai aus Chongqing -
plötzlich und ohne Anklage verschwinden. In China wird die Schere zwischen arm
und reich immer größer, der Immobilienmarkt hat sich zu einer riesigen Blase
entwickelt und die Wirtschaft wächst langsamer als die Nachfrage nach
Arbeitsplätzen. Dem Schulterklopfen der Partei glaube hier kaum noch jemand,
meint Herr Yang: "China ist in einer Vertrauens-, Glaubens- und
Zuversichtskrise. Das Vertrauen in die Regierung ist schon lange in der Krise.
Was die Regierung sagt, glauben viele Bürger nicht mehr. Wenn die Politik nicht
transparenter wird, wird die Politik das Vertrauen nicht zurückgewinnen
können."
Dass die zukünftigen mächtigen Männer
Chinas aber die Transparenz der politischen Prozesse erhöhen werden, ist eher
unwahrscheinlich. Ihre Aufgabe in der Einparteien-Diktatur sei eine andere,
meint Herr Yang: "Die Aufgabe der neuen Generation ist es, dafür zu
sorgen, dass die Partei ihre Macht nicht verliert. Das ist ihre heilige Pflicht".
Und so wird der 18. Parteitag im Herbst wohl so spannend werden wie die
vergangenen.
China
und die Menschenrechte
Ärger in Peking über jährlichen US-Bericht
Mit Empörung hat Peking auf den jährlichen
Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums reagiert, demzufolge sich die
Lage in China verschlechtert hat. Der Bericht sei voller Vorurteile und
entspreche nicht den Tatsachen, sagte ein Sprecher des chinesischen
Außenministeriums dazu.
China habe in den vergangenen 30 Jahren
"bedeutende Fortschritte" bei den Menschenrechten erzielt. Der
Sprecher warf den Vereinigten Staaten vor, mit dem Finger auf andere Länder zu
zeigen: "So ein Thema sollte nie dazu benutzt werden, andere anzugreifen
oder sich in interne Angelegenheiten anderer Länder einzumischen."
In dem im Mai 2012 veröffentlichten Bericht
hatten die USA eine Verschlechterung der Menschenrechtslage in China
angeprangert. Peking habe seine Bemühungen verstärkt, politische Aktivisten zum
Schweigen zu bringen, hieß es unter anderem darin. Der Bericht erschien wenige
Tage nach der Ausreise des blinden chinesischen Bürgerrechtlers Chen Guangcheng
in die USA, dem Ende April eine dramatische Flucht aus seinem mehrjährigen
Hausarrest gelungen war.
Man
verbittet sich Druck und Belehrungen
Außerdem will China mit der Europäischen
Union weniger intensiv über Menschenrechte sprechen als bisher. Die asiatische
Großmacht plädiert dafür, statt zwei Dialogtreffen jährlich nur noch eines
abzuhalten, wie der unabhängige Brüsseler Informationsdienst "EUObserver"
im Juni diesen Jahres berichtete. "China ist entschlossen, die
Menschenrechte zu verbessern. Aber wir denken nicht, dass jemand als Lehrer
auftreten sollte. Wir geben keinem Druck nach", sagte Wang Xining, der
Presseattaché der chinesischen EU-Botschaft. Das bisher letzte Treffen fand
Ende Mai diesen Jahres statt. Eine Gesprächsrunde im Jahr reiche aus, wird Wang
zitiert. Schon 2010 und 2011 hatte China jeweils ein zweites Treffen abgesagt.
Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten
Catherine Ashton unterstrich dagegen, die EU wolle an den halbjährlichen
Treffen festhalten. Auch werde sie weiter Einzelfälle thematisieren: "Wir
behalten uns dieses Recht vor. Wir haben dies immer getan, und daran wird sich
nichts ändern."
Konfuzianismus
verstehen
Buchempfehlungen
von Gert Scobel
Auf dem Feld der Diskussion, das sich
zwischen den großen Themen der Religion und ihrer Jahrtausende alten
Geschichte, den neuen religiösen Bewegungen, aber auch den Fragen und Antworten
der Philosophie und Ethik aufspannt, gibt es seit einigen Jahren eine Reihe,
die nicht nur Pionierarbeit leistet, sondern zum besten gehört, was je auf
diesem Gebiet zumindest in Deutschland publiziert wurde. Ich meine den Verlag
der Weltreligionen , eine Zusammenarbeit des Suhrkamp Verlages, der Udo Keller
Stiftung Forum Humanum und einer Reihe internationaler Spitzenwissenschaftler.
Das ehrgeizige Ziel des Verlages der
Weltreligionen ist es, "die Tradition der religionsgeschichtlichen
Publikationen in den Verlagen Suhrkamp und Insel, im Jüdischen Verlag und im
Deutschen Klassiker Verlag fortzusetzen", um der Öffentlichkeit die großen
religiösen Texte und Schriften des "Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus
und Daoismus, des Judentums, Christentums und des Islam" zugänglich zu machen.
Tatsächlich macht der Verlag der
Weltreligionen ernst mit der Absicht, viele religionsgeschichtliche
Quellenwerke und Darstellungen der Religionen in hervorragender deutscher
Übersetzung (oftmals zum ersten mal) zugänglich zu machen. In der Tat sind
viele selbst er wichtigen Texte nur schwer oder gar nicht auf Deutsch
erhältlich. Und wenn, so fehlen oft die solide philologische,
wirkungsgeschichtliche und inhaltliche Einordnung - gerade bei Texten, die
Nicht-Fachleuten nicht geläufig sind. Insofern kann man das Projekt und die
bislang publizierte, erstaunlich vielseitige Produktion des Verlags der
Weltreligionen nicht oft und lautstark genug loben.
Auch in Bezug auf China gibt es einige
Perlen, auf die ich in kurzen Besprechungen aufmerksam machen will, wobei ich
mich aus verschiedenen Gründen nicht mit den (Chan- oder Zen-) buddhistischen
Texten des alten China befasse - etwa mit dem von Christian Wittern
herausgegeben Band "Mazu Daoyi und Dazhu Huihai - Grundlegende Reden und
Aufzeichnungen der Hongzhou-Schule des Chan-Buddhismus". Da es in meiner
Sendung um China geht, will ich Ihnen kurz vier Bände vorstellen, die sich mit
dem Konfuzianismus befassen:
- Annping Chin: Konfuzius - Geschichte seines Lebens
- Dennis Schilling: Yijing - Das Buch der Wandlungen
- Hans van Ess/Hu Hong: Worte kennen - Zhiyan
- Heiner Roetz: Konfuzius
Scobels
Kolumne:
Die
Widersprüchlichkeiten Chinas
Vom Streben nach Harmonie und der Akzeptanz
von Folter und Gewalt
Harmonie bedeutet, dass jede Gesellschaft
ihren eigenen Werten folgt und man sich - wie der Sinologe Heiner Roetz
zugespitzt schrieb - "nicht wechselseitig in normativen Fragen belästigt,
sondern in einem friedlichen Nebeneinander um Kooperation bemüht". Nach
dieser Definition ist auch die Diskussion mit China über Fragen der
Menschenrechte eine Einmischung.
Leider wird in dieser Harmonie-Debatte, die
seit vielen Jahren die innere und äußere Politik Chinas bestimmt, der Gelehrte
Konfuzius zitiert, der in seinen Gesprächen (Lunyu) in Kapitel
XIII, Vers. 23 bemerkte, dass der (konfuzianische) Edle und Weise den Einklang,
aber nicht den Gleichklang suche. Der Edle ist friedfertig, macht sich aber
nicht gemein, während der Unedle sich gemein macht und dabei nicht einmal
friedfertig ist.
Das chinesische Einparteiensystem, der
Staat, nimmt allerdings für sich immer wieder eine andere Haltung in Anspruch.
Denn der Staat setzt keineswegs auf Pluralität und Relativismus in Sachen
Normen, sondern darauf, sich in alle Einzelheiten einmischen und auf Abweichungen
notfalls mit Gewalt, Folter und Hinrichtung zu reagieren. Aber nicht nur
notfalls. Hat das Einparteiensystem, das im Oktober einen erneuten Machtwechsel
erleben wird, angesichts des 18. Parteikongresses, tatsächlich "Not"?
Manches deutet darauf hin, dass es innerhalb der (nach außen gut geschützten)
Partei heftige Machtkämpfe, Verwerfungen und Risse gibt.
Jedes Jahrhundert hat seinen eigenen
Konfuzius
Doch wo auch immer man Fragen wie diese
diskutiert, taucht wie aus dem Nichts ein Name auf: Konfuzius. Der
Konfuzianismus, der sich seit fast 2500 Jahren hält (obwohl, wie manche Kenner
bemerken, jedes Jahrhundert seinen eigenen Konfuzius hat), scheint eine gute
Folie zu sein, um die Veränderungen Chinas über die Jahrhunderte hinweg besser
zu verstehen. Gerade auch das moderne China beruft sich immer wieder auf den
ersten Bildungstheoretiker und frei tätigen Lehrer Chinas. Zu seiner Zeit war
Konfuzius weitaus weniger anerkannt als der steigende Ruhm nach seinem Tod
ahnen lässt.
Die Frage ist also, was der historische
Meister Kong lehrte und dachte. Bilden diese Gedanken, die vor allem in den
sogenannten Gesprächen (Lunyu) festgehalten sind, Anhaltspunkte, um die
Widersprüche auch des modernen China zu verstehen? Und wie verhalten sich
Konfuzius’ Ansichten - etwa seine goldene Regel - zu den westlichen Versuchen
der Begründung von Ethik und Moral? Diese und ähnliche damit verbundene Fragen
stehen im Zentrum der Sendung, die das Ziel hat, über China zu informieren und
die Widersprüchlichkeit dieses großen, mächtigen Landes besser zu verstehen.