Freitag, 30. Juni 2017

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 305

305.

Selbstbeherrschung. — Jene Morallehrer, welche zuerst und zuoberst dem Menschen anbefehlen, sich in seine Gewalt zu bekommen, bringen damit eine eigenthümliche Krankheit über ihn: nämlich eine beständige Reizbarkeit bei allen natürlichen Regungen und Neigungen und gleichsam eine Art Juckens. Was auch fürderhin ihn stossen, ziehen, anlocken, antreiben mag, von innen oder von aussen her — immer scheint es diesem Reizbaren, als ob jetzt seine Selbstbeherrschung in Gefahr gerathe: er darf sich keinem Instincte, keinem freien Flügelschlage mehr anvertrauen, sondern steht beständig mit abwehrender Gebärde da, bewaffnet gegen sich selber, scharfen und misstrauischen Auges, der ewige Wächter seiner Burg, zu der er sich gemacht hat. Ja, er kann gross damit sein! Aber wie unausstehlich ist er nun für Andere geworden, wie schwer für sich selber, wie verarmt und abgeschnitten von den schönsten Zufälligkeiten der Seele! Ja auch von aller weiteren Belehrung! Denn man muss sich auf Zeiten verlieren können, wenn man den Dingen, die wir nicht selber sind, Etwas ablernen will.

Donnerstag, 29. Juni 2017

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 304

304.

Indem wir thun, lassen wir. — Im Grunde sind mir alle jene Moralen zuwider, welche sagen: „Thue diess nicht! Entsage! Ueberwinde dich!“ — ich bin dagegen jenen Moralen gut, welche mich antreiben, Etwas zu thun und wieder zu thun und von früh bis Abend, und Nachts davon zu träumen, und an gar Nichts zu denken als: diess gut zu thun, so gut als es eben mir allein möglich ist! Wer so lebt, von dem fällt fortwährend Eins um das Andere ab, was nicht zu einem solchen Leben gehört: ohne Hass und Widerwillen sieht er heute Diess und morgen Jenes von sich Abschied nehmen, den vergilbten Blättern gleich, welche jedes bewegtere Lüftchen dem Baume entführt: oder er sieht gar nicht, dass es Abschied nimmt, so streng blickt sein Auge nach seinem Ziele und überhaupt vorwärts, nicht seitwärts, rückwärts, abwärts. „Unser Thun soll bestimmen, was wir lassen: indem wir thun, lassen wir“ — so gefällt es mir, so lautet mein placitum. Aber ich will nicht mit offenen Augen meine Verarmung anstreben, ich mag alle negativen Tugenden nicht, — Tugenden, deren Wesen das Verneinen und Sichversagen selber ist.

Mittwoch, 28. Juni 2017

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 303

303.

Zwei Glückliche. — Wahrlich, dieser Mensch, trotz seiner Jugend, versteht sich auf die Improvisation des Lebens und setzt auch den feinsten Beobachter in Erstaunen: — es scheint nämlich, dass er keinen Fehlgriff thut, ob er schon fortwährend das gewagteste Spiel spielt. Man wird an jene improvisirenden Meister der Tonkunst erinnert, denen auch der Zuhörer eine göttliche Unfehlbarkeit der Hand zuschreiben möchte, trotzdem, dass sie sich hier und da vergreifen, wie jeder Sterbliche sich vergreift. Aber sie sind geübt und erfinderisch, und im Augenblicke immer bereit, den zufälligsten Ton, wohin ein Wurf des Fingers, eine Laune sie treibt, sofort in das thematische Gefüge einzuordnen und dem Zufalle einen schönen Sinn und eine Seele einzuhauchen. — Hier ist ein ganz anderer Mensch: dem missräth im Grunde Alles, was er will und plant. Das, woran er gelegentlich sein Herz gehängt hat, brachte ihn schon einige Male an den Abgrund und in die nächste Nähe des Unterganges; und wenn er dem noch entwischte, so doch gewiss nicht nur „mit einem blauen Auge“. Glaubt ihr, dass er darüber unglücklich ist? Er hat längst bei sich beschlossen, eigene Wünsche und Pläne nicht so wichtig zu nehmen. „Gelingt mir Diess nicht, so redet er sich zu, dann gelingt mir vielleicht Jenes; und im Ganzen weiss ich nicht, ob ich nicht meinem Misslingen mehr zu Danke verpflichtet bin, als irgend welchem Gelingen. Bin ich dazu gemacht, eigensinnig zu sein und die Hörner des Stieres zu tragen? Das, was mir Werth und Ergebniss des Lebens ausmacht, liegt wo anders; mein Stolz und ebenso mein Elend liegt wo anders. Ich weiss mehr vom Leben, weil ich so oft daran war, es zu verlieren: und eben darum habe ich mehr vom Leben, als ihr Alle!“

Dienstag, 27. Juni 2017

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 302

302.

Gefahr des Glücklichsten. — Feine Sinne und einen feinen Geschmack haben; an das Ausgesuchte und Allerbeste des Geistes wie an die rechte und nächste Kost gewöhnt sein; einer starken, kühnen, verwegenen Seele geniessen; mit ruhigem Auge und festem Schritt durch das Leben gehen, immer zum Aeussersten bereit, wie zu einem Feste und voll des Verlangens nach unentdeckten Welten und Meeren, Menschen und Göttern; auf jede heitere Musik hinhorchen, als ob dort wohl tapfere Männer, Soldaten, Seefahrer sich eine kurze Rast und Lust machen, und im tiefsten Genusse des Augenblicks überwältigt werden von Thränen und von der ganzen purpurnen Schwermuth des Glücklichen: wer möchte nicht, dass das Alles gerade sein Besitz, sein Zustand wäre! Es war das Glück Homer’s! Der Zustand Dessen, der den Griechen ihre Götter, — nein, sich selber seine Götter erfunden hat! Aber man verberge es sich nicht: mit diesem Glücke Homer’s in der Seele ist man auch das leidensfähigste Geschöpf unter der Sonne! Und nur um diesen Preis kauft man die kostbarste Muschel, welche die Wellen des Daseins bisher an’s Ufer gespült haben! Man wird als ihr Besitzer immer feiner im Schmerz und zuletzt zu fein: ein kleiner Missmuth und Ekel genügte am Ende, um Homer das Leben zu verleiden. Er hatte ein thörichtes Räthselchen, das ihm junge Fischer aufgaben, nicht zu rathen vermocht! Ja, die kleinen Räthsel sind die Gefahr der Glücklichsten! —

Montag, 26. Juni 2017

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 301

301.

Wahn der Contemplativen. — Die hohen Menschen unterscheiden sich von den niederen dadurch, dass sie unsäglich mehr sehen und hören und denkend sehen und hören — und eben diess unterscheidet den Menschen vom Thiere und die oberen Thiere von den unteren. Die Welt wird für Den immer voller, welcher in die Höhe der Menschlichkeit hinauf wächst; es werden immer mehr Angelhaken des Interesses nach ihm ausgeworfen; die Menge seiner Reize ist beständig im Wachsen und ebenso die Menge seiner Arten von Lust und Unlust, — der höhere Mensch wird immer zugleich glücklicher und unglücklicher. Dabei aber bleibt ein Wahn sein beständiger Begleiter: er meint, als Zuschauer und Zuhörer vor das grosse Schau- und Tonspiel gestellt zu sein, welches das Leben ist: er nennt seine Natur eine contemplative und übersieht dabei, dass er selber auch der eigentliche Dichter und Fortdichter des Lebens ist, — dass er sich freilich vom Schauspieler dieses Drama’s, dem sogenannten handelnden Menschen, sehr unterscheidet, aber noch mehr von einem blossen Betrachter und Festgaste vor der Bühne. Ihm, als dem Dichter, ist gewiss vis contemplativa und der Rückblick auf sein Werk zu eigen, aber zugleich und vorerst die vis creativa, welche dem handelnden Menschen fehlt, was auch der Augenschein und der Allerweltsglaube sagen mag. Wir, die Denkend-Empfindenden, sind es, die wirklich und immerfort Etwas machen, das noch nicht da ist: die ganze ewig wachsende Welt von Schätzungen, Farben, Gewichten, Perspectiven, Stufenleitern, Bejahungen und Verneinungen. Diese von uns erfundene Dichtung wird fortwährend von den sogenannten practischen Menschen (unsern Schauspielern wie gesagt) eingelernt, eingeübt, in Fleisch und Wirklichkeit, ja Alltäglichkeit übersetzt. Was nur Werth hat in der jetzigen Welt, das hat ihn nicht an sich, seiner Natur nach, — die Natur ist immer werthlos: — sondern dem hat man einen Werth einmal gegeben, geschenkt, und wir waren diese Gebenden und Schenkenden! Wir erst haben die Welt, die den Menschen Etwas angeht, geschaffen! — Gerade dieses Wissen aber fehlt uns, und wenn wir es einen Augenblick einmal erhaschen, so haben wir es im nächsten wieder vergessen: wir verkennen unsere beste Kraft und schätzen uns, die Contemplativen, um einen Grad zu gering, — wir sind weder so stolz, noch so glücklich, als wir sein könnten.

Sonntag, 25. Juni 2017

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 300

300.

Vorspiele der Wissenschaft. — Glaubt ihr denn, dass die Wissenschaften entstanden und gross geworden wären, wenn ihnen nicht die Zauberer, Alchymisten, Astrologen und Hexen vorangelaufen wären als Die, welche mit ihren Verheissungen und Vorspiegelungen erst Durst, Hunger und Wohlgeschmack an verborgenen und verbotenen Mächten schaffen mussten? Ja, dass unendlich mehr hat verheissen werden müssen, als je erfüllt werden kann, damit überhaupt Etwas im Reiche der Erkenntniss sich erfülle? — Vielleicht erscheint in gleicher Weise, wie uns sich hier Vorspiele und Vorübungen der Wissenschaft darstellen, die durchaus nicht als solche geübt und empfunden wurden, auch irgend einem fernen Zeitalter die gesammte Religion als Uebung und Vorspiel: vielleicht könnte sie das seltsame Mittel dazu gewesen sein, dass einmal einzelne Menschen die ganze Selbstgenügsamkeit eines Gottes und alle seine Kraft der Selbsterlösung geniessen können: Ja! — darf man fragen — würde denn der Mensch überhaupt ohne jene religiöse Schule und Vorgeschichte es gelernt haben, nach sich Hunger und Durst zu spüren und aus sich Sattheit und Fülle zu nehmen? Musste Prometheus erst wähnen, das Licht gestohlen zu haben und dafür büssen, — um endlich zu entdecken, dass er das Licht geschaffen habe, indem er nach dem Lichte begehrte, und dass nicht nur der Mensch, sondern auch der Gott das Werk seiner Hände und Thon in seinen Händen gewesen sei? Alles nur Bilder des Bildners? — ebenso wie der Wahn, der Diebstahl, der Kaukasus, der Geier und die ganze tragische Prometheia aller Erkennenden?

Samstag, 24. Juni 2017

The Mind:
Less Puzzling in Chinese? 

 
Im Juni vergangenen Jahres las ich in der New York Review of Books einen Beitrag von Perry Link über ein philologisch-philosophisches Problem; er griff dabei auf sein Buch "An Anatomy of Chinese: Rhythm, Metaphor, Politics.", das in der Harvard University Press, Cambridge, im Jahr  2013 publiziert worden war, zurück. 

Dieses Buch befindet sich in unserer Bibliothek Gleichgewicht. Der o.a. Artikel ist eine stimulierende Einfühung, die zum Nachdenken anregt. Ich habe des öftern versucht, mit an Sprachwissenschaften Interessiereten darüber zu diskutieren. 

Lassen Sie sich, falls Sie English lesen und verstehen, und Interesse an philologischen als auch philosphischen Gedanken haben, von diesem Artikel inspirieren. Wenn Sie in der Nähe von Drösing sind, besuchen Sie doch unsere Bibliothek Gleichgewicht; wir haben etliche ähnliche Publikationen...



Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 299

299.

Was man den Künstlern ablernen soll. — Welche Mittel haben wir, uns die Dinge schön, anziehend, begehrenswerth zu machen, wenn sie es nicht sind? — und ich meine, sie sind es an sich niemals! Hier haben wir von den Aerzten Etwas zu lernen, wenn sie zum Beispiel das Bittere verdünnen oder Wein und Zucker in den Mischkrug thun; aber noch mehr von den Künstlern, welche eigentlich fortwährend darauf aus sind, solche Erfindungen und Kunststücke zu machen. Sich von den Dingen entfernen, bis man Vieles von ihnen nicht mehr sieht und Vieles hinzusehen muss, um sie noch zu sehen — oder die Dinge um die Ecke und wie in einem Ausschnitte sehen — oder sie so stellen, dass sie sich theilweise verstellen und nur perspectivische Durchblicke gestatten — oder sie durch gefärbtes Glas oder im Lichte der Abendröthe anschauen — oder ihnen eine Oberfläche und Haut geben, welche keine volle Transparenz hat: das Alles sollen wir den Künstlern ablernen und im Uebrigen weiser sein, als sie. Denn bei ihnen hört gewöhnlich diese ihre feine Kraft auf, wo die Kunst aufhört und das Leben beginnt; wir aber wollen die Dichter unseres Lebens sein, und im Kleinsten und Alltäglichsten zuerst.

Freitag, 23. Juni 2017

The betrayal is accelerating

The Senate GOP Isn’t Fixing Health Care.
It’s Waging Class War.

A draft bill released Thursday offers tax cuts to the rich at the expense of the poor and the elderly.

By Zoë Carpenter, THE NATION, June 22, 2017

Trump seeks war with Iran and some other devil enemies

All Signs Point to Trump’s Coming War With Iran


The Saudi war in Yemen is really directed at…Iran. Donald Trump’s first overseas visit to Saudi Arabia and Israel was specifically targeted at…Iran. The Saudi-led isolation of Qatar is actually about…Iran.
The escalation of U.S. military actions against the Syria government is… well, do I really need to spell this out any further?

Sinn und Form 4/2017



 In unserer Bibliothek liegt die Zeitsachrift auf!


SuF_Cover_2017.4_400b.jpg,


Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit möchten wir Sie auf Heft 4/2017 von SINN UND FORM aufmerksam machen, das soeben erschienen ist -
mit Beiträgen von: Olga Tokarczuk / Bernhard Hartmann / Marzanna Kielar / Peter Bürger / Felix Hartlaub / Irit Amiel / Marcel Schwob / Peter von Matt / Kurt Scharf / Durs Grünbein / Carola Opitz-Wiemers / Ute Eckenfelder / Aisin Gioro Jooliyan / Kerstin Hensel / Guntram Vesper / Sebastian Kleinschmidt / Judith Hermann / Katja Lange-Müller / Dragan Aleksić // Inhalt
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Redaktion SINN UND FORM
Gernot Krämer, Elisa Primavera-Lévy und Matthias Weichelt
sinnform@adk.de
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Pressestimmen zu Heft 3/2017:
Im Saarländischen Rundfunk besprach Michael Buselmeier am 23. Mai die Beiträge von László Földényi und Sigrid Damm über W. G. Sebald sowie die Familienbriefe Felix Hartlaubs: "Für manche, etwa Durs Grünbein, gilt Hartlaub als 'eines der stärksten Prosa-Talente seiner Generation', ein früh Vollendeter oder ein nicht zu Ende Geborener, jedenfalls eine Mehrfachbegabung (als Schriftsteller, Zeichner, Romanist und Historiker), ein kühler, sehr distanzierter Beobachter seiner Umgebung – vor allem durch seine 'Kriegsaufzeichnungen'…"




Inhaltsverzeichnis SINN UND FORM 4/2017:
  • Olga Tokarczuk, Die Grenze, S. 437
  • Olga Tokarczuk, »Ich gehöre zu den modernen Nomaden.« Ein Gespräch mit Bernhard Hartmann über Literatur als Welterfahrung, S. 447
  • Marzanna Kielar, Jagdszenen und Bettelszenen. Gedichte, S. 455
  • Peter Bürger, Die Leidenschaft des Denkens. Annäherungen an Rudolf Borchardt, S. 458 Leseprobe
  • Felix Hartlaub, Neapolitaner Aufzeichnungen.
    Ediert von Nikola Herweg und Harald Tausch, S. 467
  • Irit Amiel, Mein polnisches Pompeji. Gedichte, S. 478
  • Marcel Schwob, Manapouri. Eine Seereise nach Samoa 1901/02. Mit einer Vorbemerkung von Gernot Krämer, S. 480 Leseprobe
  • Peter von Matt, Der stehende Blitz. Die Paradoxien des Gedichts, S. 496
  • Kurt Scharf, »Halt aus in der Nacht bis zum Wein«. Die Entstehung der modernen persischen Lyrik, S. 503 Leseprobe
  • Durs Grünbein, Westhafen. Gedichte, S. 521
  • Carola Opitz-Wiemers, »Ich könnt vielleicht ein Geheimnis haben«. Leben und Werk Christine Lavants, S. 525
  • Ute Eckenfelder, Aus heidnischen Tiefen. Gedichte, S. 536
  • Aisin Gioro Jooliyan, Alt-Pekinger Miniaturen, S. 540
  • Kerstin Hensel, Besuch bei Bobrowski, S. 549
  • Guntram Vesper, May aus Ernstthal, S. 550
  • Sebastian Kleinschmidt, Atem und Aura des nächtlichen Himmels.
    Laudatio auf Jochen Winter, S. 552
  • Judith Hermann, Helden der Gegenwart, S. 556
  • Katja Lange-Müller, Antihelden im Leben und in der Literatur, S. 559
  • Dragan Aleksić, Der Kuß auf dem Fensterglas. Peter Handke, S. 563




Impressum: Redaktion SINN UND FORM, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin
Tel. 030 / 20057-2220, Homepage www.sinn-und-form.de, E-Mail sinnform@adk.de

Neue Rundschau 2017/2



Lyrikosmose4

Heft 128/2 liegt in unserer Bibliothek auf.


Welche Verse sollen neben deinen stehen? Mit dieser Frage haben sich deutsche Lyriker, und gerade die jüngeren, für die »Lyrikosmose4« auseinander gesetzt. Ausgehend von ihren eigenen Gedichten haben sie sich auf die Suche gemacht nach ihren poetischen Nachbarn. Die haben ihrerseits ihre Umgebung erkundet, auf der Suche nach den Versen, die neben ihren stehen. Entstanden ist ein Mit- und Nebeneinander von amerikanischen Beat-Lyrikern, frankophonen Afrikanern und chinesischen Dichtern, die auf einem Ohr taub sind. Einsame Wanderer, Versprengte Verse, unvermutete Wiederbegegnungen – in Lyriknetzen, die sich über bis zu sieben Stationen erstrecken.

Mit Beiträgen von Ron Padgett, Uwe Kolbe, Olga Martynova, Jan Röhnert, Carolin Callies, Michał Książek, Ron Winkler, Fiston Mwanza Mujila u. a.

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 298

298.

Seufzer. — Ich erhaschte diese Einsicht unterwegs und nahm rasch die nächsten schlechten Worte, sie festzumachen, damit sie mir nicht wieder davonfliege. Und nun ist sie mir an diesen dürren Worten gestorben und hängt und schlottert in ihnen — und ich weiss kaum mehr, wenn ich sie ansehe, wie ich ein solches Glück haben konnte, als ich diesen Vogel fieng.

Donnerstag, 22. Juni 2017

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 297

297.

Widersprechen können. — Jeder weiss jetzt, dass Widerspruch-Vertragen-können ein hohes Zeichen von Cultur ist. Einige wissen sogar, dass der höhere Mensch den Widerspruch gegen sich wünscht und hervorruft, um einen Fingerzeig über seine ihm bisher unbekannte Ungerechtigkeit zu bekommen. Aber das Widersprechen-Können, das erlangte gute Gewissen bei der Feindseligkeit gegen das Gewohnte, Ueberlieferte, Geheiligte, — das ist mehr als jenes Beides und das eigentlich Grosse, Neue, Erstaunliche unserer Cultur, der Schritt aller Schritte des befreiten Geistes: wer weiss das? —

Und zum Frühstück ...



A Cup of Tea  
Nan-in, a Japanese master during the Meiji era (1868-1912), received a university professor who came to inquire about Zen. Nan-in served tea. He poured his visitor's cup full, and then kept on pouring.
The professor watched the overflow until he no longer could restrain himself. "It is overfull. No more will go in!"
"Like this cup," Nan-in said, "you are full of your own opinions and speculations, how can I show you Zen unless you first empty your cup?"

From:
Zen Flesh, Zen Bones. A Collection of Zen & Pre-Zen Writings. Compiled by Paul Reps. Garden City/NY