Dienstag, 27. Juni 2017

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 302

302.

Gefahr des Glücklichsten. — Feine Sinne und einen feinen Geschmack haben; an das Ausgesuchte und Allerbeste des Geistes wie an die rechte und nächste Kost gewöhnt sein; einer starken, kühnen, verwegenen Seele geniessen; mit ruhigem Auge und festem Schritt durch das Leben gehen, immer zum Aeussersten bereit, wie zu einem Feste und voll des Verlangens nach unentdeckten Welten und Meeren, Menschen und Göttern; auf jede heitere Musik hinhorchen, als ob dort wohl tapfere Männer, Soldaten, Seefahrer sich eine kurze Rast und Lust machen, und im tiefsten Genusse des Augenblicks überwältigt werden von Thränen und von der ganzen purpurnen Schwermuth des Glücklichen: wer möchte nicht, dass das Alles gerade sein Besitz, sein Zustand wäre! Es war das Glück Homer’s! Der Zustand Dessen, der den Griechen ihre Götter, — nein, sich selber seine Götter erfunden hat! Aber man verberge es sich nicht: mit diesem Glücke Homer’s in der Seele ist man auch das leidensfähigste Geschöpf unter der Sonne! Und nur um diesen Preis kauft man die kostbarste Muschel, welche die Wellen des Daseins bisher an’s Ufer gespült haben! Man wird als ihr Besitzer immer feiner im Schmerz und zuletzt zu fein: ein kleiner Missmuth und Ekel genügte am Ende, um Homer das Leben zu verleiden. Er hatte ein thörichtes Räthselchen, das ihm junge Fischer aufgaben, nicht zu rathen vermocht! Ja, die kleinen Räthsel sind die Gefahr der Glücklichsten! —

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