Montag, 5. Juni 2017

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 280

280.

Architektur der Erkennenden. — Es bedarf einmal und wahrscheinlich bald einmal der Einsicht, was vor Allem unseren grossen Städten fehlt: stille und weite, weitgedehnte Orte zum Nachdenken, Orte mit hochräumigen langen Hallengängen für schlechtes oder allzu sonniges Wetter, wohin kein Geräusch der Wagen und der Ausrufer dringt und wo ein feinerer Anstand selbst dem Priester das laute Beten untersagen würde: Bauwerke und Anlagen, welche als Ganzes die Erhabenheit des Sich-Besinnens und Bei-Seitegehens ausdrücken. Die Zeit ist vorbei, wo die Kirche das Monopol des Nachdenkens besass, wo die vita contemplativa immer zuerst vita religiosa sein musste: und Alles, was die Kirche gebaut hat, drückt diesen Gedanken aus. Ich wüsste nicht, wie wir uns mit ihren Bauwerken, selbst wenn sie ihrer kirchlichen Bestimmung entkleidet würden, genügen lassen könnten; diese Bauwerke reden eine viel zu pathetische und befangene Sprache, als Häuser Gottes und Prunkstätten eines überweltlichen Verkehrs, als dass wir Gottlosen hier unsere Gedanken denken könnten. Wir wollen uns in Stein und Pflanze übersetzt haben, wir wollen in uns spazieren gehen, wenn wir in diesen Hallen und Gärten wandeln.

1 Kommentar:

  1. Ein recht eigentlich spießbürgerliches Park-Ideal. Und wohinein willst Du Dich denn versenken, wenn nicht in dies pathetische von Religion und Philosophie: Alles?

    Ganz recht ist Alles auch im Ich. Das weißt Du von Schopenhauer, den Du an an eben das Ich verraten hast. Das Andere verschweigst Du, dass eben das Ich auch ein Nichts im Alles ist. S. Vorwort zu Wille und Vorstellung.

    Im Park der Hundekotbeutel, im Wald der Wolf des Nietzsche? Es gibt die Räume des Friedens: die Bibliothek, das Cafe'. Dort aber sitzen - wie in Kirchen: Menschen.

    Und die sind ja Dein eigentliches Problem.

    AntwortenLöschen