In seinem Beitrag “Does
Money Make Us Write Better?” (NYR Blog. July 20, 2012)
geht der britische Autor Tim Parks (* 1954) auf ein
„heißes“ Thema ein, dem Verhältnis von Professionalität und Geld.
Er betont, wie wichtig es ihm war, als
Schriftsteller nicht nur ideell anerkannt zu werden, nicht nur „für sich“, für
die Schublade zu schreiben, sozusagen um des Schreibens willen, sondern
publiziert und rezipiert zu werden.
Heute belegen viele beginnende
Schriftsteller Schreibkurse bzw. nehmen an Schreibwerkstätten oder –schulen
teil, um die nötigen Rückmeldungen zu erhalten. Aber die reichen nicht wirklich aus: „Today, of course, aspiring writers
go to creative writing schools and so already have feedback from professionals.
Many of them will self-publish short stories on line and receive comments from
unknown readers through the web. Yet I notice on the few occasions when I have
taught creative writing courses that this encouragement, professional or
otherwise, is never enough. Students are glad to hear you think they can write,
but they need, as I did, the confirmation of a publishing contract, which
involves money. Not that they’re calculating how much money, not at this point.
They’re thinking of a token of recognition—they want to exist, as writers.“
Der Status der Professionalität gewinnt man
seiner Ansicht nach nicht von ein paar geneigten Lesern oder Lehrern, sondern
nur dadurch, dass ein Verlag in den Autor investiert, seine Arbeiten publiziert
und bezahlt.
Er erwähnt als
Beispiel Robert Walser: „In his masterpiece Jakob von Gunten, Robert Walser has his young alter ego commiserate with his artist brother and question how a
person can ever be at ease if his or her mental well-being depends on the
critical judgment of others.”
Wie weit stimmte das bzw. stimmt es heute? Gab
es nicht unzählige Autoren von hoher Qualität, deren Werke später bekannt und
begehrt wurden, die fast ohne Publikum schrieben? Auch wenn der Autor ein
Tagebuch, anscheinend nur für sich schreibt, richtet er sich doch an die
Außenwelt, auch wenn diese nur imaginiert ist. Sie fungiert dann als Substitut
für ein Publikum, für die Leserschaft, für den idealen Leser.
Wäre der Schriftsteller, der schreiben will
oder muss, wie manche behaupten, so abhängig vom Publikum, würde keiner schreiben
ohne Verlagsvertrag, ohne Publikationen. Aber ein Heer von Autoren, die auch
unter widrigsten Umständen (Flucht, Lager, Haft, Exil, Krankheit etc.) lebten,
haben nicht geschwiegen, haben nicht nur Gedanken gewälzt, sondern diese
notiert, aufgeschrieben. Sie haben die Schrift gestellt, sie waren
Schriftsteller, auch dann, wenn sie verfemt waren, wenn ihre Werke zu ihren
Lebzeiten nicht beachtet und publiziert wurden oder, noch extremer, wenn der
Autor sie gar nicht an die Öffentlichkeit übergab.
Andererseits können natürlich Bedingungen
des Verlags- oder Literaturmarktes den Fortgang der schriftstellerischen
Produktion beeinflussen: befördern oder behindern, wenn nicht gar verhindern. Als
Beispiel einer Behinderung führt Parks Christina Stead an.
Man könnte Gegenbeispiele anführen, wo die
politische Lage, das geistige Klima, die ideologische Ausrichtung die Rezeption
bestimmter Werke und Autoren überhöht, extrem befördert, man denke nur an Kafka
oder Celan.
Besonders interessant an Parks Überlegungen
sind aber nicht die finanziellen Aspekte, sondern die hinsichtlich einer
„community of reference“: „The key idea here it seems to me is that of a
community of reference. Writers
can deal with a modest income if they feel they are writing toward a body of
readers who are aware of their work and buy enough of it to keep the publisher
happy. But the nature of contemporary globalization, with its tendency to unify
markets for literature, is such that local literary communities are beginning
to weaken, while the divide between those selling vast quantities of books
worldwide and those selling very few and mainly on home territory is growing
all the time.“
Paradoxerweise erschwert also die
Globalisierung, die Leichtigkeit der elektronischen Kommunikation und
Vernetzung diese notwendige Gemeinschaft, diesen Kreis von Schriftstellern und
Lesern bzw. Kritikern. Denn die Märkte bauen nicht auf Diversität und Vielfalt,
sondern profitable Produkte und deren Lieferanten; der Zug zur Konzentration
und Angleichung bzw. marktgerechten Ausrichtung hilft den Spitzen mehr als dem
Boden.
Hinzu kommen die Grenzen „kleiner“Sprachen; die Vorherrschaft weniger Weltsprachen baut Barrieren und Grenzen
auf, die durch Übersetzungen nur unzureichend überwunden werden. Das mediale
Umfeld hilft zur Verstärkung der Bekanntheit des bereits Bekannten. Es ist wie
im Suchsystem einer Suchmaschine: nicht das, was ganz schwer zu finden ist,
wird sofort gefunden, sondern das, was am bekanntesten ist. Die Orientierung an
der hohen Zahl, der Quote, vergrößert die Bekanntheit, schreibt ihr einen hohen
Wert zu. Nicht Vielfalt ist das Ziel, sondern Allbekanntheit oder, anders
ausgedrückt, es gelten nicht Kriterien der Qualität sondern Quantität (was
nicht heißen soll, dass Bestbekanntes von geringer Qualität wäre).
Aus all dem lässt sich aber auch die
Bedeutung und Wichtigkeit kleiner, lokaler Zeitschriften ablesen, die die
Verbindung von unbekannten oder weniger bekannten zu ihrem Publikum herstellen
und halten. Kultur findet nie nur „oben“ statt und nicht nur im main stream. Je
vielfältiger und lebendiger eine Kultur, desto mehr Nischen und kleine Inseln
weist sie auf, die untereinander verbunden sein können. Diese kleinen Medien
können sozusagen das Gewürz liefern für den großen Brei, die allgemeine Suppe.
Zudem bieten solche Kleinmedien den
Beteiligten Stätten der Auseinandersetzung, die, wenn sie über Lesungen und
andere Veranstaltungen das lokale Publikum ansprechen und miteinbeziehen,
höchst befruchtend für die aktive Kultur sein können.
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