Dienstag, 13. Dezember 2011

Nietzsche zu Hölderlin

In unserer Ausgabe # 8, "fremd", bringen wir das Gedicht "Mnemosyne" von Hölderlin und einen Aufsatz dazu von Wolfgang Florey.

Hier als Nachsätze ein paar Überlegungen von Nietzsche zu Hölderlin (aus dem Nachlass):

29[106]

Hölderlin „du wirst durchaus finden, dass jetzt die menschlicheren Organisationen, Gemüther, welche die Natur zur Humanität am bestimmtesten gebildet zu haben scheint, dass diese jetzt überall die unglücklicheren sind, eben weil sie seltener sind als sonst in anderen Zeiten und Gegenden. Die Barbaren um uns her zerreissen unsre besten Kräfte, ehe sie zur Bildung kommen können, und nur die feste tiefe Einsicht dieses Schicksals kann uns retten, dass wir wenigstens nicht in Unwürdigkeit vergehen. Wir müssen das Treffliche aufsuchen, zusammenhalten mit ihm, so viel wir können, uns im Gefühle desselben stärken und heilen und so Kraft gewinnen; das Rohe, Schiefe, Ungestalte nicht nur im Schmerz, sondern als das, was es ist, was seinen Character, seinen eigenthümlichen Mangel ausmacht, zu erkennen.“
Nietzsche: NF 1873, 29(106)

 

29[107]

Hölderlin , „auch ich, mit allem guten Willen, tappe mit meinem Thun und Denken diesen einzigen Menschen (den Griechen) in der Welt nur nach und bin in dem, was ich treibe und sage, oft nur um so ungeschickter und ungereimter, weil ich wie die Gänse mit platten Füssen im modernen Wasser stehe und unmächtig zum griechischen Himmel emporflügle.“ 
Nietzsche: NF 1873, 29(107)

26[405]

Die Art Hölderlin und Leopardi: ich bin hart genug, um über deren Zugrundegehen zu lachen. Man hat eine falsche Vorstellung davon. Solche Ultra-Platoniker, denen immer die Naivetät abgeht, enden schlecht. Irgend Etwas muß derb und grob sein am Menschen: sonst geht er auf eine lächerliche Weise zu Grunde vor lauter Widersprüchen mit den einfachsten Thatsachen: z.B. mit der Thatsache, daß ein Mann von Zeit zu Zeit ein Weib nöthig hat, wie er von Zeit zu Zeit eine rechtschaffene Mahlzeit nöthig hat. Zuletzt haben die Jesuiten herausgebracht, daß Leopardi — — —
Nietzsche: NF 1884, 26(405)

 

15[87]

Man bemerke, daß die delikaten Naturen in ihren Abneigungen vergröbern, die starken in ihren Abneigungen verdünnen, verzärteln, verkränkeln — z.B. Goethe gegen Kleist, gegen Hölderlin
Nietzsche: NF 1888, 15(87)


 

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