Mittwoch, 26. September 2018

Europäischer Tag der Sprachen

Europaweit werden 800 Millionen Bürger, die von den 47 Mitgliedstaaten im Europarat vertreten werden, ermutigt, in jedem Alter in und außerhalb der Schule mehr Sprachen zu lernen. Der Europarat fördert Mehrsprachigkeit in ganz Europa in der Überzeugung, dass sprachliche Vielfalt zu einem besseren Verständnis zwischenden Kulturen beitragen kann und zu den zentralen Bestandteilen des kulturellen Erbes unseres Kontinents zählt.
Auf Initiative des Europarats in Straßburg wird seit 2001 jedes Jahr am 26. September der Europäische Tag der Sprachen gefeiert.

Europäischer Tag der Sprachen (ETS)
Wir feiern die sprachliche und kulturelle Vielfalt
Siehe auch: ÖSZ - Österreichisches Sprachenkompetenzzentrum
 

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Zwischen eilfertiger Propaganda und dem praktischen Alltag klafft eine tiefer Abgrund. Das Englische ist die meist gesprochene und geschriebene Sprache in Europa, und Mehrsprachigkeit reduziert sich in den allermeisten Fällen auf Zweisprachigkeit. Aber viele, die sich munter im Denglischen üben, sind nicht in der Lage, auf Englisch längere Texte oder gar Literatur zu lesen, im Radio Texte zu verstehen oder Filmen zu folgen.
Dennoch klingt es "cool", wenn man sogar in der Heimatwerbung schreibt "Weinviertel goes Erntedankfest", wenn Erinnerungen nur noch "Reminder" sind und Bitten, etwas nicht zu vergessen, bedeutungsschwanger als "Save the date" daherkommen. Das verstehen alle. Das klingt modern. Man ist im Gefolge der Leitmacht, man macht mit, man läuft mit, man übt sich als Mitläufer, als Ein- und Angepasste(r). Man ist so modern, weil man Babysitter hat, die "babysitteten"(korrekt: baby sat)und man selbst alles "ok gemanadscht" hat.
Aber deutsche Genitivformen, Konjunktive und andere "Feinheiten" scheinen obsolet. Wer "wegen deiner" sagt, wird angesehen, als ob sie nicht deutsch könne, denn der Dativ ist zur Regel geowrden. Es ist nicht nur pingelig oder kleinlich wertzuschätzen, dass jemand noch neben den Formen des Präsens und Präteritum oder Perfekt (Gegenwart, Mitvergangenheit Vergangenheit) ein Plusquamperfekt (Vorvergangenheit) kennt bzw. auch ein Futur 2 (Vorzukunft). Der kundige, korrekte Gebrauch dieser Formen erlaubt eine Präzision und Komplexitätssteigerung, die in der überstrapazierten Mitvergangenheitsform untergeht. Klar, man versteht sich trotzdem. Aber das sprachliche Instrumentarium wird grobschlächtig, grobmaschig, klobig, einfach. 
Während viele begeistert von höchst präzisen Instrumenten, z.B. Weltraumteleskopen, schwärmen, also Apparaten, die mehr können als jede noch so große Teleskop-Anlage auf unserer Erde, geben sie sich im Sprachlichen mit einfachen oder einfachsten Instrumenten zufrieden. Da soll Basisdeutsch ausreichen, da wird der Vorteil, die bessere Leistungsfähigkeit komplexerer Sprache, negiert bzw. in Abrede gestellt. Was noch in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts Ziel war, nämlich Angehörige der minderen, restringierten Sprachkodes durch Schulung zu solchen elaborierter Sprachkodes zu machen, wird heute verächtlich beiseite geschoben, weil in der Reduktion eine eigentümliche Authentizität gesehen wird. Das Unterentwickelte, das Unentwickelte fordert Beachtung seiner Beschränktheit – und eine wertverstörte Mehrheit folgt. Sont gäbe es nicht die unseligen Kampagnen wie "Leichte Sprache", welche die "betreute Gesellschaft", die verwaltete, versorgte befördert und ausbaut.  
In Deutschland pflegen Weltfirmen bereits Englisch als Verkehrssprache. Man stelle sich vor: Nicht Zweisprachigkeit, schon gar nicht Mehrsprachigkeit, sondern Unterwerfung der ökonomischen Vernunft, und die ist englisch. 
Viele Projektanträge in der Europäischen Union werden in einer Art vorauseilendem Gehorsam gleich in Englisch abgefasst, um die Chancen zu erhöhen, dass sie von halbgebildeten Beamten und ihren Hilfskräften überhaupt gelesen werden. Mehrsprachigkeit? Nicht einmal Zweisprachigkeit. Schon vor Jahren hat die deutsche Gesellschaft für analytiscche Philosophie ihren Mitgliedern empfohlen, zwecks Martchancen nur noch auf englisch zu publizieren. So wird die eigene Kultur und Sprache abgewertet. Solche Leute reden dann aber von neuen Standards und Verständigung. 
Dass Mehrsprachigkeit der besseren Verständigung diene, ist ein frommer Wunsch, ein Mythos. Oft hilft das Gegenteil, das Nichtverstehen, den anderen auszuhalten. Je mehr ich von gewissen Leuten lerne, desto tiefer wächst meine Sorge, manchmal meine Verachtung. Wenn, was gegenwärtig leider überall geschieht, das Partikulare betont oder überbetont wird, hilft auch die Sprachkenntnis nichts zum besseren Verständnis. Dieses verlangt nämlich Offenheit und Respekt. Diese beiden Eigenschaften sind aber nicht einfach "Nebenprodukte" erweiterter Sprachkenntnis. 
 

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