Samstag, 8. September 2018

Weltalphabetisierungstag

Der Weltalphabetisierungstag (englisch World Literacy Day, auch Weltbildungstag) wird alljährlich am 8. September begangen. Der Tag soll an die Problematik des Analphabetismus erinnern. Weltweit können rund 860 Millionen Erwachsene nicht richtig lesen und schreiben, zwei Drittel davon sind Frauen. In Deutschland gelten 7,5 Millionen Menschen als Analphabeten, in Österreich bis zu 600.000 Menschen.
Alphabetisierungsrate weltweit nach Ländern (Quelle: UNHD) 
Der Weltalphabetisierungstag wurde von der UNESCO im Anschluss an die Weltkonferenz zur Beseitigung des Analphabetentums im September 1965 in Teheran ins Leben gerufen und am 8. September 1966 erstmals begangen.

Wikipedia

In Österreich beklagen wir seit Jahren eine prekäre Bildungssituation. Heuer gibt es Deutschförderklassen für jene, die nicht oder kaum Deutsch können. Aber viele jener, die als deutsche Muttersprachler gesehen werden, können, oft auch später als Studentinnen oder Berufstätige, nicht richtig deutsch. Nur wenige lesen über das Häppchen-Erfassen im Internet hinaus. Für die meisten Maturanten wäre die Forderung, Bücher ganz zu lesen, eine Zumutung. 

Mit der funktionalen Analphabetisierung sinkt das Sprachvermögen. Wir müssen das auch im Journalismus beobachten, der uns tagtäglich lehrt, wie die Sprache verarmt, an Komplexität einbüßt, obwohl ein Heer von Expertinnen und Experten uns das Gegenteil weismachen will. 
In dieser Situation ist der Fokus auf die Alphabetisierung zwar notwendig, aber keinesfalls ausreichend. Es bedarf schon mehr als des Vermögens zu entziffern und mühsam Schriftzeichen zu lesen. 

Unsere guten Menschen wollen den Jungen nichts mehr zumuten. Man darf und muss sie abholen, wo sie sind, aber man darf nicht in die Höhe steigen. Keine Anforderungen stellen. Keinen Ballast aufbürden. Es gibt keine positive Tradition, keine guten Klassiker, keinen akzeptierten Literaturkanon. Das alles ist eine Zumutung der (früheren) Bildungselite, gegen die die Unteren, die Depravierten, meist die Frauen, vor allem the gender police women, erbost und empört auftreten. Keine Zeitverschwendung mit Unnützem! Unnütz ist Lektüre, die nicht Ratgebern oder Kochbüchern entstammt, die meist von Männern verfassten Romane oder Dramen. Diesen ganzen Dreck (white trash) brauchen und wollen sie nicht, der gehört entsorgt. Sie entsorgen. Die Jungen sollen betreut lesen, vor allem in der Gruppe, beaufsichtigt, geleitet, gelenkt, möglichst unfrei, aber korrekt. Es gilt, jedes Kind, jeden Jugendlichen zu einem funktionierenden Funktionär, einem Erfüllungsagenten und -werkzeug zu machen. Alphabetisierung nur soweit, dass „das Mensch“ Anleitungen, Manuals etc. zu lesen vermag. Den Rest macht die Maschine. Der neue Mensch muss nur in der Lage sein zu erkennen, wann er welchen Knopf drückt, in welche Richtung am Monitor schiebt und dann die Ergebnisse befolgt und umsetzt. 

In totalitären Gesellschaften waren und sind den diktatorischen Regimes die "schönen Künste", vor allem die Literatur, immer verdächtig, immer gefährlich. Heute erhält diese Inquisitionshaltung, bei uns über die Kirchen überlange eingeübt und im "Kulturerbe" fest verankert, von den Identitären neuen Auftrieb. Die Maximen der universalen Aufklärung werden gekündigt, überwunden, zurückgewiesen, als obsolet negiert. Eine neue Partikularität, eine fatale Beschränkung auf Rasse, Ethnie, Geschlecht und Religion engt die Blicke ein, das Denken. 

Den blökenden, stöhnenden, brüllenden Opfern geht es um Verweigerung von Bildung, von Wissen, von argumentativem Austausch. Es geht um das "einfache Leben". 

Im Lichte dieser Umtriebe werden Gedenktage wie der "Weltalphabetisierungstag" selbst zur Lüge oder zur Täuschung. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen