Katze und Maus in
Gesellschaft
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Märchen der Brüder Grimm - KHM 002
Eine Katze
hatte Bekanntschaft mit einer Maus gemacht und ihr soviel von grosser Liebe und
Freundschaft vorgesagt, die sie zu ihr trüge, dass die Maus endlich
einwilligte, mit ihr zusammen in einem Haus zu wohnen und gemeinschaftliche
Wirtschaft zu führen. "Aber für den Winter müssen wir Vorsorge tragen,
sonst leiden wir Hunger," sagte die Katze. "Du, Mäuschen, kannst dich
nicht überallhin wagen und gerätst mir am Ende in eine Falle." Der gute
Rat wurde also befolgt und ein Töpfchen mit Fett angekauft. Sie wussten aber
nicht, wohin sie es stellen sollten. Endlich, nach langer Überlegung, sprach
die Katze: "Ich weiss keinen Ort, wo es besser aufgehoben wäre, als die
Kirche; da getraut sich niemand etwas wegzunehmen. Wir stellen es unter den
Altar und rühren es nicht eher an, als bis wir es nötig haben." Das
Töpfchen wurde also in Sicherheit gebracht. Aber es dauerte nicht lange, so
trug die Katze Gelüste danach und sprach zur Maus: "Was ich dir sagen
wollte, Mäuschen, ich bin von meiner Base zum Gevatter gebeten. Sie hat ein
Söhnchen zur Welt gebracht, weiss mit braunen Flecken, das soll ich über die
Taufe halten. Lass mich heute ausgehen und besorge du das Haus allein!" -
"Ja, ja," antwortete die Maus, "geh in Gottes Namen! Wenn du was
Gutes isst, so denk an mich! Von dem süssen roten Festwein tränk ich auch gern
ein Tröpfchen!" Es war aber alles nicht wahr. Die Katze hatte keine Base
und war nicht zum Gevatter gebeten. Sie ging geradewegs nach der Kirche,
schlich zu dem Fettöpfchen und leckte die fette Haut ab. Dann machte sie einen
Spaziergang auf den Dächern der Stadt, streckte sich hernach in der Sonne aus
und wischte sich den Bart, sooft sie an das Fettöpfchen dachte. Erst als es
Abend war, kam sie wieder nach Hause. "Nun, da bist du ja wieder!"
sagte die Maus. "Du hast gewiss einen lustigen Tag gehabt." -
"Es ging an," antwortete die Katze. "Was hat denn das Kind für
einen Namen bekommen?" fragte die Maus. "Hautab," sagte die
Katze ganz trocken. "Hautab," rief die Maus, "das ist ja ein
seltsamer Name! Ist der in eurer Familie gebräuchlich?" - "Was ist da
weiter!" sagte die Katze. "Er ist nicht schlechter als Bröseldieb,
wie deine Paten heissen."
Nicht lange
danach überkam die Katze wieder ein Gelüste. Sie sprach zur Maus: "Du
musst mir den Gefallen tun und nochmals das Hauswesen allein besorgen; ich bin
zum zweitenmal zum Gevatter gebeten, und da das Kind einen weissen Ring um den
Hals hat, so kann ich's nicht abschlagen." Die gute Maus willigte ein, die
Katze aber schlich hinter der Stadtmauer zu der Kirche und frass den Fettopf
halb aus. "Es schmeckt nichts besser," sagte sie, "als was man
selber isst," und war mit ihrem Tagewerk ganz zufrieden. Als sie heimkam,
fragte die Maus: "Wie ist denn dieses Kind getauft worden?" -
"Halbaus," antwortete die Katze. "Halbaus! Was du sagst! Den
Namen habe ich mein Lebtag noch nicht gehört. Ich wette, der steht nicht im
Kalender."
Der Katze
wässerte das Maul bald wieder nach der Leckerei. "Aller guten Dinge sind
drei," sprach sie zu der Maus. "Ich soll wieder Gevatter stehen. Das
Kind ist ganz schwarz und hat bloss weisse Pfoten, sonst kein weisses Haar am
ganzen Leib. Das trifft sich alle paar Jahre nur einmal. Du lässest mich doch
ausgehen?" - "Hautab, Halbaus," antwortete die Maus, "es
sind seltsame Namen, die machen mich nachdenklich." - "Da sitzest du
daheim in deinem dunkelgrauen Flausrock und deinem langen Haarzopf,"
sprach die Katze, "und fängst Grillen. Das kommt davon, wenn man bei Tag
nicht ausgeht!" Die Maus räumte während der Abwesenheit der Katze auf und
brachte das Haus in Ordnung; die naschhafte Katze aber frass den Fettopf rein
aus. "Wenn erst alles aufgezehrt ist, so hat man Ruhe," sagte sie zu
sich selbst und kam satt und dick erst in der Nacht nach Hause. Die Maus fragte
gleich nach dem Namen, den das dritte Kind bekommen habe. "Er wird dir
wohl auch nicht gefallen," sagte die Katze; "er heisst Ganzaus."
- "Ganzaus!" rief die Maus. "das ist der allerbedenklichste
Name, gedruckt ist er mir noch nicht vorgekommen. Ganzaus! Was soll das
bedeuten?" Sie schüttelte den Kopf, rollte sich zusammen und legte sich
schlafen.
Von nun an
wollte niemand mehr die Katze zum Gevatter bitten. Als aber der Winter
herangekommen und draussen nichts mehr zu finden war, gedachte die Maus ihres
Vorrats und sprach: "Komm, Katze, wir wollen zu unserm Fettopf gehen, den
wir uns aufgespart haben! Der wird uns schmecken." - "Jawohl,"
erwiderte die Katze, "der wird dir schmecken, als wenn du deine feine
Zunge zum Fenster hinausstreckst." Sie machten sich auf den Weg, und als
sie anlangten, stand zwar der Fettopf noch an seinem Platz, war aber leer.
"Ach," sagte die Maus, "jetzt merke ich, was geschehen ist!
jetzt kommt's an den Tag. Du bist mir eine wahre Freundin! Aufgefressen hast du
alles, während du behauptetest, Gevatter zu stehen: erst Haut ab, dann halb
aus, dann..." - "Willst du schweigen!" rief die Katze.
"Noch ein Wort, und ich fresse dich auf!"
"Ganz
aus," hatte die arme Maus schon auf der Zunge. Kaum war es heraus, tat die
Katze einen Satz nach ihr, packte sie und schlang sie hinunter. Siehst du, so
geht's in der Welt.
*
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