Der wunderliche Spielmann
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Ein Märchen der Brüder Grimm - KHM 008
Es war einmal ein wunderlicher Spielmann,
der ging durch einen Wald mutterseelenallein und dachte hin und her. Und als
für seine Gedanken nichts mehr übrig war, sprach er zu sich selbst: "Mir
wird hier im Walde Zeit und Weile lang, ich will einen guten Gesellen
herbeiholen." Da nahm er die Geige vom Rücken und fiedelte eins, dass es
durch die Bäume schallte. Nicht lange, so kam ein Wolf durch das Dickicht daher
getrabt. "Ach, ein Wolf kommt! Nach dem trage ich kein Verlangen,"
sagte der Spielmann. Aber der Wolf schritt näher und sprach zu ihm: "Ei,
du lieber Spielmann, was fiedelst du so schön! Das möchte ich auch
lernen." - "Das ist bald gelernt," antwortete der Spielmann,
"du musst nur alles tun, was ich dir heisse." - "O
Spielmann," sprach der Wolf, "ich will dir gehorchen, wie ein Schüler
seinem Meister." Der Spielmann hiess ihn mitgehen, und als sie ein Stück
Wegs zusammen gegangen waren, kamen sie an einen alten Eichbaum, der innen hohl
und in der Mitte aufgerissen war. "Sieh her," sprach der Spielmann,
"willst du fiedeln lernen, so lege die Vorderpfoten in diesen Spalt."
Der Wolf gehorchte, aber der Spielmann hob schnell einen Stein auf und keilte
ihm die beiden Pfoten mit einem Schlag so fest, dass er wie ein Gefangener da
liegenbleiben musste. "Warte da so lange, bis ich wiederkomme," sagte
der Spielmann und ging seines Weges.
Über eine Weile sprach er abermals zu sich
selber: "Mir wird hier im Walde Zeit und Weile lang, ich will einen
anderen Gesellen herbeiholen," nahm seine Geige und fiedelte wieder in den
Wald hinein. Nicht lange, so kam ein Fuchs durch die Bäume dahergeschlichen.
"Ach, ein Fuchs kommt," sagte der Spielmann, "nach dem trage ich
kein Verlangen." Der Fuchs kam zu ihm heran und sprach: "Ei, du
lieber Spielmann, was fiedelst du so schön! Das möchte ich auch lernen." -
"Das ist bald gelernt," sprach der Spielmann, "du musst nur
alles tun, was ich dir heisse." - "O Spielmann," antwortete der
Fuchs, "ich will dir gehorchen, wie ein Schüler seinem Meister." -
"Folge mir," sagte der Spielmann, und als sie ein Stück Wegs gegangen
waren, kamen sie auf einen Fussweg, zu dessen beiden Seiten hohe Sträucher
standen. Da hielt der Spielmann still, bog von der einen Seite ein Haselnussbäumchen
zur Erde herab und trat mit dem Fuss auf die Spitze, dann bog er von der andern
Seite noch ein Bäumchen herab und sprach: "Wohlan, Füchslein, wenn du
etwas lernen willst, so reich mir deine linke Vorderpfote." Der Fuchs
gehorchte, und der Spielmann band ihm die Pfote an den linken Stamm.
"Füchslein," sprach er, "nun reich mir die rechte." Die
band er ihm an den rechten Stamm. Und als er nachgesehen hatte, ob die Knoten
der Stricke auch fest genug waren, liess er los, und die Bäumchen fuhren in die
Höhe und schnellten das Füchslein hinauf, dass es in der Luft schwebte und
zappelte. "Warte da so lange, bis ich wiederkomme," sagte der
Spielmann und ging seines Weges.
Wiederum sprach er zu sich: "Zeit und
Weile wird mir hier im Walde lang; ich will einen andern Gesellen
herbeiholen," nahm seine Geige und der Klang erschallte durch den Wald. Da
kam ein Häschen dahergesprungen. "Ach, ein Hase kommt!" sagte der
Spielmann, "den wollte ich nicht haben." - "Ei, du lieber Spielmann,"
sagte das Häschen, "was fiedelst du so schön, das möchte ich auch
lernen." - "Das ist bald gelernt," sprach der Spielmann,
"du musst nur alles tun, was ich dir heisse." - "O
Spielmann," antwortete das Häslein, "ich will dir gehorchen, wie ein
Schüler seinem Meister." Sie gingen ein Stück Wegs zusammen, bis sie zu
einer lichten Stelle im Walde kamen, wo ein Espenbaum stand. Der Spielmann band
dem Häschen einen langen Bindfaden um den Hals, wovon er das andere Ende an den
Baum knüpfte. "Munter, Häschen, jetzt spring mir zwanzigmal um den Baum
herum!" rief der Spielmann, und das Häschen gehorchte. Und wie es
zwanzigmal herumgelaufen war, so hatte sich der Bindfaden zwanzigmal um den
Stamm gewickelt, und das Häschen war gefangen, und es mochte ziehen und zerren,
wie es wollte, es schnitt sich nur den Faden in den weichen Hals. "Warte
da so lange, bis ich wiederkomme," sprach der Spielmann und ging weiter.
Der Wolf indessen hatte gerückt, gezogen,
an dem Stein gebissen, und so lange gearbeitet, bis er die Pfoten freigemacht
und wieder aus der Spalte gezogen hatte. Voll Zorn und Wut eilte er hinter dem
Spielmann her und wollte ihn zerreissen. Als ihn der Fuchs laufen sah, fing er
an zu jammern, und schrie aus Leibeskräften: "Bruder Wolf, komm mir zu
Hilfe, der Spielmann hat mich betrogen!" Der Wolf zog die Bäumchen herab,
biss die Schnur entzwei und machte den Fuchs frei, der mit ihm ging und an dem
Spielmann Rache nehmen wollte. Sie fanden das gebundene Häschen, das sie
ebenfalls erlösten, und dann suchten alle zusammen ihren Feind auf.
Der Spielmann hatte auf seinem Weg abermals
seine Fiedel erklingen lassen, und diesmal war er glücklicher gewesen. Die Töne
drangen zu den Ohren eines armen Holzhauers, der alsbald, er mochte wollen oder
nicht, von der Arbeit abliess und mit dem Beil unter dem Arme herankam, die
Musik zu hören. "Endlich kommt doch der rechte Geselle," sagte der
Spielmann, "denn einen Menschen suchte ich und keine wilden Tiere."
Und fing an und spielte so schön und lieblich, dass der arme Mann wie bezaubert
dastand, und ihm das Herz vor Freude aufging. Und wie er so stand, kamen der
Wolf, der Fuchs und das Häslein heran, und er merkte wohl, dass sie etwas Böses
im Schilde führten. Da erhob er seine blinkende Axt und stellte sich vor den
Spielmann, als wollte er sagen: "Wer an ihn will, der hüte sich, der hat
es mit mir zu tun." Da ward den Tieren angst und sie liefen in den Wald
zurück; der Spielmann aber spielte dem Manne noch eins zum Dank und zog dann
weiter.
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