Was ist ein Klachel? Etwas Baumelndes, ein
Glockenschwengel, Klöppel einerseits, ein Mehlbeutel oder Rotz (Nasenschleim)
andererseits, oder auch ein starker, plumper Kerl. Nach Grimm, wie in deren
Deutschen Wörterbuch ausgeführt, ergeben sich zwei Deutungsstränge: „ist, was gut denkbar, alles vom glockenschwengel
ausgegangen, so gehört das wort zu dem stamme klack klopfen (s. DWB
klacken 3 und klöckel klöppel
in der glocke). ist aber das baumeln der grundbegriff, so fände es
einen anhalt in dem stamme klank baumeln, schwanken, der auch ohne das n vorkommt,
tir. glagglen baumeln.“
Karl Kraus
hat sich selbst einmal so bezeichnet: „Ich bin nur ein ordinärer Klachel in der
Literatur.“ (Die Fackel, 10.5.1917)
Kraus, der
Glockenschwengel, der Klöppel, der nicht nur als Fackel leuchtet und
heimleuchtet, sondern Töne anschlägt, an die Glocke rührt, schlägt? Kraus, der
läutet, ein Läuter, ein Glöckner – der Glöckner von Wien? Oder Kraus der
baumelt? Oder der stämmige Kerl, literarisch zumindest, da physisch das
Gegenteil? Oder gar der Rotz, den er den andern hinrotzt?
Wir wissen
es nicht. Zu viele Deutungen bieten sich an. Wir dürfen annehmen, dass Kraus
das alte Wort nicht unbedacht gebrauchte. Übrigens erfolgte die Aussage im
Zusammenhang mit einer Bemerkung zu einer Zeitungsnotiz, die sich dazu
versteig, Rainer Maria Rilke und Franz Karl Ginzkey in Zusammenhang zu bringen.
Kraus spottete einerseits, gab dem armen Rilke einen guten Rat andererseits,
als freundlicher Klachel:
„Ich bin
nur ein ordinärer Klachel in der Literatur. Wenn ich ein so feiner Mensch in
der Literatur wäre wie Rainer Maria Rilke (den ich wirklich dafür halte und den
Feinheit vor schlechter Gesellschaft nicht bewahren konnte, während meine
hausknechtmäßigen Umgangsformen mir für alle Lebenszeit und weit über meinen
Tod hinaus Ruhe verschafft haben), wenn ich wie er wäre, mich würde diese
Anerkennung meiner Lyrik neben dem Hymnus auf den Herrn Ginzkey (der das
Gluck-gluck im Sumpf erstickender Russen lyrisch verklärt hat) zu dem Entschluß
treiben, aus der Literatur im Allgemeinen und aus dem Donauland im Besondern
auszutreten. Oder vielmehr: ich wäre – allen widrigen Umständen zum Trotz – nie
eingetreten.“
Die Fackel
Nr. 457-461, 10. 5. 1917
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