Kürzlich hörte ich in einem neuen Film den Protagonisten "Wegzehrung" sagen. Das frappierte mich, da dieses Wort veraltet und fast nicht mehr in Umlauf ist. Im süddeutschen Raum und im mittleren bzw. östlichen Österreich kennt man noch den Begriff "Zehrung". Bekannter hört sich "Auszehrung" an. Beeinflusst die etymologische Kenntnis die Begriffsdeutung?
Wegzehrung
Ernährung, Essen, Mundvorrat, Nahrung, Proviant, Speise und Trank, Verpflegung, Futter, Marschverpflegung, Reiseproviant, eiserne Ration, Vorrat, Vesper, Versorgung,
zehren
Ztw., aus mhd. zern (verzern) 'verzehren, verbrauchen'; ahd. firzean st. Ztw. hat nur die Bedeutung 'auflösen, zerströen, zerreißen' Diesem entsprechen got. gatairan 'zerstören, vernichten'; angls. teran, engl. to tear 'zerreißen'; dazhu ndl. teren 'verzehren', asächs. farterian 'vernichten' sowie nhd. zerren und zergen. Die germ. st. Verbalwz. ter 'zerreißen' entspricht dem gr. 'schinden', aflov. dera 'zerreißen', skr. Wz. dar 'bersten, zerstieben, zersprengen'. (Kluge)
Zehrung
etwas zum Essen, besonders auf einer Reise (Duden)
Totenmahl, Leichenschmaus (Österreich)
Brotzeit, Imbiss, Snack
Auszehrung
Schwindsucht
Die Nahrung, Mittel zum Verzehr, wird im Verzehren "vernichtet", "vertilgt" und hilft, als Lebensmittel, den Hunger zu stillen, Kräfte wiederherzustellen, Leben erhalten. Ohne Verzehr, ohne Vertilgung oder Vernichtung durch Einverleibung, kein Überleben. Man bricht das Brot, man reißt das Fleisch, man schlingt und verschlingt, beißt und kaut, zerkleinert, zermalmt, verdaut. Leidet jener, der zu lange zu wenig zur Zehrung hatte an Auszehrung? Nicht wirklich; es liegen andere Gründe vor. Aber die Sprache drängt einem das Bild auf. Und erst die Verbindung von Zehrung und Weg! Um vorwärts kommen zu können, um auf dem Weg und bei Kräften zu bleiben, gibts für die Zehrung die Wegzehrung, den Proviant zur Stärkung. Ein Mundvorrat, ein Futter auf dem Weg.
Einzig im Geistigen stimmen das Bild oder die Analogie nicht. Denn dort vermag man zu zehren, ohne zu vertilgen, zu vernichten. Das Geistige ist unendlich teilbar. Im Gegenteil, es wächst durch gemeinsame Zehrung, es vermehrt sich. Geistige Nahrung wird nie vertilgt, zerstört, zernichtet, zersprengt durch Zehrung. Dort gibts kein Reißen, Zerren, Zerreißen. Sie kann höchstens vergessen werden oder übersehen. Die geistige Kommunion ist kein Kannibalenakt, wie die eigentliche, die ein Verspeisen, Aufessen, Vertilgen ist.
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