Geboren am 25. Dezember 1802 in Altona; gestorben am 2. Januar 1872 (Wikipedia: 08.01.1872) in Schleswig. Schriftsteller des Vormärz.
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Ästhetische Feldzüge
Vorwort.
I.
Ich schreibe gern für das neugedruckte Buch dieses tapferen Holsteiners den Auftakt. Ehrlich zu sprechen: ich hab' ihn bis jetzt nicht genauer gekannt. Heute weiß ich, daß er eins von den brennenden Geblüten war, für die (wie für unsereinen) alles Aesthetische nur ein Aushängeschild bleibt, ein Vorwand, ein Anlaß: die Welt vorwärtszubringen – in bessere Freiheit und klügere Menschlichkeit.
Ludolf
Wienbarg (welcher das Wort vom Jungen Deutschland in dieser Schrift geprägt
hat) war einunddreißig, als er seine Reden vor der Jugend hielt, nach vier
Jahrzehnten starb er, in Vergessenheit; ein Zeitungsmann; einer vom Troß. Dennoch
umleuchtet.
Wienbarg
hatte »das Vertrauen auf die Zeit, die Rosen und Ketten bricht.« Kam sie heut?
Rosen brach sie kaum. Ketten doch. Aller guten Vorläufer soll gedacht sein.
II.
Wienbarg ist, unterirdisch, ein Schwarmgeist. Aber zugleich ein heutiger Mensch. So gewiß er das Mittelalter schätzt: so gewiß verlacht er die nach ihm rückgewandte Sehnsucht. Er haßt Schnürung der Seelen, romantischen Schlendrian ... und den »Unfug Historie«. Unfug Historie? Derlei kann bei Nietzsche stehn. Es steht bei Nietzsche – in dem Abschnitt vom »Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben.«
Wer
spricht: Wienbarg oder Nietzsche? wenn es etwa heißt: »Das Leben ist des Lebens
höchster Zweck« –? Der Satz steht in diesem Buch. Wer spricht, Wienbarg oder
Nietzsche? wenn es heißt: »Befreit die Welt von den Sünden der Schwäche« –? Der
Satz steht wieder in diesem Buch. (Auch der andre: die herrschende Moral stelle
»alles Treibende und Liebende in uns ... als das Sündhafte dar«.) Ja,
dergleichen ist zwar ein Vorklang für Nietzsche. Doch nicht minder, scheint
mir, ein Nachklang: von der deutschen Romantik; von Friedrich Schlegel und dem
ganz jungen Clemens Brentano.
Nietzsche
war ein wildgewordener Romantiker – das Junge Deutschland aber hat erkennenden
Verstand auf die blaue Blume gepfropft. Auch Wienbarg. Es war kein Unglück.
III.
Dieser reisige Holste bleibt ein feurig edles Herz. Kein großer Stilist im Sinn eines Bahnbrechers: doch ein guter Kopf mit reiner, morgenfrischer Seele. Mit einem Ohr für die Musik der Zukunft.
Wienbarg,
der vorgebliche Aesthetiker, fesselt am stärksten, wenn er die Zeit erziehen
will. Wenn er Geschichtsphilosopheme zusammenträumt. Er kommt in den
»Aesthetischen Feldzügen« vom Hundersten ins Tausendste, spricht manchmal sogar
von Aesthetik – doch hier nicht am glücklichsten. Der Schmus, welcher mit
diesem ... Wissenszweig verbunden ist, hat bei Wienbarg mildere Form.
Er ist
kein Wissenschaftler: sondern ein Beflügler. Am fortreißendsten, wo er Ankläger
der stumpfen Epoche wird und Künder des Ersehnten. Ein Mensch mit
phantastischem Windhauch – dennoch vernunftklar. Man spürt Fördernd-Unverdrossenes,
Umwehtes, Offenmütiges. Auch er hätte das Wort sagen können, das in der
Einleitung zu meinen Gesammelten Schriften steht: »Beschäftigungen mit der
Kunst – ja. Bis aufs Herzblut. Aber sie waren fast immer ein Vorwand für den
Kampf um eine kühne vernünftigere Menschenordnung.«
IV.
Wienbarg zeigt im Ausdruck zwischendurch Manches vom Jean Paul. Doch Ziel des Zeitalters wird ihm nicht der verschwärmte Freund aus Wunsiedel: sondern der revolutionäre Dichter. Das ist für ihn Heinrich Heine.
Wienbarg
hat in dieser Schrift Heines Weltbedeutung früh erkannt – als Heine noch ein
junger Dreißiger war. Er merkt, daß Heine, dem Byron »an Penetration des
Verstandes überlegen« ist. Heine wird zur Akme des Buchs.
Ein Jrrtum
begegnet ihm. Heine stammt von Juden, sagt er, »aber von einer christlichen
Mutter«. Er führt nun gewisse seeleninnigere, tiefere Züge Heinrich Heines auf
diese vermeinte »deutsche Mutter« zurück – darin ein drolliger (wenn auch
edlerer) Vorläufer der späteren Rassenf ... f ... so.. forschung, worin H. St.
Chamberlain als erster Käse geduftet hat, seit er das Material zu den
»Grundlügen des neunzehnten Jahrhunderts« zusammentrog.
Ludolf
Wienbarg war von adligerem Holz. Der Ammenglaube blieb ein Nebenzug an ihm. Sein
Hauptzug wies in Wahnlosigkeit und bessere Ferne.
Er war
einer von Vielen. Doch ein Entflammer. Ein Kämpe. Ein Mithelfer. Sein Andenken
sei gesegnet.
Juni 1919.
Im Projekt Gutenberg-DE vorhanden
Ludolf Wienbarg
Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden?
Gegen Ersteres und für Letzteres beantwortet von Dr. Ludolf Wienbarg
Motto: ceterum
ceterumque censeo....
1834
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