Immer mehr zeigt sich nazistisches
Säuberungsdenken im Mantel sogenannt besorgter Demokratiebewegungen. Als
politische reife Aktivierung aufrechter Bürger wird vermehrt nach Zensur und
Verfolgung gerufen, werden polizeistaatliche Maßnahmen gefordert, werden Feinde
„zum Abschuss“ freigegeben.
Kunst müsse politisch aktiv werden. Das
findet auch der polnische Künstler Artur
Żmijewski , dessen Gaskammer-Tanzvideos aus einem ehemaligen KZ nicht in
allen Museen gezeigt werden durften, und der als Kurator der Berliner
Kunst-Aktion der Berlinale 2012 fungiert. In seinem Programm stellte der
tschechische Künstler Martin Zet sein
Projekt vor „Deutschland schafft es
ab“, einer Sammelaktion von Thilo Sarrazins heftig kritisiertem Buch
„Deutschland schafft sich ab“. 60.000 Exemplare will der Künstler einsammeln
und für eine Installation verwenden. Nach ihrem Ende sollen die Bücher „recycled“
werden.
Namhafte, von öffentlicher Hand
subventionierte Kulturorganisationen beteiligten sich bei dieser Aktion. Erst,
als Kritiken laut wurden, bequemten sich einige zu Distanzierungen und Absagen,
so das „Berliner Haus der Kulturen der Welt“ oder das „Institut für
Auslandsbeziehungen“, das am 13.1.2012 erklärte, „vor dem Hintergrund der
deutschen Geschichte“ sei eine Umsetzung in dieser Form nicht zu akzeptieren. –
Heißt das, vor einem anderen historischen Hintergrund, also in einem anderen Land,
wäre die Entsorgungsorgie sehr wohl akzeptabel?
Bemerkenswert, mit welchen Euphemismen die
Künstler und ihre Unterstützer operieren: RECYCLEN, anstatt der treffendere
Terminus „ENTSORGEN“. Die Entsorgung ist eine Vernichtung. Recycling steht hier
als gängiges Etikett für den modischen Begriff der „Transformation“.
Interessant auch die Begründungen: es gehe
„um einen guten Zweck“. Die Aktion diene dazu, „das Buch als aktives Werkzeug
zu benutzen, welches den Menschen ermöglicht, ihre eigene Position zu
bekunden“.
So argumentierten die SA-Schergen und ihre
begeisterten Helfershelfer und Mitläufer, Studenten und Professoren, bei den
Bücherverbrennungen der Nazis. Auch damals ging es um missliebige Bücher, auch
damals bezogen die Beteiligten eine Kulturposition, nutzten die Bücher als
Werkzeug zu eben dieser Kulturtat der Vernichtung. Dem Sinn nach entspricht die
geplante Berliner Entsorgung durch das Recycling der Verbrennung. Der Rekurs
auf politische Aktivierung und Kunst, sozusagen als besondere Qualität
zivilgesellschaftlicher Reife, kann den faschistischen Kern der Säuberung,
Reinigung, Purifizierung durch Vernichtung nicht verdecken.
Skandalös und erschreckend, dass viele
Organisationen erst Abstand nehmen, nachdem doch einige Kritik laut wurde.
Begrüßenswert, dass das Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam von anbeginn diese
Aktion ablehnte und verurteilte.
Dieses gefährliche, politische,
künstlerische Denken hat eine lange Tradition. In Zeiten der
Orientierungsschwäche sehen allzu viele den „guten Zweck“ als Legitimation für jede Aktion. Aber wenn der Zweck einmal jedes Mittel heiligt, schließt „alle“
eben auch die inakzeptablen mitein. Dagegen ist zu protestieren. Wie schnell
sind heute Gutmenschen mit dem Rassismusvorwuf zur Stelle, wie zügig wird nach
Kriterien der politischer Korrektheit zensuriert, wie vehement laufen
Rufmordkampagnen im Netz ab! Hinter den meisten dieser Aktionen steht ein
schiefer Realismusbegriff für die Kunst und für die Politik bzw. die Verbindung
von Kunst mit Politik: Kunst als Politikersatz. Aber dieser Ersatz bleibt eben
nicht Kunst, sondern wirkt, als Politik, vergiftend, verheerend, entsorgend.
Schlussendlich tödlich. Wie sagte doch Heine? „Dort wo man Bücher verbrennt,
verbrennt man am Ende auch Menschen.“
Haimo L. Handl, 15.1.2012
Im VORWÄRTS, der Zeitung der deutschen Sozialdemokratie, wurde die Aktion, wie in vielen anderen Zeitungen und von vielen anderen Kulturorganisationen, beworben.
"Deutschland schafft es ab"
Kunstaktion mit Sarrazin-Büchern löst Debatte aus
Der Künstler Martin Zet will 60.000 Bücher von Thilo Sarrazin sammeln und recyceln. Aber seine Sammel-Partner sehen jetzt Parallelen zur NS-Bücherverbrennung.
Welt Online 14,1.2012
Kunstaktion mit Sarrazin-Büchern löst Debatte aus
Der Künstler Martin Zet will 60.000 Bücher von Thilo Sarrazin sammeln und recyceln. Aber seine Sammel-Partner sehen jetzt Parallelen zur NS-Bücherverbrennung.
Welt Online 14,1.2012
Martin Zet shares his experience of loosing his own artistic ego ...
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