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Mendelssohn Gesellschaft
Moses Mendelssohn Zentrum Europäisch-jüdische Studien Universität Potsdam
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Erstdruck: Berlin und Stettin (Friedrich Nicolai) 1767. Die 2. Auflage erschien 1768, die 3. Auflage 1769.
Daraus hier die Vorrede:
Folgende Gespräche des Sokrates mit seinen Freunden, über die Unsterblichkeit der Seele, sollten meinem Freunde Abbt gewiedmet werden. Er war es, der mich aufgemuntert hatte, diese vor einigen Jahren angefangene und weggelegte Arbeit wieder vorzunehmen. Als er noch zu Rinteln Professor war, gab er mir, in einem von seinen freundschaftlichen Briefen, seine Gedanken über Spaldings Bestimmung des Menschen zu erkennen. Aus unserm Briefwechsel über diese Materie sind die kleinen Aufsätze entstanden, die in dem neunzehnten Theil der Litteraturbriefe, unter dem Titel: Zweifel und Orakul die Bestimmung des Menschen betreffend, vorkommen. Ich hatte das Glück, über einige der wichtigsten Punkte meines Freundes Einstimmung zu erhalten, ob ich ihm gleich nicht in allem Genüge leisten konnte. Mit der Offenherzigkeit eines wahren Freundes, goß er die geheimsten Empfindungen seiner Seele, sein ganzes Herz in meinen Busen aus. Seine philosophischen Betrachtungen erhielten durch die sanften Empfindungen des guten Herzens einen eignen Schwung, wodurch sie die Liebe zur Wahrheit in der kältesten Brust würden entzündet haben, und seine Zweifel selbst unterließen niemals neue Aussichten zu entdecken, und die Wahrheit in ein helleres Licht zu setzen. Unserer Abrede gemäß, sollte ich folgende Gespräche ausarbeiten, und darinn die vornehmsten Lehrsätze, worinn wir übereinkamen, auseinandersetzen; und diese sollten in der Folge zur Grundlage unseres Briefwechsels dienen.
Allein es hat der Vorsehung gefallen, dieses
aufblühende Genie vor der Zeit der Erde zu entziehen. Kurz und rühmlich
war die Laufbahn, die er hienieden vollendet hat. Sein Werk vom Verdienst
wird den Deutschen ein unvergeßliches Denkmaal seiner eigenen
Verdienste bleiben: mit seinen Jahren verglichen, verdienet dieses Werk
die Bewunderung der Nachkommenschaft. Was für Früchte
konnte man nicht von einem Baume hoffen, dessen Blüthe so vortrefflich
war. Er hatte noch andre Werke unter der Feder, die an Vollkommenheit,
wie er an Erfahrenheit und Kräften des Geistes, zugenommen haben würden.
Alle diese schönen Hoffnungen sind dahin! Deutschland verliert an ihm
einen trefflichen Schriftsteller, die Menschlichkeit einen liebreichen
Weisen, dessen Gefühl so edel, als sein Verstand aufgeheitert war; seine
Freunde den zärtlichsten Freund, und ich einen Gefährten auf dem Wege
zur Wahrheit, der mich vor Fehltritten warnete. –
Nach dem Beyspiel des Plato, habe ich den Sokrates
in seinen letzten Stunden die Gründe für die Unsterblichkeit der
menschlichen Seele seinen Schülern vortragen lassen. Das Gespräch des
griechischen Schriftstellers, das den Namen Phädon führet, hat
eine Menge ungemeiner Schönheiten, die, zum Besten der Lehre von der
Unsterblichkeit, genutzt zu werden verdieneten. Ich habe mir die
Einkleidung, Anordnung, und Beredsamkeit desselben zu Nutze gemacht, und
nur die metaphysischen Beweisthümer nach dem Geschmacke unserer Zeiten
einzurichten gesucht. In dem ersten Gespräche konnte ich mich
etwas näher an mein Muster halten. Verschiedene Beweisgründe desselben
schienen nur einer geringen Veränderung des Zuschnitts, und andere einer
Entwickelung aus ihren ersten Gründen zu bedürfen, um die
Ueberzeugungskraft zu erlangen, die ein neuerer Leser in dem Gespräche
des Plato vermisset. Die lange und heftige Deklamation wider den
menschlichen Körper und seine Bedürfnisse,
die Plato mehr in dem Geiste des Pythagoras, als seines Lehrers
geschrieben zu haben scheinet, mußte, nach unsern bessern Begriffen von
dem Werthe dieses göttlichen Geschöpfes, sehr gemildert werden; und
dennoch wird sie den Ohren manches jetzigen Lesers fremde klingen. Ich
gestehe es, daß ich blos der siegenden Beredsamkeit des Plato zu
Gefallen, diese Stelle beybehalten habe.
In der Folge sahe ich mich genöthiget, den Plato
völlig zu verlassen. Seine Beweise für die Immaterialität der Seele
scheinen, uns wenigstens, so seichte und grillenhaft, daß sie kaum eine
ernsthafte Widerlegung verdienen. Ob dieses von unserer bessern Einsicht
in die Weltweisheit, oder von unserer schlechten Einsicht in die
philosophische Sprache der Alten herrühret, vermag ich nicht zu
entscheiden. Ich habe in dem zweyten Gespräche einen Beweis für die Immaterialität der Seele gewählet, den die Schüler des Plato gegeben,
und einige neuere Weltweisen von ihnen angenommen. Er schien mir nicht
nur überzeugend, sondern auch am bequemsten, nach der Sokratischen
Methode vorgetragen zu werden.
In dem dritten Gespräche mußte ich völlig
zu den Neuern meine Zuflucht nehmen, und meinen Sokrates fast wie einen
Weltweisen aus dem achtzehnten Jahrhunderte sprechen lassen. Ich wollte
lieber einen Anachronismus begehen, als Gründe auslassen, die zur
Ueberzeugung etwas beytragen können.
Auf solche Weise ist folgendes Mittelding zwischen
einer Uebersetzung und eigenen Ausarbeitung entstanden. Ob ich auch
etwas Neues habe, oder nur das so oft gesagte anders vorbringe, mögen
andere entscheiden. Es ist schwer, in einer Materie, über welche so viel
große Köpfe nachgedacht haben, durchgehends neu zu seyn, und es ist
lächerlich, es affektiren zu wollen. Wenn ich hätte Schriftsteller
anführen mögen, so wären die Namen Plotinus, Cartes, Leibnitz, Wolf, Baumgarten, Reimarus
u. a. oft vorgekommen. Vielleicht wäre dem Leser auch alsdann
deutlicher in die Augen gefallen, was ich von dem Meinigen hinzugethan
habe. Allein dem bloßen Liebhaber ist es gleichgültig, ob er einen
Beweisgrund diesem oder jenem zu verdanken hat; und der Gelehrte weiß
das Mein und Dein in so wichtigen Materien doch wohl zu unterscheiden.
Ich bitte gleichwohl meine Leser, auf die Gründe, die ich von der
Harmonie der moralischen Wahrheiten, und insbesondere
von dem System unserer Rechte und Obliegenheiten herhole, aufmerksam zu
seyn. Ich erinnere mich nicht, sie bey irgend einem Schriftsteller
gelesen zu haben, und sie scheinen mir für denjenigen, der in die
Grundsätze einstimmet, überzeugend zu seyn. Die Art des Vertrags hat
mich genöthiget, sie als bloße Ueberredungsgründe anzubringen: ich halte
sie aber für fähig, nach der Schärfe der strengsten Logik ausgeführet
zu werden.
Den Charakter des Sokrates habe ich für
dienlich erachtet, voraus zu schicken, um bey meinen Lesern das Andenken
des Weltweisen aufzufrischen, der in den Gesprächen die Hauptperson
ausmachet Coopers Life of Socrates hat mir dabey zum Leitfaden gedienet, jedoch sind auch die Quellen zu Rathe gezogen worden.
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