Donnerstag, 18. Oktober 2018

Der Papst und das Töten


Der Papst und das Töten

Haimo L. Handl

Kürzlich äußerte sich der Papst, das Oberhaupt der katholischen Kirche, wieder zur Abreibung. In einer Rede zum Generalthema Töten („Du sollst nicht töten“) ging der Pontifex nicht etwa auf Kriege und Terrorismus ein, auf gezieltes Töten durch Regierungsorgane, oder auf mafiotische Racheakte, sondern auf den Schwangerschaftsabbruch. Man muss die skandalösen Aussagen dieses Mannes, der sich in weißem Gewand als die Verkörperung des Herrn mit der weißen Weste gibt, so richtig von allen Seiten beleuchten, um die abgrundtiefe Widersprüchlichkeit, von der seine „Heiligkeit“ (ja, sie nennen ihn „Heiligkeit“!) redet, würdigen zu können.

Er prangert ein widersprüchliches Denken an, aufgrund dessen viele sich das Recht herausnehmen, ungeborenes Leben zu töten. Er erwähnt natürlich nicht das widersprüchliche Handeln Kirche, dem sicher ein widersprüchliches Denken unterliegt, Er fokussiert auf die Frauen und die Ausübung des Rechts der Frauen, über IHREN Köper samt dem darin befindlichen ungeborenen Leben selbst bestimmen zu dürfen. Das widerstrebt der Kirche seit je. Es geht auch weniger um den Lebensschutz als um Kontrolle der Frauen, des weiblichen Geschlechts und einer Fixierung ihrer Rolle als Gebärerin.

Der Papst verglich den Schwangerschaftsabbruch mit Auftragsmord. Nun, man kann sich denken, dass die Kirche, die größte Organisation mit systematischem Kindsmissbrauch, die auch heute noch eine Aufdeckung, Verfolgung und Ahndung der Sexualstraftäter, der Kriminellen in ihren Reihen, Priester und Bischöfe, ver- oder zumindest behindert, hier eine Kampagne führt, die ablenken soll vom Bösen, das sie seit je verfolgt.

Der Papst meinte, und seine Meinung hat ja was Heiligmäßiges: „Man darf kein menschliches Leben beenden, auch kein kleines, um ein Problem zu lösen. Das ist so, als ob man einen Killer anheuern würde, um ein Problem zu lösen". Klingt interessant. Der Oberhirte legt für seine Herde, seine Schafe, noch eins drauf. Er wendet sich gegen den Individualismus und sieht im Annehmen behinderter Kinder, die trotz Pränataldiagnostik zur Welt gebracht werden, einen Humanakt.

Denn alle, auch behinderte Kinder (und er verbindet das gleich mit den Alten, Gebrechlichen, Pflegebedürftigen), seien „Geschenke Gottes“. Wer hat nicht gern Geschenke? Also, Schlussfolgerung: Mehr behinderte Kinder als Geschenke Gottes, um unsere tiefe Liebe und Humanität zu beweisen. Alle, die Prenataldiagnostik nutzen, sind des Teufels, sind Unterstützer des Aussonderungsprogramms, sind Vorbereiter der Auftragsmorde. Keine Gentests im Mutterleib. Der Mutterleib gehört nicht der Mutter, der Frau, sondern der Gesellschaft. Die Frau ist nur Werkzeug, Maschine. Sie darf keine Rechte haben. Sie muss das Programm der maskulinen Kirche, der „herr-lichen“ Gesellschaft, erfüllen, sie muss weiblich denken und handeln, und zwar weiblich im Verständnis des Mannes (der Neid auf die moslemischen Gesellschaften, wo dieses alte, männliche Denken noch viel „ursprünglicher“ und extremer gilt und waltet, ist unüberhörbar).

Wäre die Kirche eindeutig in ihrer Haltung gegen das Töten, könnte man vernünftig argumentieren, weshalb es sich beim Schwangerschaftsabbruch um einen Spezialfall handelt. Aber die Kirche ist widersprüchlich, seit je. Und gerade hinsichtlich des Tötens, des geborenen Lebens, nimmt sie dieses nicht nur hin, sondern segnet es bzw. hat es selbst bis zur schieren Perfektion in der Geschichte organisiert. Ich spreche vom Krieg und vom kriegerischen Töten. Und das betrifft nicht nur die Frühzeit der Kirche, die Kreuzzüge und die Religionskriege, sondern die Haltung der Kirche zum Militär und zum organisierten Töten. Heute widerspricht sie nicht nur nicht, sondern unterstützt es weiterhin. Das geborene Leben ist tötenswert, das Ungeborene aber muss geschützt werden. Männer, die vorgeben im Zölibat ohne nahe Beziehung zum weiblichen Geschlecht zu leben, legen Richtlinien für dieses vor. Es ist, als ob die Pfaffen die Frau als Gebärmaschine kontrollieren wollen, um dann, später, die Jungmänner in den Tod schicken zu können im Programm der „Verteidigung“.

Und wie steht’s mit den Missbräuchen? Die sind ja kein reales Töten, „nur“ Missbrauch. Wen kümmern die Traumata? Bevor die Buben Jungmänner oder Männer werden, dürfen sie die Realität des Sexus, der Homosexualität durch Missbrauchstäter erfahren. Die wenigstens stellen sich das deutlich vor, was da vor sich geht: der geile Typ spritzt seinen Samen nicht in die Scheide einer Frau zwecks Nachwuchs, das überlässt er dem gemeinen Volk, er, der „Soldat der Kirche“ reibt sich am Buben und entlädt sich in den wunden Arsch des Knaben, den er dann segnet. Später, wenn der Täter nicht mehr so viril und agil ist, bleibt’s beim Grapschen und Tätscheln, beim intimen Hinwenden. Der Eros der Pädagogik.

Aber ein großer Teil der Bevölkerung hört auf solche Männerbündler, solche Täter im Talar, geht gegen die Frauen vor (in Argentinien, von wo der jetzige Papst Fanziskus, Jorge Mario Bergoglio SJ, ein geschulter Jesuit, der die Frauen, die die Abreibung reklamieren, als Auftragsmörderinnen denunziert, vermochte die Kirche die Haltung der Mehrheit der Bevölkerung derart zu beeinflussen, dass der Abtreibungsparagraf nicht aus der Verfassung genommen werden konnte, während die Missbrauchskriminellen der Kirche Unterschlupf finden bzw. nicht verfolgt und belangt werden) und erfüllt das Unterdrückungsprogramm der Katholiken.

„Man darf kein menschliches Leben beenden, auch kein kleines, um ein Problem zu lösen. Das ist so, als ob man einen Killer anheuern würde, um ein Problem zu lösen“. Ein wahres Wort, wenn, ja wenn das Wenn nicht wär‘. Die wahren Mörder, die gegen das geborene Leben rücksichtslos vorgehen, bleiben nicht nur ungeschoren, sie walten auch im Segen der Kirche bzw. anderer Religionen. Ungläubige sind für viele bloßes Menschenmaterial, das wie Material entsorgt wird. Devianten, unwertes Leben, gab es nicht nur bei den Nazis. Die Staaten, die Militärs unterhalten, haben Killer angeheuert. Für die Opfer ist es einerlei, ob sie wegen rigider Parteiprogramme oder religiöser Überzeugungen „drankommen“, im Namen Gottes, der (immer männlich!) viele Ausformungen kennt, ob christlich oder moslemisch oder sonst was.

„Soldaten sind Mörder“, schrieb Tucholsky. Es gab Zeiten, und bald wird es wieder welche geben, als diese allgemeine Aussage zur gerichtlichen Verfolgung und Bestrafung führte. Der Papst unternimmt wieder Schritte dorthin; eine verantwortungslose Herde folgt dem Oberhirten, einem Wolf im Schafspelz.


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