Der Papst und das Töten
Haimo L. Handl
Kürzlich äußerte sich der Papst, das Oberhaupt der
katholischen Kirche, wieder zur Abreibung. In einer Rede zum Generalthema Töten
(„Du sollst nicht töten“) ging der Pontifex nicht etwa auf Kriege und
Terrorismus ein, auf gezieltes Töten durch Regierungsorgane, oder auf
mafiotische Racheakte, sondern auf den Schwangerschaftsabbruch. Man muss die
skandalösen Aussagen dieses Mannes, der sich in weißem Gewand als die
Verkörperung des Herrn mit der weißen Weste gibt, so richtig von allen Seiten
beleuchten, um die abgrundtiefe Widersprüchlichkeit, von der seine „Heiligkeit“
(ja, sie nennen ihn „Heiligkeit“!) redet, würdigen zu können.
Er prangert ein widersprüchliches Denken an, aufgrund dessen
viele sich das Recht herausnehmen, ungeborenes Leben zu töten. Er erwähnt
natürlich nicht das widersprüchliche Handeln Kirche, dem sicher ein
widersprüchliches Denken unterliegt, Er fokussiert auf die Frauen und die
Ausübung des Rechts der Frauen, über IHREN Köper samt dem darin befindlichen
ungeborenen Leben selbst bestimmen zu dürfen. Das widerstrebt der Kirche seit
je. Es geht auch weniger um den Lebensschutz als um Kontrolle der Frauen, des
weiblichen Geschlechts und einer Fixierung ihrer Rolle als Gebärerin.
Der Papst verglich den Schwangerschaftsabbruch mit
Auftragsmord. Nun, man kann sich denken, dass die Kirche, die größte
Organisation mit systematischem Kindsmissbrauch, die auch heute noch eine
Aufdeckung, Verfolgung und Ahndung der Sexualstraftäter, der Kriminellen in ihren
Reihen, Priester und Bischöfe, ver- oder zumindest behindert, hier eine
Kampagne führt, die ablenken soll vom Bösen, das sie seit je verfolgt.
Der Papst meinte, und seine Meinung hat ja was
Heiligmäßiges: „Man darf kein menschliches Leben beenden, auch kein kleines, um
ein Problem zu lösen. Das ist so, als ob man einen Killer anheuern würde, um
ein Problem zu lösen". Klingt interessant. Der Oberhirte legt für seine
Herde, seine Schafe, noch eins drauf. Er wendet sich gegen den Individualismus
und sieht im Annehmen behinderter Kinder, die trotz Pränataldiagnostik zur Welt
gebracht werden, einen Humanakt.
Denn alle, auch behinderte Kinder (und er verbindet das
gleich mit den Alten, Gebrechlichen, Pflegebedürftigen), seien „Geschenke
Gottes“. Wer hat nicht gern Geschenke? Also, Schlussfolgerung: Mehr behinderte
Kinder als Geschenke Gottes, um unsere tiefe Liebe und Humanität zu beweisen.
Alle, die Prenataldiagnostik nutzen, sind des Teufels, sind Unterstützer des
Aussonderungsprogramms, sind Vorbereiter der Auftragsmorde. Keine Gentests im
Mutterleib. Der Mutterleib gehört nicht der Mutter, der Frau, sondern der
Gesellschaft. Die Frau ist nur Werkzeug, Maschine. Sie darf keine Rechte haben.
Sie muss das Programm der maskulinen Kirche, der „herr-lichen“ Gesellschaft,
erfüllen, sie muss weiblich denken und handeln, und zwar weiblich im
Verständnis des Mannes (der Neid auf die moslemischen Gesellschaften, wo dieses
alte, männliche Denken noch viel „ursprünglicher“ und extremer gilt und waltet,
ist unüberhörbar).
Wäre die Kirche eindeutig in ihrer Haltung gegen das Töten,
könnte man vernünftig argumentieren, weshalb es sich beim
Schwangerschaftsabbruch um einen Spezialfall handelt. Aber die Kirche ist
widersprüchlich, seit je. Und gerade hinsichtlich des Tötens, des geborenen
Lebens, nimmt sie dieses nicht nur hin, sondern segnet es bzw. hat es selbst
bis zur schieren Perfektion in der Geschichte organisiert. Ich spreche vom
Krieg und vom kriegerischen Töten. Und das betrifft nicht nur die Frühzeit der
Kirche, die Kreuzzüge und die Religionskriege, sondern die Haltung der Kirche
zum Militär und zum organisierten Töten. Heute widerspricht sie nicht nur
nicht, sondern unterstützt es weiterhin. Das geborene Leben ist tötenswert, das
Ungeborene aber muss geschützt werden. Männer, die vorgeben im Zölibat ohne
nahe Beziehung zum weiblichen Geschlecht zu leben, legen Richtlinien für dieses
vor. Es ist, als ob die Pfaffen die Frau als Gebärmaschine kontrollieren
wollen, um dann, später, die Jungmänner in den Tod schicken zu können im
Programm der „Verteidigung“.
Und wie steht’s mit den Missbräuchen? Die sind ja kein
reales Töten, „nur“ Missbrauch. Wen kümmern die Traumata? Bevor die Buben
Jungmänner oder Männer werden, dürfen sie die Realität des Sexus, der
Homosexualität durch Missbrauchstäter erfahren. Die wenigstens stellen sich das
deutlich vor, was da vor sich geht: der geile Typ spritzt seinen Samen nicht in
die Scheide einer Frau zwecks Nachwuchs, das überlässt er dem gemeinen Volk,
er, der „Soldat der Kirche“ reibt sich am Buben und entlädt sich in den wunden
Arsch des Knaben, den er dann segnet. Später, wenn der Täter nicht mehr so
viril und agil ist, bleibt’s beim Grapschen und Tätscheln, beim intimen
Hinwenden. Der Eros der Pädagogik.
Aber ein großer Teil der Bevölkerung hört auf solche
Männerbündler, solche Täter im Talar, geht gegen die Frauen vor (in Argentinien,
von wo der jetzige Papst Fanziskus, Jorge Mario Bergoglio SJ, ein geschulter
Jesuit, der die Frauen, die die Abreibung reklamieren, als Auftragsmörderinnen
denunziert, vermochte die Kirche die Haltung der Mehrheit der Bevölkerung
derart zu beeinflussen, dass der Abtreibungsparagraf nicht aus der Verfassung
genommen werden konnte, während die Missbrauchskriminellen der Kirche Unterschlupf
finden bzw. nicht verfolgt und belangt werden) und erfüllt das
Unterdrückungsprogramm der Katholiken.
„Man darf kein menschliches Leben beenden, auch kein
kleines, um ein Problem zu lösen. Das ist so, als ob man einen Killer anheuern
würde, um ein Problem zu lösen“. Ein wahres Wort, wenn, ja wenn das Wenn nicht
wär‘. Die wahren Mörder, die gegen das geborene Leben rücksichtslos vorgehen,
bleiben nicht nur ungeschoren, sie walten auch im Segen der Kirche bzw. anderer
Religionen. Ungläubige sind für viele bloßes Menschenmaterial, das wie Material
entsorgt wird. Devianten, unwertes Leben, gab es nicht nur bei den Nazis. Die
Staaten, die Militärs unterhalten, haben Killer angeheuert. Für die Opfer ist
es einerlei, ob sie wegen rigider Parteiprogramme oder religiöser Überzeugungen
„drankommen“, im Namen Gottes, der (immer männlich!) viele Ausformungen kennt,
ob christlich oder moslemisch oder sonst was.
„Soldaten sind Mörder“, schrieb Tucholsky. Es gab Zeiten,
und bald wird es wieder welche geben, als diese allgemeine Aussage zur
gerichtlichen Verfolgung und Bestrafung führte. Der Papst unternimmt wieder
Schritte dorthin; eine verantwortungslose Herde folgt dem Oberhirten, einem
Wolf im Schafspelz.
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