Österreich hat seine braune Tradition. In der Nazizeit war
eine Mehrheit hochaktiv und bewies Raffinesse in der Judenverfolgung, nach dem
Krieg hat die Mehrheit nichts gewusst, und man sah sich selber als Opfer. Trotz
Aufarbeitung in Zeitgeschichte und Geschichte scheinen die Jungen nichts oder
wenig gelernt zu haben. Der braune Hintergrund schimmert, wenn die Wolken der
Pseudoaufklärung oder westlichen Demokratie weichen, frisch weiter. Ein Aspekt
ist gegenwärtig allerdings neu. Durch den langsamen Rechtsruck der letzten 20
Jahre hat sich das Rechtsempfinden verschoben, Werte, die früher zentral
erschienen oder betonens- bzw. verteidigungswert, sind obsolet geworden, leere
Hüllen für billige Klischees. Man hat sich an das Faschistoide, Faschistische
und Neonazistische so gewöhnt, dass man heute Neonazis nicht mehr Neonazis
nennt, sondern verharmlosend Rechtspopulisten. Ca. ein Drittel der Österreicher
harrt darauf, die Neonazis zu stärken, damit das braune, nazistische Undenken
erstarke, damit ihre elenden Ressentiments endlich wieder befriedigt werden,
damit der Untergang des Abendlandes in ihrem Sinne hintangehalten werden kann,
und sei es durch offenen Faschismus, durch die braune Brut.
Ein Hauptmerkmal ist die Betonung der Herkunft. Man spricht
nicht mehr vom Arier und vom unwerten Leben, aber man hat Ersatz gefunden. In
kleinen Dosen wird immer extremeres Nazidenken in die Kultur geschleust,
vernetzt und verankert. Wer die FPÖ-ler Neonazi nennt, hat Prozesse zu
gewärtigen. Historikerkommissionen sollen die Reinwasche bestätigen, die
deutschnationalen Burschenschaften treiben ihr Unwesen – alles unter dem Schutz
des Staates, der nur dann halbherzig einschreitet, wenn das Ausland laut
aufschreit.
Für den jüngsten Kanzler der Republik, den Studienabbrecher
Kurz, gilt als rote Linie das Strafrecht. Aber Neonazismus äußert sich viel
früher. In Liedern zum Judenmord aufrufen ist noch kein realer Mord. Gilt nur
letzterer als „Vergehen“, lässt man die braunen Hunde bellen, bis sie so stark
sind, dass sie beißen.
Der FP-ler Udo Landbauer war in der deutschen pennalen
Burschenschaft Germania Wiener Neustadt. Er stellte seine Mitgliedschaft
ruhend, als bekannt wurde, dass diese Burschenschaft neonazistische Liedtexte,
Mordaufrufe an den Juden, in ihrem Liederbuch, das 1997 aufgelegt worden war,
enthielt. Er betont, nichts davon gewusst zu haben, nie gesungen zu haben und
bemühte sich erfolgreich, wie der Protegé Strache, den Skandal in der
Veröffentlichung durch die „linke Stadtzeitung DER FALTER“ zu sehen, und nicht
in der Burschenschaft. Auch die anderen Sumpfblüten der Braunpartei
fokussierten auf die Medienhetze und konnten sich eines Effekts wie zu
Waldheims Zeiten sicher sein. Nicht die Täter sind schuldig, sondern die
Aufdecker, die Österreich schädigen, wie damals. Landbauer ist Opfer geworden.
Das meinten auch Abertausende von Österreichern, vor allem in Niederösterreich,
einem tiefschwarzen Land, wo die FPÖ mit Landbauer bei der jüngsten
Landtagswahl die Mandatszahl verdoppeln konnte.
Jetzt hat auch die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt
angekündigt, die Sache untersuchen zu wollen. Warum wurden die
Burschenschaften, notorisch bekannt nicht nur für ihre widerliche
Deutschtümelei, sondern für Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit, nie
untersucht und belangt? Warum hat man die neonazistischen Umtriebe, z.B. eines
Strache in den Wehrsportertüchtigungsorganisationen nie verfolgt? War alles
nicht so schlimm, waren nur „Jugendsünden“, als ob Jugendlichkeit ein
Entschuldigungsgrund wäre.
Die FPÖ hat wenig zu befürchten. In Österreich hilft ihr das
Image des Neonazistischen sogar. Viele Österreicher sehen in den Braunen eine
alte Tradition gefestigt, die sie wegen der Juden (Israel, Kultusgemeinde) oder
bösen Ausländern gefährdet sahen. Erst mit der Rechtsverschiebung und der
sprachlichen Anpassung, die „das Kind nicht beim Namen nennt“, stellt sich eine
gewisse Zufriedenheit ein und ermuntert für weitere Maßnahmen im völkischen
Stil.
Das Bubi, der Kurz, hat, wie damals Schüssel, es den Braunen
endlich ermöglicht, ihrem Ziel näher zu kommen. Der karrieregeile Emporkömmling
vermochte tatsächlich eine Riege von Apparatschiks, Gefolgsleuten, Bütteln und
braunen Schergen an den Tisch zu bringen, um sein Programm durchzuziehen. Die
ÖVP, die jetzt als türkise Erfolgspartei auftritt, wird aber schwarz gesehen.
Nur bei den Braunen reden die meisten noch von Blauen.
Nachdem die Ungebildeten am Land überwiegen, ist dieser
Gemengelage von Ungeist und Rückständigkeit eine glorreiche, lange Zukunft
gesichert. Neu ist, dass auch in den Städten sich die Lager verschoben, die
Rechten bis hin zu den Rechtsextremen bzw. Neonazis wuchsen. Die SPÖ versucht
die FPÖ in bestimmten Bereichen rechts zu überholen, um braune Stimmen
zurückzugewinnen. Ihr Wohnbaustadtrat Ludwig, ein bewährter Apparatschik,
gewann die Nachfolge von Häupl. Der Rechtsruck wird Auswirkungen haben. Und
wenn Wien fällt …
Die Unterstützung für diese braune Bagage kommt allerdings
auch vom bürgerlichen Lager. Ein bisschen besser getarnt, anders verpackt, aber
doch. Auf Servus TV sah ich zufällig am 27.1.2018 einen sogenannt satirischen
Kommentar von einem gewissen Ferdinand Wegscheider. Ein verklemmt dreinsehender
Buchhaltertyp, der selbst betont, nicht gut reden zu können (aber trotzdem
spricht), gibt in seiner Auffassung von Satire seinen Senf zur Wurst. Was mich
aufhorchen lässt, und weshalb ich nicht gleich weiterschalte, sind nun aber
einige Sätze über Udo Landbauer und die Nestbeschmutzung durch „eine linke
Stadtzeitung aus Wien“. Er befindet das beanstandete Liedgut „natürlich“
negativ und widerlich. Aber er folgert ganz im Stil der FPÖ. Der Skandal liege
in der linken Medienhetze. Er stellt Vergleiche an mit anderen inkriminierten
Liedern, bekennt süffisant, als Junger auch solche gesunden zu haben, stellt mit
diesem Trick eine Gleichheit her zwischen „Neger aus Kuba“ und den Juden, von
denen noch eine weitere Million dran glauben soll, damit die siebente Million
erreicht wird, und bagatellisiert damit die ganze Problematik. Das Ganze als
Witzpartie! Wer da nicht lacht. Er geht auf die Waldheimaffäre ein, die damals
auch durch die „Linken“ losgetreten worden war und bedauert den Imageschaden,
den Österreich dadurch erlitt. Kein Gedanke, kein Wort über den Anlass. So wird
nach der pflichtschuldigen Verurteilung des Liedes sofort auf die Linken
fokussiert, die just zur Wahlzeit diese Aufdeckung bringen. Das heißt, es gilt
nicht die Brisanz des Aufgedeckten, sondern das Kalkül der Aufdecker. Mit solch
einer Auffassung dürfte man die Enthüllungen über die Panamapapers nicht
annehmen, die von Edward Snowden genauso wenig wie die von Wikileaks.
Ich lese nach, wer denn dieser Wegscheider ist. Er ist
Intendant des Privatsenders Servus TV, war als Dr. juris immer schon Journalist
und lässt sich als Pionier des Privatfernsehens feiern. Dieser akademisch
gebildete Journalist leistet Apologetendienste für Neonazis und verstärkt den
Hass auf „die Linken“. Er hilft, ein altes Feindbild zu zementieren und merkt
vielleicht nicht einmal, wie weit er damit mit dem Ungeist kollaboriert.
Haimo L. Handl