Dienstag, 2. Januar 2018

Der Menschen Worte verstand ich nie

Ich verstand die Stille des Aethers,
Der Menschen Worte verstand ich nie.

so spricht der Dichter in einer Sprache, die sich an Menschen richtet, die er nie verstand. Er meinte, mit Göttern im Dialog zu sein und verzweifelte in gekonnt gedrechselter, ziselierter Sprache, der arme Friedrich Hölderlin, der Hohepriester der Einsamen, der Auserwählten. Er stillte seine Sehnsucht am Fernsten, er liebte die Götter, er schwelgte wie die pervers-heilige Theresia in Verzückungen, er, der nicht erwachsen werden wollte, der Kind, Gotteskind bleiben wollte und in düsterer Nacht den Rest seines Lebens vergaß.

Was nützte ihm das Verstehen des Äthers, der Götterwelt, wenn die Sprache seiner Mitmenschen sich ihm verschloss und unverständlich blieb. Was trieb ihn sich abzuwenden zwecks Selbsterhöhung zum superioren Wesen, zum Primus? Eitelkeit? Verkenntnis?

Wieviele Weltverbesserer waren wie er unfähig, den Nächsten anzuerkennen, ihm freundlich zu begegnen, mit ihm würdevoll zu leben? Nein, es musste die gesamte Menschheit sein, die sie als Objekt der Begierde, als libidinöses Ziel sich einrichteten. Das war abstrakt und edel zugleich und bei aller angerufenen Nähe immer fern, immer sphärisch, himmlisch. So kaschierten sie eine tiefe Inhumanität, ein Unvermögen, eine krankhafte Beziehungsstörung, und gerierten sich als Heilige, als Retter und Hohepriester oder als Verkünder der Wahrheit, des Weges zum Licht, zum Neuen Menschen. Was unterscheidet einen Gewalttyrannen von einem Dichter, der nicht die Sprache der Menschen spricht, der in weiten, oberen Sphären glänzt? Dass der eine als Tatmensch verbricht, was der andere, der Träumer und Visionär verspricht. Sie opfern die Niederen, die Menschen, für ihr ersehntes Göttliches, die endgültige Lösung, die vollendete Wahrheit.



Die Verse sind enthalten in seinem Gedicht



Da ich ein Knabe war...

Da ich ein Knabe war,
   Rettet' ein Gott mich oft
      Vom Geschrei und der Rute der Menschen,
         Da spielt ich sicher und gut
            Mit den Blumen des Hains,
               Und die Lüftchen des Himmels
                  Spielten mit mir.

Und wie du das Herz
Der Pflanzen erfreust,
Wenn sie entgegen dir
Die zarten Arme strecken,

So hast du mein Herz erfreut,
Vater Helios! und, wie Endymion,
War ich dein Liebling,
Heilige Luna!

O all ihr treuen
Freundlichen Götter!
Daß ihr wüßtet,
Wie euch meine Seele geliebt!

Zwar damals rief ich noch nicht
Euch mit Namen, auch ihr
Nanntet mich nie, wie die Menschen sich nennen,
Als kennten sie sich.

Doch kannt' ich euch besser,
Als ich je die Menschen gekannt,
Ich verstand die Stille des Aethers,
Der Menschen Worte verstand ich nie.

Mich erzog der Wohllaut
Des säuselnden Hains
Und lieben lernt' ich
Unter den Blumen.

Im Arme der Götter wuchs ich groß. 

 

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