Montag, 8. Januar 2018

Verräterische Sätze – Stilblüten




Smarte Maschinen
"Kulturpalast" am 08.10.2016: Der Wissenschaftsjournalist Ulrich Eberl zeigt in dem Buch "Smarte Maschinen", was Maschinen alles schon können: helfen, aber auch Menschen töten, wenn sie das für richtig halten.

Maschinen können töten, „wenn sie das für richtig halten“. Aber eine Maschine kann einem Programm folgen, kann bei bestimmten Kriterien nach Programmierung ‚aktiv‘ werden und töten, aber keine Maschine wird etwas für ‚richtig halten‘, wie das für Menschen gilt. „Richtig halten“ im Sinne der Erfüllung eines Programms wird hier im humanen Sinne verwendet, was der Maschine die Fähigkeit zuspricht entscheiden zu können, was sie für richtig oder falsch halten solle. Aber auch AI führt nur zu Programmschritten, die nicht mit dem sozialen, humanen Wertverständnis vermischt werden sollen. Die Sprachungenauigkeit wertet die Maschine und ihre Programmierer auf.


Umfrage: Würden Sie nach Ihrem Tod Organe spenden?
Weltweit geschehen schreckliche Dinge bei der Beschaffung und Verteilung von Spenderorganen. Die Schwarzmarktpreise für Organe sind gigantisch. Grund: Spenderorgane sind knapp, es gibt zu wenig Menschen, die Organe Spenden, auch in Deutschland. Wir haben uns nach dem Grund umgehört.

Nach meinem Tod kann ich nichts mehr, weil ich nicht mehr lebe. Deshalb bestimmt man zu Lebzeiten, was mit einem geschehen soll bzw. was mit dem Nachlass. Die ungenaue Formulierung vermischt in falscher Kürze eine Entscheidung zu Lebzeiten mit der Möglichkeit, nach dem Tod etwas tun zu können. Klar, meint die Redakteurin, ob nah dem Tod Organe entnommen werden dürfen, weil die Person als potentieller Spender dafür zu Lebzeiten die Erlaubnis erteilt hat, formuliert dies aber in einer Weise, die dem unsauberen Kurzdenken der Oberflächlichen gleichkommt.

Auf der Website von Kulturzeit/3SAT gleich drei Beispiele dieser Art sollten zu denken geben.


In unserer schnelllebigen Zeit, in der alles immer up to date sein muss, kippt scheinbar die Wertschätzung mit dem Urteil, etwas sei „zeitlos schön“, also immerwährend schön, als ob es das geben könne. Manchmal hörte ich auch den verwegenen Unsinn, etwas sei von „bleibender Aktualität“. Ein Widerspruch in sich, der das schwadronierende Kurzdenken kennzeichnet. Einerseits kann nichts einen unveränderlichen Wert, eine Bedeutung oder Qualität in sich haben, weil die Wertzuschreibung durch Menschen in ihrer Zeit und Gesellschaft erfolgt, weil kein Wert, keine Bedeutung inhärent sind, andererseits ist nur das sich jüngst Ereignende aktuell bzw. die Aktualität bezieht sich nur auf das Neueste, Jüngste. Es unterscheidet sich damit vom Immerwährenden, wenn es das gäbe bzw. vom Dauernden. Zu meinen, etwas könne, wie Faust es ersehnte, über den Augenblick hinaus dauern und damit aktuell bleiben, heißt zu meinen, man könne die Zeit anhalten und trotzdem jene Merkmale wahrnehmen, wertschätzen oder genießen, die man dem Jüngsten und Neuesten zuschrieb. Dass etwas Vergangenes, Altes wieder aktuell werden kann, bildet keinen Widerspruch. So kann eine uralte Komposition, ein alter Text Aufmerksamkeit und Bedeutung erlangen, die sie oder ihn aktuell machen. Im Alltagsleben ist dies klarer als in der Theorie, besonders der Philosophie. Eine Zeitung von gestern ist nicht aktuell, ist „Schnee von gestern“, gemessen an den Nachrichten einer Zeitung von heute. Gäbe es keine Zeitungen mehr, keine Nachrichten, wäre das „alte“ Zeitungsexemplar trotzdem kein aktuelles, nur das jüngste bzw. letzte.

Haimo L. Handl
 

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