Roser Amills Bibiloni – Gedichte aus
»Morbo« (Krankhaftes)
Übersetzung aus dem Katalanischen: Klaus
Ebner
Soroll i
paraules
Gràcies per jugar
al soroll, abans,
de voler
explicar-ho tot sense embuts.
Podríem ser tan
feliços
si ara mateix et
sabés dir tot just
una paraula a cau
d'orella rera l'altra,
a poc a poc com
baixen les velles de l'autobús, una paraula humida, sorrenca, entusiasta
que estrenyés l'eco
fins a morir
entre la meva boca
i la teva orella
com un petit
orgasme paraula.
Però no m'entens,
no encara,
i cal escriure més
de sexe,
de les formes de
mutació,
exhibició i
transgressió dels límits
que permetin
elaborar
una variant pròpia
d'un mateix,
una que no panteixi
ressagada
o per a que
senzillament sembli que no són
sempre els mateixos
el que estan
parlant del mateix.
Té a veure amb la
possibilitat
d'assumir el
problema
la diferència
el problema
la nostra època.
Follar no és
difícil, ara,
el que és complicat
és explicar-ho
sense caure en una
taca de mel
o en una piscina
sense aigua,
cal parlar de tot
això amb naturalitat
amb la teva mare,
amb la veïna,
amb un fill
adolescent
o un vell
desconegut que no parla,
cal vèncer els
tabús de la paraula que tremola
i, en el seu
desequilibri,
enxampar el ritme
de cop,
trobar un acord
estètic i morrejar-lo
al terra de
l'habitació
mentre m'encules
amb tota l'ànima
cal ser una
interlocutora còmoda
quan l'altre no vol
dir què li passa,
jugar a tots els
jocs de tot o res,
menjar-te i tòrcer
i abandonar el diccionari
cada matinada de
gats suaus en l'aire,
cada hora de perfum
fresc, d'asfalt,
cada harmonia
dintre de cada cotxe
del pell
funambulita i trempada
i per sobre de tot
cal no perdre de
vista el morbo
de provar de dir
d'allò que no comprenem
la milionèsima
diferencial que és
per a cada un de
nosaltres.
Lärm und Worte
Vorerst dank ich
dir für deine Worte,
den Wunsch, das
alles unumwunden auszusprechen.
Wir wären so
glücklich,
wenn ich dir in
diesem Augenblick ein Wort
nach dem andern ins
Ohr sagen könnte, so
nach und nach, wie
alte Frauen dem Bus entsteigen,
ein feuchtes,
sandiges, enthusiastisches Wort,
welches das Echo
bis zum Verenden erdrückt,
zwischen meinem
Mund und deinem Ohr,
wie ein kleiner
Wortorgasmus.
Aber du verstehst
mich nicht, noch nicht,
und ich muss über
Sex schreiben,
über die
verschiedenen Arten der Verwandlung,
des Sich-Öffnens,
der Grenzverschiebungen,
die es ermöglichen,
ein eigenes Bild
von einem selbst zu zeigen,
eines, das nicht
vor Verzopftheit stöhnt
oder zumindest
nicht den Eindruck erweckt, es seien
stets dieselben,
die über dasselbe
reden.
Das hat mit der
Möglichkeit zu tun,
das Problem
anzunehmen,
den Unterschied,
das Problem,
die Eigenart
unserer Zeit.
Ficken ist nicht
schwierig heutzutage,
kompliziert jedoch,
es zu erklären,
ohne in einen
Klecks Honig zu fallen
oder in ein
Schwimmbecken ohne Wasser,
man muss darüber in
aller Natürlichkeit reden,
mit der Mutter, der
Nachbarin,
mit seinem
halbwüchsigen Kind
oder einem
unbekannten Alten, der nicht spricht,
man muss die Tabus
des Wortes besiegen, das
in seinem Ungleichgewicht
zittert,
den Rhythmus in
flagranti ertappen,
ein ästhetisches
Einvernehmen finden und auf dem
Zimmerboden
abknutschen,
während du mich
beherzt von hinten nimmst,
das muss schon eine
bequeme Gesprächspartnerin sein,
wenn der andere
verschweigt, was mit ihr passiert,
alle Spiele um
alles oder nichts spielen,
dich vernaschen,
auspressen, aufs Wörterbuch pfeifen,
jeden Morgen mit
diesem gewissen Etwas in der Luft,
jede Stunde mit dem
frischem Parfum, von Asphalt,
bei jeder
harmonischen Stimmung in jedem Auto
mit wagemutiger,
kerngesunder Haut
und überhaupt wegen
allem
sollten wir nicht
das Krankhafte aus den Augen verlieren,
das zu sagen, was
wir nicht verstehen,
den millionsten
Unterschied, der
für jeden von uns
gilt.
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Martin Dragosits
KONSEQUENZ
Ich spüre
nur zu gut
dass sie mich gerne denunzierten
und sogar mal brennen ließen
weil mein Wort
in freier Form
den Bogen überspannt
der
zwischen Sonntagszeitung
Bier und einem Lied
im Wirtshaus
gemeingewöhnlich
dargeboten werden darf
Ich übertreibe
bin verdächtig
ganz allein
durch Gegenwart
ich lebe
liebe schreibe
weil mein Gewissen
es verlangt
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Nora Dubach
Nackt
In den Medien
erhält man
an- gezogen
mehr Beachtung
als aus-gezogen
ausdruckslose nackte
Schaufensterpuppen
schockieren ebenso wenig
wie das etablierte
Nacktsein
ausgespuckt aus
Schönheitskliniken
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Stephan Eibel Erzberg
ruf der straße
Stephan
Wisch ab mir die speibe
besorg mir a bleibe
und nimm weg mei gicht
das wär a gschicht
und ein sozialgedicht
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Maria Hammerich-Maier
Zum All
An den Wegrändern
balanciere ich
tänzelnd
Dort, wo das Erdreich
den Horizont schließt
mit dem Teer
Die Toten
rollen mir Erdklümpchen
unter die Sohlen
Und die Lebenden
Teppichläufer
aus rostigem Nadelhaar
Dort, wo verlorene Hunde
scheu schielen
aus heimatsüchtigen Augen
Zu mir, wie ich balanciere
über den Schründen
von Leben und Tod
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Marián Hatala
ein schrecklicher herbst anfang juni
manchmal nur so
gehe ich vor die tür meiner wohnung
und läute bei mir selbst
und manchmal wieder
mache ich nicht einmal mir selbst auf
mache nicht auf
ich sage mir
- ich bitte dich
wem wolltest
du schon aufmachen?
oder aber
- wer sollte denn um diese zeit schon
läuten?
und ich kehre
zurück an die schreibmaschine
mir selbst entgegen
während durch das fenster
bis zum ertauben
der abend kühl
schwarzes laub
meine verblühten morgigen tage
direkt in meine seele weht
bis mir bang wird
bis mir die kehle
zuschnürt
strašná jeseň na začiatku júna
niekedy len tak
vyjdem pred dvere svojho bytu
a zazvoním sám sebe
a niekedy zas
ani len sám sebe
neotvorím
vravím si
- prosím ťa komu by si už len
otváral?
alebo
- kto by o tomto čase
zvonil?
a vraciam sa späť
k písaciemu stroju
sám sebe v ústrety
zatiaľ čo za oknom
do ohluchnutia padajú
studené čierne listy
moje odkvitnuté zajtrajšie dni
mi padajú rovno do duše
až je úzko
až je okolo hrdla najužšie
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Franz Hofer
Franz Hofer
Angst, vertraute
Unbekannte
blickst mich tiefer
aus deinen blauen
Augen.
Unschuldiges
Kinderglotzen.
Dein Vorwurf säugt
den Raum,
als hätte ich
vergessen,
daß ich dich zum
Essen geladen.
Würgen in der Kehle,
Erstaunen zwischen
zwei Zeilen
im Auflösen eines
Wortes
und kein Schrei,
der Tag in zwei
Hälften
einer Flucht teilt.
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Barbara Holpfer
o. T.
hör doch!
rauschen
(lass mich ...)
plätschern
(hab mich ...)
schlechte voraussetzungen!
wer ist ertrunken
wann
wo und
wie oft
gestreichelt
(planken)
auch
gestreichelt, ja
getragen,
ja
umfassend
gewesen, ja
geahnt
(ersticken)
aber
nicht getan, nicht?
schlechte
voraussetzungen
sag ich
du bist: so schön, so groß, so stark
und ich ( ... rinnsal ... )
mir kommen die
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Kätlin
Kaldmaa
pause
10 sekunden um tief luft zu holen
1 minute um einen anblick zu genießen
2 minuten um ein tässchen tee zu kochen
10 minuten um den kopf klar zu kriegen
20 minuten um die mutter anzurufen
eine halbe stunde um sport zu machen
einige stunden um ein gutes buch zu lesen
einen tag um sich gut zu fühlen
ein wochenende um in die sterne zu gucken
zwei wochen um kraft zu tanken
einen monat um neues zu lernen
einen sommer um wieder kind zu sein
ein jahr um die welt zu entdecken
ein leben um zu begreifen was es bedeutet
oder nur 5 minuten um gar nichts zu tun
Paus
10 sekundit, et sügavalt sisse hingata.
1 minut, et vaadet nautida.
2 minutit, et tassike teed teha.
10 minutit, et pea selgeks saada.
20 minutit, et emale helistada
Pool tundi, et võimelda.
Paar tundi, et hea raamat läbi lugeda.
Päev, et end mõnusalt tunda.
Nädalavahetus, et tähti vaadata.
Kaks nädalat, et jõudu koguda.
Kuu aega, et midagi uut õppida.
Suvi, et jälle laps olla.
Aasta, et maailma avastada.
Eluaeg, et aru saada, mida see kõik tähendab.
Või ainult 5 minutit, et mitte midagi teha.
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Rudolf Kraus
immer öfter
muss ich weinen
über schicksale fremder menschen
die mir nahegehen
über plötzlich
hereinbrechende melancholie
unvermutet
schießen tränen in die augen
und traurig
bin ich sowieso
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Nina Lechner
Blau
Du sagtest zu mir
Der Tag wird heute
blau!
dabei war es nur
die blaue Jalousie
vor unserem Fenster
und du hattest bloß
deine Brille nicht
auf
Ich drehte mich zur
Wand
als wollte ich in ihr
verschwinden
bevor deine Arme mich
umfingen
In dieser Dunkelheit
Daheim
bin ich nur in
mir selbst
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Joanna Lisiak
Beim Chinesen
Nach der fetten Peking-Ente
ein Rosenlikör und nicht nur
du und die Worte selbst
mein Rülpser so blumig.
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Ingmar Heytze
SCHRIJFOPDRACHT
Iemand wilde dat ik zou praten met het kind
in mezelf. Ik moest ergens gaan zitten schrijven.
Na een tijdje zou het kind naast me komen staan
en vragen wat ik deed. Dan zou het gesprek
beginnen. Het kind dat kwam was tien jaar oud,
ernstig en bleek, doorschijnend bijna. Het hijgde,
hoestte bloed in een zakdoek, fluisterde: "vertel
me dan" en het gesprek begon.
Uit Nynade no.5´augustus 2008
Ingmar
Heytze
SCHREIBAUFTRAG
Jemand
wollte, dass ich reden würde mit dem Kind
in
mir selbst. Ich sollte irgendwo sitzen zu schreiben.
Nach
einiger Zeit würde das Kind neben mir zu stehen kommen
und
fragen, was ich tu. Dann würde das Gespräch
beginnen.
Das Kind, das kam, war zehn Jahre alt,
ernst
und bleich, fast durchscheinend. Es seufzte,
hustete
Blut in ein Taschentuch, flüsterte: "erzähl
mir
dann" und das Gespräch begann.
Aus: NYNADE Nr. 5/August 2008
Übersetzt von Ruud van Weerdenburg
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Cristina Pérez García - Gedichte
Übersetzung: Klaus Ebner
(1)
Ich
bin eine Person, mir
gleichend. Ich trage eine Uhr, wenn ich will,
doch ich bevorzuge den Sex.
Mir gefällt die Unendlichkeit (sogar
zeichnen könnte ich sie), aber ich lebe
unter Personen und sehe zu,
wie meine endlosen
Tage und Finger sie, wenn sie es wollen,
füllen.
Und den Geliebten, den ich suche,
werde ich eines Tages finden;
denn Menschen sind wir und leben im
selben Körper; oder anders:,
auf diese Weise sage ich ihm, dass
wir bald zueinanderfinden.
Jo sóc una persona, igual
a mi. Duc rellotge, si vull,
però prefereixo el sexe.
M'agrada l'Infinit (fins
el dibuixo i tot) però visc
entre persones i les miro
d'omplir, si volen, dels
meus dies i els meus dits
inacabables.
I, quant a l'amant que busco,
ja ens trobarem un dia;
som humans i vivim dintre del
mateix cos, com qui diu,
així que li dic allò de
fins a nosaltres.
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Karheinz Pichler
spaziergang
der hof
des vollmonds
eine schüchterne blässe
die fledermäuse
die deinen gang
entlang des waldsaums
kreuzen
winden über deinem kopf
unsichtbare kränze
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Horst Samson
AUS DER ALTEN WELT
für
Kurt Drawert
Die dünne Haut der Blätter, Gespräche
Mit mir - über das große Wasser,
Die Fotographie, New York. Der Herbst
Ertrinkt in seinen Farben. In den Kneipen
Verweht der Atem. Am Ende
Des Tages versinkt die Seele, die Zeit - im
Glas
Rotwein treibt die Liebe und das Blut
Durchs Universum. Die Einsamen
Verschlafen den Flieder, ihre Kinder
Und die Sprache. Mein Kopf spielt
Cello, die Tage sind Noten
Und gezählt, stehen Spalier für den Tod.
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