Sonntag, 4. März 2012

Engelbert Wittichs 75. Todestag




Engelbert Wittich (18. April 1878 in Lützenhardt - 4. März 1937 in Stuttgart-Bad Cannstatt) war ein jenischer Schriftsteller in Deutschland.

Wikipedia


Engelbert Wittich
Blicke in das Leben der Zigeuner
Von einem Zigeuner

Hefte für Zigeunerkunde 2. Huß-Verlag, Striegau 1911


Vorwort.

Nur selten ist es bisher gelungen, einen richtigen Einblick in das Leben und Treiben, Denken und Empfinden des Zigeunervolkes zu gewinnen. Die mangelnde Kenntnis der Romani-(Zigeuner-)Sprache, die aus manchen Ursachen erklärliche Abneigung des Sinto (Zigeuner), die Gadsche (Nichtzigeuner) in sein inneres Leben blicken zu lassen, und die schwere Erreichbarkeit der Zigeuner überhaupt, hüllen das Zigeunertum bis heute in ein fast völliges Dunkel. Es ist daher ein erfreuliches Ereignis, daß ein Zigeuner selbst sich entschlossen hat, das Dunkel zu lichten und ein wahrheitsgetreues Bild seines Volkes zu geben. Seine braunen Volksgenossen sind darüber mißvergnügt; aber mit Unrecht. Der Verfasser täuscht sich gewiß nicht, wenn er hofft, daß durch seine Darstellung die Zigeuner in einem ganz anderen Lichte erscheinen, als wie man sie bisher anzusehen gewohnt war. Man kann geradezu sagen, daß uns die schlechten oder wenigstens unangenehmen Eigenschaften der Zigeuner nur deshalb am meisten auffallen, weil sie die Außenseite bilden. Beim näheren Kennenlernen bieten die Sinte aber soviel Anziehendes, Liebenswürdiges, geheimnisvoll Interessantes, daß der Forscher oder der Zigeunerfreund ( Romano Rai) sogar Gefahr läuft, die schwarzen Seiten des Zigeunerlebens ganz zu übersehen.

Jedenfalls ist zu hoffen, daß das vorliegende Büchlein dazu beitragen wird, manche falsche Vorstellung zu beseitigen, und die Abneigung gegen die Zigeuner in Interesse, Sympathie und liebevolle Hilfe umzuwandeln.

R. Urban.



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Anmerkung:

1911 war die Bezeichnung "braune Volksgenossen" noch von anderer Bedeutung, nämlich der Braungebrannten, weil viel im Freien sich Aufhaltenden bzw. von asiatischer (indischer) Herkunft. Nachdem die deutschen Braunen, die Faschisten, an die Macht gekommen waren, erhielt die Farbe den negativen Symbolwert: Die neuen Braunen  jagten die alten, versuchten sie zu vernichten und zu vertilgen, was ihnen fast gelang.
Doch auch ohne die Nazis war und ist das Los der Zigeuner ein hartes. Der Vergleich der Einblicke ins Zigeunerleben vom Anfang des vorigen Jahrhunderts durch einen fahrenden Hausierer, einem Jenischen, mit den Berichten von heute ist erhellend.

Uns mag heute die vom Vorwortschreiber formulierte Hoffnung als naiv erscheinen; sie bekümmert uns, da es immer noch, nach so langer Zeit und schrecklichen Ereignissen der Vernichtungsfeldzüge der Nazis, an einem respektvollen Umgang mit den Zigeunern, die man bei uns heute unverfangener Roma und Sinti nennt, mangelt. 




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