Haimo L. Handl
Freud, Adorno & Trump
Viele führen die Ausfälle Donald Trumps auf seine Person
zurück und sind versucht, das Phänomen weniger politisch, gesellschaftlich zu
deuten, sondern eher personenbezogen, psychologisch. Eine völlig falsche
Einschätzung. In Trump zeigt sich das System ohne Maske, entblößt sich der
faschistische Kern des Ausbeutesystems, das Zusammenwirken der Institutionen in
diesem Prozess, gestützt von einer Mehrheit, die weder demokratisch noch
gebildet ist. All dies psychologisch abtun zu wollen, kommt einer fatalen
Verniedlichung gleich, die eigentlich eine Kollaboration mit den primitiven
faschistischen Kräften und Strömungen darstellt.
Interessant scheint mir in diesem Zusammenhang eine Arbeit
von Theodor W. Adorno (1903-1969), der als Emigrant von 1938 bis 1953 in den
USA weilte, dort eine seiner intensivsten Arbeitsphasen erlebte, und als
sensibler Beobachter und Kritiker sich nicht blenden ließ, nämlich sein Aufsatz
„Freudian Theory and the Pattern of Fascist Propaganda“, der 1951 in den USA
publiziert wurde, in den Gesammelten Schriften von Adorno im Band 8 zu finden
ist; eine deutsche Übersetzung liegt in der Publikation „Kritik. Kleine
Schriften zur Gesellschaft“ vor, die 1971 bei Suhrkamp erschien (es 469).
Adorno, der Freud (1856-1939) und der Psychoanalyse sehr
kritisch gegenüberstand, lobte dennoch den Weitblick des Psychologen, den er
vor allem in seiner „Massenpsychologie und Ich-Analyse“ (1921) und „Das
Unbehagen in der Kultur“ (1930) ausmachte. (Beide Schriften als
Einzelpublikationen erhältlich bzw. im Band 9 der Studienausgabe der Werke
Freuds im Fischer Verlag bzw. online im Projekt Gutenberg.)
Adorno war nicht borniert, wie viele seiner Zeitgenossen,
die das Übel besonders oder nur im Faschismus des Nationalsozialismus
erkannten. Er nahm auch sein Gastland, die USA, von der Kritik nicht aus, ein
Umstand, den später die meisten unter dem Diktat der von der westlichen
Leitmacht vorgegebenen Politik folgsamen oder kuschenden Intellektuellen nicht
(mehr) wagten. Auch seine prononcierte Kritik am realen Sozialismus bzw.
Kommunismus gehört in diesen Zusammenhang. Weiters wären jene Stimmen zu
beachten, die wohl die USA kritisierten, aber dem Mythos Mao, des damals für
Linke vielversprechenden Vorsitzenden und Führers , kritiklos sich unterwarfen,
so dass die Millionen von Opfern, die aus seinen menschenverachtenden Maßnahmen
resultierten, einfach weggezählt oder übersehen wurden in einer selbst
verächtlichen Pseudorationalisierung.
Es mag viele, die Freud lesen oder wieder lesen, also einer
Relektüre unterziehen, überraschen, wie plausibel er die Entindividualisierung jener
erfasste und beschrieb, die sich einem Führer unterwerfen, sich ihm anvertrauen
und ihm willig folgen. Was nicht nur für die totalitären Gesellschaften von
damals galt, sondern sich eben auch in so hochentwickelten Gesellschaften wie
den USA zeigte und zeigt, was wir im sogenannten Mutterland der Demokratie,
Großbritannien mit Schrecken feststellen müssen, was die meisten moslemischen
Gesellschaften traurig unter Beweis stellen: ohne den Futterstoff der
Depravierten oder Degenerierten (bzw., um korrekt zu sein, jenen, die sich nie
zu Persönlichkeiten zu generieren vermochten, denn De-Generation setzt ja
Generation voraus!), der willigen Mitläufer, der fanatischen Aktionisten,
könnte kein Regime sich durchsetzen, wie es tatsächlich erfolgt. Freuds
Schlüsse und Erklärungen können auch gegenwärtig viel aufhellen und klären.
Einen solchen Aufhellungsversuch unternahm eben Adorno.
Even if one were to assume that archaic,
pre-individual instincts survive, one could not simply point to this
inheritance but would have to explain why modern men revert to patterns of
behavior which flagrantly contradict their own rational level and the present
stage of enlightened technological civilization. This is precisely what Freud
wants to do. He tries to find out which psychological forces result in the
transformation of individuals into a mass. »If the individuals in the group are
combined into a unity, there must surely be something to unite them, and this
bond might be precisely the thing that is characteristic of a group.« This
quest, however, is tantamount to an exposition of the fundamental issue of
fascist manipulation. For the fascist demagogue, who has to win the support of
millions of people for aims largely incompatible with their own rational
self-interest, can do so only by artificially creating the bond Freud is
looking for. If the demagogues' approach is at all realistic – and their popular
success leaves no doubt that it is – it might be hypothesized that the bond in
question is the very same the demagogue tries to produce synthetically; in
fact, that it is the unifying principle behind his various devices.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
412
Was hier massenpsychologisch und
soziologisch dargelegt wird, spricht ein zentrales Problem an: wie kommen Leute
dazu Ziele zu verfolgen, die ihren eigenen Interessen zuwider handeln, die sich
schlussendlich schädigen und schwächen? Die kapitalistische Produktionsweise,
das instrumentalisierte Konsumverhalten, die perpetuierte Unmündigkeit sind
nicht nur Begleiterscheinungen, sondern Bedingungen für den Vollzug solch
paradoxen, unvernünftigen Verhaltens. Eine Art von Egoismus, eine falsch
verstandene Freiheit aus dem Erlebnis der Pseudofreiheit des schier
unumschränkten Konsums unterstützt diese Haltung der willigen Ausrichtung und
gesellschaftlichen Affirmation.
Es gab Revolutionen und Revolten.
Es gab und gibt Aufstände. Der Faschismus war in einigen Aspekten
antikapitalistisch. Aber er war nie revolutionär. (Wobei man mit dem Begriff
der Revolution oder revolutionär vorsichtig sein sollte, da der größte Verrat
an der Emanzipation gerade durch jene erfolgte, die dieses Programm auf ihre
Fahnen hefteten, die Bolschewiki und später die Gefolgsleute von Mao Tse Dung.)
As a rebellion against civilization fascism is
not simply the reoccurrence of the archaic but its reproduction in and by
civilization itself. It is hardly adequate to define the forces of fascist
rebellion simply as powerful id energies which throw off the pressure of the
existing social order. Rather, this rebellion borrows its energies partly from
other psychological agencies which are pressed into the service of the
unconscious.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
414
Adorno schält langsam, aber
konsequent, die Linie heraus, wie er Freuds Theorie versteht und sie gegenüber
Vulgärformen und psychologistische Erklärung abgrenzt. Das politische Phänomen
ist keine Sache des ES und seiner Energien, keine bloß psychologisch zu
erklärende Verhaltensweise Einzelner, die massiert, in großer Menge, auftreten.
Adorno will, mit Hilfe Freuds, die gesellschaftlichen Bedingungen erkunden, die
eben zu diesen Phänomenen führen.
Freud dwells on the fact that in organized
groups such as the Army or the Church there is either no mention of love
whatsoever between the members, or it is expressed only in a sublimated and
indirect way, through the mediation of some religious image in the love of whom
the members unite and whose all-embracing love they are supposed to imitate in
their attitude towards each other. It seems significant that in today's society
with its artificially integrated fascist masses reference to love is almost
completely excluded.(10) Hitler shunned the traditional role of the loving
father and replaced it entirely by the negative one of threatening authority.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
414-415
Fußnote 10)
Perhaps one of the reasons for this striking
phenomenon is the fact that the masses whom the fascist agitator – prior to
seizing power – has to face, are primarily not organized ones but the
accidental crowds of the big city. The loosely knit character of such motley
crowds makes it imperative that discipline and coherence be stressed at the
expense of the centrifugal uncanalized urge to love. Part of the agitator's
task consists in making the crowd believe that it is organized like the Army or
the Church. Hence the tendency towards over-organization. A fetish is made of
organization as such; it becomes an end instead of a means and this tendency
prevails throughout the agitator's speeches.
Väterchen Stalin, der unberechenbare
Tyrann und Massenmörder, war da facettenreicher in seiner Erscheinung. Er wurde
nicht nur gefürchtet und verehrt, sondern auch geliebt. Interessant auch die
Rolle vom Führer und Vorsitzenden Mao Tse Dung, der noch mehr Tote auf dem
Gewissen hat (was völlig irrelevant ist, weil er, wie die anderen Diktatoren,
kein Gewissen hatte, das ihn gemildert hätte, sondern eines, das ihn im Bösen
bestärkte, wie auch Trump in den USA von seiner Korrektheit und seinem
"Auftrag" unkritisch überzeugt ist – wie das wohlwollende Mitwirkern
eines Teils der Massenmedien und die Mehrheit in Repräsentantenhaus bzw. Senat
(mit ganz wenigen Ausnahmen und Abweichungen) unter Beweis stellt.
It is one of the basic tenets of fascist
leadership to keep primary libidinal energy on an unconscious level so as to
divert its manifestations in a way suitable to political ends. The less an
objective idea such as religious salvation plays a role in mass formation, and
the more mass manipulation becomes the sole aim, the more thoroughly
uninhibited love has to be repressed and moulded into obedience. There is too
little in the content of fascist ideology that could be loved.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
415
Die Verwandlung der Liebe, die
Kanalisierung und Instrumentalisierung libidinöser Objektbesetzung in Gehorsam
als Form von unterwerfender Folgschaft, Gefolgschaft, zeigt schon die
Problematik des Begriffs Verantwortung und Pflicht, des Wechselbezugs von Pflichterfüllung
einerseits (man denke an Hannah Arendts Deutung von Eichmanns Verhalten als
typisch Banalem (Bösen), und dem Umerziehen des Subjekts, die re-education, wie
sie George Orwell (1903-1950) ein seiner Dystopie „1984“ schildert, wo Winston
lernt, den Großen Bruder, den Führer, bedingungslos zu lieben.
By the measures that he takes, the hypnotist
awakens in the subject a portion of his archaic inheritance which had also made
him compliant towards his parents and which had experienced an individual
re-animation in his relation to his father: what is thus awakened is the idea
of a paramount and dangerous personality, towards whom only a
passive-masochistic attitude is possible, to whom one's will has to be
surrendered, – while to be alone with him, ›to look him in the face‹, appears a
hazardous enterprise. It is only in some such way as this that we can picture
the relation of the individual member of the primal horde to the primal father
... (…)
The primal father is the group ideal, which
governs the ego in the place of the ego ideal. Hypnosis has a good claim to
being described as a group of two; there remains as a definition for suggestion
– a conviction which is not based upon perception and reasoning but upon an
erotic tie. This actually defines the nature and content of fascist propaganda.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
415
Jeder große Führer erscheint als
omnipotenter Übervater. Er kann sich auf die lange Gewöhnung an dieses
Hoffnungsbild halten, welches die Religionen seit je installiert und gepflegt
haben und weiter aufrecht halten.
Fascist agitation is centered in the idea of
the leader, no matter whether he actually leads or is only the mandatary of
group interests, because only the psychological image of the leader is apt to
reanimate the idea of the all-powerful and threatening primal father. This is
the ultimate root of the otherwise enigmatic personalization of fascist
propaganda, its incessant plugging of names and supposedly great men, instead
of discussing objective causes.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
417
Das Moment der Personalisierung, penetrant
von Hitler und Stalin, bald darauf von Mao gepflegt, wird heute in
modernisierter Form generell angewandt: es gelten immer weniger Sachverhalte,
sondern Personen, Persönlichkeiten und Kontakte (Beziehungen, Bezüge). In dem
Maße, wie diese Personalisierung voranschreitet, fortschreitet, schwächt sie
das kritische Denkvermögen, verblendet in einem Falschverständnis von
Beziehungen („likes“, Liebe, Anerkenntnis, Bedeutung) Qualität und Quantität
von Sozialem, Gesellschaftlichem und Individuellem.
Es werden ja nicht nur Namen
genannt, es wird nicht nur auf anerkannte Persönlichkeiten fokussiert, sondern
auf nationale Leistungen, auf hohe Standards und die Gefahr wegen ausländischer
Einmischung, wegen Feinden im Äußeren und Inneren, das nationale Wohl zu
gefährden, zu schmälern oder gar zu verlieren ("America first!").
Jeder Erfolg, Industrialisierung, Produktivität, Profite, dient als Ausweis und
Legitimation für den eingeschlagenen Weg, das galt für Hitler und Stalin und Mao,
der aber nicht nur wie Stalin oder Hitler jede Kritik verhinderte, sein eigenes
Land nachhaltig schwächte. Das Resultat war zwar nicht die völlige Zerstörung, wie
das Hitler für Deutschland schaffte, von dessen Regime nur die bedingungslose Kapitulation übrig blieb, der aber unfreiwillig
die Grundlagen für den ungezügelten, ausbeuterischen Kapitalismus schuf, der
die Eliten enorm reich machte und jede Kritik von außen, z. B. an den
notorischen Menschenrechtsverletzungen, effektiv eliminierte bzw. zu leeren
Worten gerinnen ließ.). Ähnliches gilt auch für eine kleine Figur wie den
Pascha vom Bosporus, Erdogan, es gilt vollinhaltlich für den Rülpel, Rassisten
und Frauenfeind Trump.
Moreover, the primitively narcissistic aspect
of identification as an act of devouring, of making the beloved object part of
oneself, may provide us with a clue to the fact that the modern leader image
sometimes seems to be the enlargement of the subject's own personality, a
collective projection of himself, rather than the image of the father whose
role during the later phases of the subject's infancy may well have decreased
in present- day society. All these facets call for further clarification. The
essential role of narcissism in regard to the identifications which are at play
in the formation of fascist groups, is recognized in Freud's theory of
idealization.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
418
Dass die Einverleibung, das Auffressen,
nicht nur für Märchengestalten gilt, sondern konkreter Teil gewisser religiöser
Ansichten und Übungen ist, beweist der heilige Akt der Kommunikation, in
welchem Gläubige, ähnlich wie Kannibalen, den Leib ihres Gottes essen, also
sich einverleiben.
This, again, falls in line with the semblance
of the leader image to an enlargement of the subject: by making the leader his
ideal he loves himself, as it were, but gets rid of the stains of frustration and
discontent which mar his picture of his own empirical self. This pattern of
identification through idealization, the caricature of true, conscious
solidarity, is, however, a collective one. It is effective in vast numbers of
people with similar characterological dispositions and libidinal leanings. The
fascist community of the people corresponds exactly to Freud's definition of a
group as being »a number of individuals who have substituted one and the same
object for their ego ideal and have consequently identified themselves with one
another in their ego.« The leader image, in turn, borrows as it were its primal
father-like omnipotence from collective strength.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S. 419
Die Massenmenschen lieben weniger
den Führter, den Übervater, als sich selbst über die Projektionsfigur, die der
Führer vermittelt. Das könnte erklären, weshalb so viele Frauen den Frauenfeind
Trump "lieben" und verehren, ähnlich jenen Frauen, die einem inneren
Strafbedürfnis folgend die Nähe oder Gemeinschaft mit Männern suchen, die sie
erniedrigen, schlagen oder missbrauchen.
Adorno spricht die Nähe der
amerikanischen Faschisten zu den Nationalsozialisten, vor denen er nach Amerika
geflohen war, unverhüllt aus. Sie gilt heute unter Trump, nach dem Niedergang
des letzten Restes von demokratischer Rechtsstaatlichkeit, mehr als je zuvor.
Freud's psychological construction of the
leader imagery is corroborated by its striking coincidence with the Fascist
leader type, at least as far as its public build-up is concerned. His
descriptions fit the picture of Hitler no less than idealizations into which
the American demagogues try to style themselves.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S. 419
Der Führer erscheint “menschlich”,
als jemand, der einerseits (schier) allmächtig ist, andererseits menschliche
Züge aufweist, gewisse Schwächen hat, also den Folgsamen, den Mitläufern, den
Unteren gar nicht so unähnlich. Trump erscheint, obwohl obszön reich, den
Bergarbeitern als einer der ihren…
One of the most conspicuous features of the
agitators' speeches, namely the absence of a positive program and of anything
they might »give,« as well as the paradoxical prevalence of threat and denial,
is thus being accounted for: the leader can be loved only if he himself does
not love. Yet, Freud is aware of another aspect of the leader image which
apparently contradicts the first one. While appearing as a superman, the leader
must at the same time work the miracle of appearing as an average person, just
as Hitler posed as a composite of King-Kong and the suburban barber. This, too,
Freud explains through his theory of narcissism.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
420
In den christlichen Religionen
stellt Jesus als Mensch gewordener Gottessohn diese normale Menschennatur dar,
die menschlich leiden und lieben kann, die als Mittler zwischen dem Vater, dem
Herrn, dem Urvater, dient und trotzdem
göttlich ist. Er ist übermenschlich und gleichzeitig menschlich. Freuds
Erklärung dieses Phänomens mit seinem Narzismusbegriff stieß von Beginn an auf
heftige Kritik der Religiösen.
Even the fascist leader's startling symptoms of
inferiority, his resemblance to ham actors and asocial psychopaths, is thus
anticipated in Freud's theory.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S. 421
Trump tritt auf als ungebildeter
Macho, ein wüster Rülpel, erscheint in seiner Körpersprache wie ein
fletschender Pavian, während ein Berufsschauspieler wie Reagan freundlich erschien
und die Strohmannfunktion des Staatsführers effektiv erfüllte. Reagan trug zur
Maskierung des Ausbeutesystems bei, während Trump die Masken fallen ließ bzw.
nie auf- und annahm. Wie man Hitlers "Mein Kampf" damals keine
entsprechende Beachtung schenkte, wird den Äußerungen Trumps und seinen Verhaltensweisen
unkritisch begegnet. Die Kollaboration von damals ähnelt jener von heute. Wer
sich wundert, dass oder wie z.B. Bergarbeiter im reichen Trump ein Vorbild, ein
positives Versprechen sehen können, sollte folgende Sätze bedenken:
Accordingly, one of the basic devices of
personalized fascist propaganda is the concept of the »great little man,« a
person who suggests both omnipotence and the idea that he is just one of the
folks, a plain, red-blooded American, untainted by material or spiritual
wealth. Psychological ambivalence helps to work a social miracle. The leader
image gratifies the follower's twofold wish to submit to authority and to be
the authority himself. This fits into a world in which irrational control is
exercised though it has lost its inner conviction through universal
enlightenment.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S. 421
Man kann im Internet die vielen
Auftritte und Beschwörungen der kleinen Leute, the great little men, der
Unterschichtler, an die Trump sich wie ein Schmierenkomödiant wendet,
nachverfolgen. Wenn man sich klar macht, dass diese dummen, verblendeten,
ungebildeten Horden einem ebenso ungebildeten, aber smarten Führer zujohlen, ihm
bedingungslos folgen, kann einem angst werden vor der Gewalt, die sich da
aufbaut. Da ist nichts zufällig oder partikular, da ist System dahinter und
darin, da zeigt sich der faschistische Kern Amerikas.
All the agitators' standard devices are
designed along the line of Freud's exposé of what became later the basic
structure of fascist demagoguery, the technique of personalization.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
421
Die Standardwerkzeuge sind alt
und erprobt. Die Wirtschaftswerbung gab die Vorlagen, die politische hat sie in
ihrer Propaganda ausgefeilt. Dass in den USA, die für viele immer noch als
demokratischer Rechtsstaat gelten, die faschistische Ausrichtung tief verankert
ist und heute gestärkt wird, zeigt sich nicht zuletzt im notorischen Rassismus
gegen Schwarze und Latinos, sondern auch im inhumanen Umgang mit Minderheiten,
im schnöden Verhalten nicht nur depravierter Unterschichtler, sondern typischer
Mittelklassevertreter, die ihr früher als paradiesisch gedeutetes Leben
gefährdet sehen und ihre Angst typischerweise nicht gegen die Hochfinanz,
Großunternehmen, Banken und Versicherer richten, die sie zugrunderichten,
sondern an Minderheiten, an Sündenböcken auslassen und dabei das Regime der
Kriegstreiber und Ausbeuter absichern und stärken.
The tendency to tread on those below, which
manifests itself so disastrously in the persecution of weak and helpless
minorities, is as outspoken as the hatred against those outside. In practice,
both tendencies quite frequently fall together. Freud's theory sheds light on
the all-pervasive, rigid distinction between the beloved in-group and the
rejected out-group.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
422
Adorno liefert noch eine
Beobachtung, die bemerkenswert ist:
Already in 1921 he [Freud] was therefore able
to dispense with the liberalistic illusion that the progress of civilization
would automatically bring about an increase of tolerance and a lessening of
violence against out-groups.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
422-423
Das erschüttert die vulgäre
Theorie, dass Wohlstand Faschismus verhindere. Wohlstand hat in den USA weder
den Ku Klux Klan verhindert, noch die faschistoide Kirche der Scientologen. Und
das Phänomen Trump wird ja nicht nur von den Unterschichtlern getragen, sondern
zuerst vom Apparat, der weite Teile der Bevölkerung über Jahrzehnte in eine
Lage brachte, die die Herausbildung des primitiven Faschisten begünstigt.
Wohlstand mindert zwar die akute Gefahr, bedarf aber zusätzlicher
Bildungsanstrengungen und einer anderen, menschenwürdigen Politik, um tiefgreifende, nachhaltige Änderungen zu
erreichen. Da dies nicht und nirgends geschieht, ist nicht zu erwarten, dass
wir bald eine menschenwürdige Gesellschaft haben werden.
»The leader or the leading idea might also, so
to speak, be negative; hatred against a particular person or institution might
operate in just the same unifying way, and might call up the same kind of emotional
ties as positive attachment.« It goes without saying that this negative
integration feeds on the instinct of destructiveness to which Freud does not
explicitly refer in his Group Psychology, the decisive role of which he has,
however, recognized in his Civilization and Its Discontent. In the present
context, Freud explains the hostility against the out-group with narcissism:
In the undisguised antipathies and aversions
which people feel towards strangers with whom they have to do we may recognize
the expression of self-love – of narcissism. This self-love works for the
self-assertion of the individual, and behaves as though the occurrence of any
divergence from his own particular lines of development involved a criticism of
them and a demand for their alteration.
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
424
Dem vernünftig Denkenden bzw. dem
aufmerksamen Beobachter haben organisierte Religionen immer schon ein
Paradebeispiel solchen Verhaltens geliefert. Allein schon die Existenz eines
Andersgläubigen oder gar Ungläubigen erzürnt den Gläubigen, rechtfertig sein
Mordprogramm, seine Maßnahmen zur Purifikation im Namen Gottes (seines Gottes).
Das beschränkt sich nicht nur auf barbarische Islamisten oder fanatische
Moslems.
The narcissistic gain provided by fascist
propaganda is obvious. It suggests continuously and sometimes in rather devious
ways, that the follower, simply through belonging to the in-group, is better,
higher and purer than those who are excluded. At the same time, any kind of
critique or self-awareness is resented as a narcissistic loss, and elicits
rage. It accounts for the violent reaction of all fascists against what they
deem zersetzend, ...
Adorno: Freudian Theory and the Pattern of
Fascist Propaganda. In: GS 8, S.
424
Die Art, wie große Teile der
Bevölkerung in Russland unter Putin Homosexuelle jagen und verurteilen, wie in
Amerika die Religiösen es vermögen, gegen Künstler und Wissenschaftler
vorzugehen, die sich kritisch äußern, wie Bibliotheken "gereinigt"
werden, neue Bücherverbrennungen stattfinden, all dies zeigt die nervöse
Abwehr, ja den tiefen Hass auf das Andere, das Fremde, das Feindliche. Das funktioniert
nicht nur in der Türkei, im Iran oder in China bzw. Russland, sondern auch in
den USA, Großbritannien und vielen Mitgliedsstaaten der EU.
Im Beitrag Adornos zu Freuds
Theorie und faschistischer Propaganda finden sich noch viele Stellen, die als
Belege anzuführen wären. Es empfiehlt sich die eigene Lektüre.
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