Mittwoch, 5. Juli 2017

Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 4. Buch 310

310.

Wille und Welle. — Wie gierig kommt diese Welle heran, als ob es Etwas zu erreichen gälte! Wie kriecht sie mit furchterregender Hast in die innersten Winkel des felsigen Geklüftes hinein! Es scheint, sie will Jemandem zuvorkommen; es scheint, dass dort Etwas versteckt ist, das Werth, hohen Werth hat. — Und nun kommt sie zurück, etwas langsamer, immer noch ganz weiss vor Erregung, — ist sie enttäuscht? Hat sie gefunden, was sie suchte? Stellt sie sich enttäuscht? — Aber schon naht eine andere Welle, gieriger und wilder noch als die erste, und auch ihre Seele scheint voll von Geheimnissen und dem Gelüste der Schatzgräberei zu sein. So leben die Wellen, — so leben wir, die Wollenden! — mehr sage ich nicht. — So? Ihr misstraut mir? Ihr zürnt auf mich, ihr schönen Unthiere? Fürchtet ihr, dass ich euer Geheimniss ganz verrathe? Nun! Zürnt mir nur, hebt eure grünen gefährlichen Leiber so hoch ihr könnt, macht eine Mauer zwischen mir und der Sonne — so wie jetzt! Wahrlich, schon ist Nichts mehr von der Welt übrig, als grüne Dämmerung und grüne Blitze. Treibt es wie ihr wollt, ihr Uebermüthigen, brüllt vor Lust und Bosheit — oder taucht wieder hinunter, schüttet eure Smaragden hinab in die tiefste Tiefe, werft euer unendliches weisses Gezottel von Schaum und Gischt darüber weg — es ist mir Alles recht, denn Alles steht euch so gut, und ich bin euch für Alles so gut: wie werde ich euch verrathen! Denn — hört es wohl! — ich kenne euch und euer Geheimniss, ich kenne euer Geschlecht! Ihr und ich, wir sind ja aus Einem Geschlecht! — Ihr und ich, wir haben ja Ein Geheimniss!

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