Zum Tag der Lyrik am 4. März eine kleine
Auswahl von Gedichten aus DRIESCH – Zeitschrift für Literatur & Kultur
Ilse Krüger−Sklenicka,
noch trabt die
hoffnung bloßfüßig
durchs feuchte laub
bald aber wird sie sich
im dachsbau verkriechen
erst wenn die sonne
die winternassen
wege getrocknet
wird sie ihre
höhle verlassen
im freien fall
nach deiner hand gegriffen
trotzdem
nach deiner hand gegriffen
als könnte
durch das ineinanderkrallen
unserer finger
die zeit genötigt werden
anzuhalten
Wolfgang Wurm
Ich und eine Insel
Dass ich Dir
Eine Insel gewesen
Bestritt ich vor der See
Bis zuletzt
Nannte ich doch
Keine Erde mir eigen
Und strandend
Begrubst du mich mit
Der ich selbst
Auf kein Festland baute
Zu Marschland mutiert
Der Tide zuvorkam
Gabriele
Frings
wasser und eis
der harsche schritt
fräst sich durch neuschnee
sein stiefel großspurig
garantiert trittsicherheit
nur die wolke verrät
den ort des kauerns
angehalten den atem
im ratternden schweigen
stillgestanden am abzug
die finger knopfdruck
undblindundtaub
am abend der himmel
krümmt sich ins rot
ergibt er sich
den bildern und lauten
rotieren im dämmer
bis mondlicht zittert
auf seiner wimper grenze
zwischen wasser und eis
Kathrin B. Külow
unwirkliches weiss erstarrte
fläche
aus der wie tote gräser ragen
die säulen der alleen als
schatten
worte finden für durchsonnte
tage
als saft aus ihnen tropfte
traf sie der stahl
neugieriger
die süchtig wurden an der
süße
zugVögel
keil
den sie vorwärts treiben
stummes land
über der grundzahl blau
und weiß die ebene
eingeschnitten die linien
der saaten der abfolgen
verschüttungen
oben ihr schneidender ruf
in die kälte
René
Oberholzer
Sommernächte
In
der Eiszeit
Werden
die Zungen der Frauen
Besonders
lang
Die
Männer ergeben sich
Und
schmelzen
Reihenweise
dahin
Wolfgang Straßnig
wie
langsam
der schnee
fällt
ins tiefe
des traums
ins bodenlose
des weißen
zerfallenen
raums
Silvia Waltl
die liebe in zeiten des
hochwassers
(berlin kurfürstendamm)
(berlin kurfürstendamm)
taubentag
in graublau dieses gezogen-
& gestoßenwerden durch korridore
arminarm wangeanwange fluten sie
mit dem treibholz in den flüssen
hin zu fernen meeren
& gestoßenwerden durch korridore
arminarm wangeanwange fluten sie
mit dem treibholz in den flüssen
hin zu fernen meeren
im
wagengewimmel fremdbestimmte
körper ausgerichtet nach den orten
die sie kennen oder imaginieren
man wird schwer einig mit sich selbst
lallend von liebe oder alkohol
von wiedersehen oder abschied
zwischen zu viel oder zu wenig gepäck
eine fußbreit leben & atemreste
eine straße ist kein platz du nicht
FK ich nicht FB der richtige name
an der falschen adresse mit knirsch-
holz lustern staub & schwerem
samtbehang der ungelegene
gedankensprünge dämpft
die nie geschriebenen briefe knistern
& nadeln in den kopf wie kühle kiefern
im park am übergang zur nacht
körper ausgerichtet nach den orten
die sie kennen oder imaginieren
man wird schwer einig mit sich selbst
lallend von liebe oder alkohol
von wiedersehen oder abschied
zwischen zu viel oder zu wenig gepäck
eine fußbreit leben & atemreste
eine straße ist kein platz du nicht
FK ich nicht FB der richtige name
an der falschen adresse mit knirsch-
holz lustern staub & schwerem
samtbehang der ungelegene
gedankensprünge dämpft
die nie geschriebenen briefe knistern
& nadeln in den kopf wie kühle kiefern
im park am übergang zur nacht
mit
abendsonne beworfene wolken
durchschwimmen die stelle wo der himmel
am engsten ist & branden an den
verbrauchten sandstein der fassaden
die spielen unbeeindruckt ihr programm
aus sockeln säulen & gesichtern
an meinen masken zerrt der wind &
schiebt mich durch die straßen die
sind unbeholfen breit & leer
in die sonntagsbrache der geschäfte
zu engeln mit verschlossnen flügeln
zu ausgehöhlten kirchen kühlen kacheln
unterm heißgelaufenen asphalt
an jeder ecke lauern zerreißproben fürs herz
irgendwo hinterm buchengrün tönen schwere
glocken & übers viadukt knattert die bahn mit hellen
vierecken die wie ich in dunkle fernen streben.
durchschwimmen die stelle wo der himmel
am engsten ist & branden an den
verbrauchten sandstein der fassaden
die spielen unbeeindruckt ihr programm
aus sockeln säulen & gesichtern
an meinen masken zerrt der wind &
schiebt mich durch die straßen die
sind unbeholfen breit & leer
in die sonntagsbrache der geschäfte
zu engeln mit verschlossnen flügeln
zu ausgehöhlten kirchen kühlen kacheln
unterm heißgelaufenen asphalt
an jeder ecke lauern zerreißproben fürs herz
irgendwo hinterm buchengrün tönen schwere
glocken & übers viadukt knattert die bahn mit hellen
vierecken die wie ich in dunkle fernen streben.
Michaela Davin
Blätterschatten
Hinter den Sträuchern
erdbeerrot duftend und
nebelschwer
schattige Netze spinnend
fand ich ihn
der mich fragte
nach unseren Gebräuchen und Sitten
Nach den rasenden Zeigern
Nach den traurigen hallen des Ruhmes
Als ich schweig
Und ging,
von grauen Schleiern begleitet,
da holte er mich ein,
mit sanften Schritten,
die trüben Schwaden verjagte er
die Tropfen auf meiner Haut zählte er
und hüllte mich
mit zitternden Fingern
in das schattige Netz
aus rotem Dunst
Leni Nusko
flockig und
im riesellicht
dein abdruck
im schnee.
gehst nicht:
hüpfst mehr.
das kristalline
in dir
wird flüssig –
strömt
Blau und Rot
ins Weiß
der schneefelddecke.
Franz Blaha
Weeche Fiass
Fua
oosdan
hod en
heanoes
da
kafarebeag offn.
In da
midtn
faun
kafarebeag
schdäd a
safnblosnmaschiin,
und de mochd en gaundsn dog
safnblosn,
und de safnblosn kossn
iwahaubd niggs.
De baamgragsla,
desd aum kafarebeag kaufn kaunsd,
kossn
drei schüüling.
Und a so
a baamgragsla
kau
ollawäu nua owegräun,
und schäwan
duad a dabei.
Mama,
biddä drog me!
Meine fiass
damma schau wää
und faun
gigalfuada und de maraune
is ma
gaunds schlächd.
Aum
heanoesa friidhof
is a grob,
waunsd do hiwüssd,
muasd
genausoweid auffe,
wiaraum
kafarebeag.
Do siggsd
jedä wochn
an mau,
dea
seinä oedn brodsn
en sein
oedn kabpe faschdeggd.
Waunarauffe
gäd,
griagd a
ka lufd mea,
und
waunarowä gäd,
schäwan
eam de gnia,
und wauna duadtn schdäd,
is a gaunds schdaad,
wäu daun head a
fau weid
fuadt
a
schdimm:
Maamma,
bidde
droog me,
meine fias
damma schau wä.
Aum
kafarebeag
san
schau olle safnblosn dsablodsdt,
es
riachd nua mea noch langosch,
und mia
is schau gaunds schlächd.
Wolfgang Ratz
Die Rutsche der Zeit
ein Brunnen spielt
sein
Metaphernkarusell
der Park ist
versperrt
die Stimmen
verwachsener Kinder
fallen von Schale zu
Schale
zittern von Blatt zu
Blatt
von keinem zu
schreiben
zu träumen von jedem
das ist die Rutsche der
Zeit
die Schaukel der
Worte
der Brunnen spielt
ohne Publikum
nicht minder virtuos
der Applaus des
Vergessens genügt
die Bilderhutsche,
das versäumte Gedenken
Hatschi Bratschi
Bierbaron
ein Schießbudentrick
im Schneckenwald
unmögliche Passanten
violett aufgedunsen
von keinem zu
schreiben
zu träumen von jedem
dieser Schrei wurde
nie geschrien
der Park ist
versperrt
das
Gebet ist kein gültiger Code
Joanna Lisiak
Heute in der Bäckerei
(die Paillasse-Brötchen)
Als
ich sie daliegen sah im Körbchen
ins
weisse Gewebe gehüllt an manchen Stellen
lugend
durchs zerstreute Mehl hindurch zu mir
war
es um mich geschehen ob all der duftenden unschuldig anmutenden Gebäcksbäckchen.
Vor
Entzücken machte ich einen linkischen Witz
die
Bäckersfrau ging vielleicht aus reiner Routine
nicht
darauf ein was den Scherz umso komischer machte weil er zurückprallte
unverhofft wie so oft
wenn
das eine aufs andere trifft
in
der Schräge in der Früh in zwei Rollen.
Nah
beieinander noch warm stracks aus dem Ofen ruhten sie da mollig geduckt manche
kauernd
hinter
den anderen geborgen ich habe mir verständlich so ein knuspriges Teil sogleich gesichert
es
wird in mich hinein gehen sämtlich und ich freue mich
als
ich es anbeisse mit Gefühl schweife ich in Gedanken
zu
den anderen sehe wie sie dort friedlich weilen
im
Körbchen mundwarm und denke mir
die
haben’s aber gut dort.
Martin Dragaosits
KONSEQUENZ
Ich
spüre nur zu gut
dass sie mich gerne denunzierten
und sogar mal brennen ließen
weil mein Wort
in freier Form
den Bogen überspannt
dass sie mich gerne denunzierten
und sogar mal brennen ließen
weil mein Wort
in freier Form
den Bogen überspannt
der
zwischen Sonntagszeitung
Bier und einem Lied
im Wirtshaus
gemeingewöhnlich
dargeboten werden darf
Bier und einem Lied
im Wirtshaus
gemeingewöhnlich
dargeboten werden darf
Ich
übertreibe
bin verdächtig
ganz allein
durch Gegenwart
bin verdächtig
ganz allein
durch Gegenwart
ich
lebe liebe schreibe
weil mein Gewissen
es verlangt
weil mein Gewissen
es verlangt
Monika Vasik
alltägliche
fingergebiete
und deine hände
linien falten runzeln
lesen dazwischen
vollkommen
aufgeblättert
zeit und erfahrung
wie landschaften
im lebensbuch haut
es knittert
blinde Spiegel
hüllenlos ganz
wunschharmonisch
haut einander wieder
bloß
angeblättert
nicht buchstabiert
nicht liebrasend
nicht sachtgerecht
Teil für Teil
uneins
im Splittern
so fasernackt
aneinander vorbei
atmen
Nahid
Bagheri–Goldschmied
Der
Papierdrache
Staatsbürger
der Verzweiflung bin ich:
ein Papierdrache mit zerrissenem Faden,
der, im Niedersinken
durch zornigen Wind weggedrängt,
von Zeit zu Zeit plötzlich
bis zum Sonnenpalast hochfliegt.
Die Nacht breitet ihre Farben über die Stadt.
In welchen Gassen und Siedlungen spazierst du herum?!
Du! Mutwilliges Kind des Schicksals!
Wann zähmen deine Hände wieder
die Fäden dieses Papierdrachens?!
Über welchem Haus kannst du
die Fahne meiner winzigen Freude hissen?
Kennst du ein Dach?!
ein Papierdrache mit zerrissenem Faden,
der, im Niedersinken
durch zornigen Wind weggedrängt,
von Zeit zu Zeit plötzlich
bis zum Sonnenpalast hochfliegt.
Die Nacht breitet ihre Farben über die Stadt.
In welchen Gassen und Siedlungen spazierst du herum?!
Du! Mutwilliges Kind des Schicksals!
Wann zähmen deine Hände wieder
die Fäden dieses Papierdrachens?!
Über welchem Haus kannst du
die Fahne meiner winzigen Freude hissen?
Kennst du ein Dach?!
Haimo L. Handl
draußen, dort, war niemand
drinnen, hier, war ich
heute bin ich woanders und rede von damals
erinnere mich an das drinnen
das drinnige
den heimeilgen raum
heute bin ich draußen
drinnen, hier, war ich
heute bin ich woanders und rede von damals
erinnere mich an das drinnen
das drinnige
den heimeilgen raum
heute bin ich draußen
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