Was soll man (noch) lesen? Wie steht es mit den Klassikern
oder einfach „alter Literatur“? Lohnt es sich, überhaupt Altes zu lesen, Zeit
dafür aufzuwenden? Was hat einem Deutschsprachigen heute ein Goethe zu sagen oder
Wieland, Schiller oder Heine, Hofmannsthal oder Hesse, Grass oder Karl May,
Borchardt oder Heyse, Keller oder Spitteler, Wassermann, Raabe oder Walser, der
Deutsche oder der Schweizer, gleichwie, Frisch oder Dürrenmatt, wie bei den Weimarern fast immer im Duo genannt, aber auch Matt oder Ingold oder Krüger oder Kafka oder Tucholsky zu sagen?.
Deutsche oder der Schweizer, gleichwie, Frisch oder Dürrenmatt, wie bei den Weimarern fast immer im Duo genannt, aber auch Matt oder Ingold oder Krüger oder Kafka oder Tucholsky zu sagen?.
Hat irgendwer von ihnen unsereinem noch etwas zu sagen? Soll
man sich mit ihrer altertümlichen Sprache abmühen? Müsste man nicht, wie es die
smarten Regisseure und Neudeuter unternehmen, die Stoffe sprachlich umarbeiten,
dem heutigen Stil oder Jargon anpassen, damit wenigstens irgendetwas rüberkommt
von ihren Geschichten?
Bei den Wissenschaftlern oder Philosophen ist es noch
brisanter, noch ärger. Wer verträgt das Gesülze eines Adornos gleichermaßen wie
jenes des von ihm ob seines Eigentlichkeitsjargons gescholtenen Heidegger? Wer
verträgt die Schwulst des einsamen Nietzsche, das Altkluge eines Freud oder das
bemühte Gelehrtendeutsch eines Habermas, nicht zu sprechen vom Gestammel eines
Luhmann und Konsorten?
Sollen die misanthropen Schimpfkanonaden des „Übertreibungskünstlers“
Bernhard uns genügen?, Mitfreude an
seinen Verleumdungen und Hetztiraden, weil man’s zwischenzeitlich so gewohnt
ist von den braunen Horden? Soll die Bachmann zum Maßstab und zur
Orientierungsmarke werden? Wirklich nichts Gehaltvolleres da?
Sind aber die Heutigen besser in Sprache und Stil, in
Denkschärfe und Formulierung? Soll das Geschreibe eines Kehlmann, Geiger, einer
Goby oder Janesch genügen, sollen wir einen Schmalz ernst nehmen? Darf man
immer noch einer Eva Menasse vertrauen und einem Jan Wagner, der Lange-Müller
oder dem berühmten Hein oder dem Trojanow
oder dem Alemannen Köhlmeier, dem Altmeister Ransmayr oder dem Grieser, der
Rinderer oder der Zeh? Ach, so viele, überviele gute, ganz gute,
außerordentlich gute Autorinnen und Autoren tragen am flinken Markt effektvoll
zur rasanten Alterung durch Neuerung und neueste Neuerung bei. Weshalb also
nach hinten oder unten blicken? Zurückblicken, als ob man rücksichtsvoll sei? Reicht
es nicht schon, rechts und links zu schauen und nach vorne? Sollten wir nicht
endlich die neuesten Literaturen, die allerneuesten Philosophien auf unsere smart
phones und tabletts laden, jene, die noch nicht geschrieben sind, aber als
formierte Zeichenensembles schon im Kosmos schweben, nur darauf warten, von den
Managern des zeitgenössischen Denkens und Literarisierens aufgefangen und
umgewandelt zu werden, damit die Stoffe systemgerecht uns häppchenweise, wie
wir‘s in den Abrichtungen lernen durften, verabreicht werden?
Goethe light, ähnlich den neuesten Lightversionen eines
Shakespeare, den auch niemand mehr im Original liest! Oder, zum aktuellen
Beispiel, Horvaths „Jugend ohne Gott“ adaptiert, damit die jugendlichen
Kinogeher abgeholt werden, wo sie dahinvegetieren, damit sie in ihrem
Wertsystems Horvath mitkriegen, wie es sich der Gsponer vorstellt: Horvaths
Sprache taugt nichts, der Stoff ist altertümlich. Er putzt ihn auf. Warum sucht
er ihn überhaupt aus? Weil er vom Namen profitieren will, weil er nichts Eigenes
zu kreieren vermag. Weil er fleddert. Weil sein Unvermögen als zeitgenössische
Interpretation hingenommen und angenommen wird. Weil er damit Erfolg hat.
Das Pochen auf Neudeutsch oder Neusprech, Aktualität und Modernität
hilft der purifizierenden Strukturierung, einer Lenkung und Zensur von Altem
und Lästigem. Bald werden die Jungen keine Alten mehr lesen können, weil ihnen
die Sprache jenseits ihres Jargons zu komplex, zu fremd geworden sein wird.
Schopenhauer? Igitt! Heidegger? Ja nicht! Sartre? Aus und vorbei. Kein Peirce,
kein Mill, kein Weber oder Bordieu, kein Whitman oder Thoreau, kein Racine oder
Gide. Schauen Sie mal in die Liste der bisherigen Nobelpreisträger fürLiteratur. Wer von den Gepriesenen wird heute noch gelesen, ist noch bekannt?
Ganz, ganz wenige. Also, was soll das Theater?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen