Zwei alte Titel, aber immer noch interessant; beide Bücher (und einige andere der Autoren) liegen in unserer Bibliothek auf!
Franz Tumler:
Volterra
Wie entsteht Prosa
Nachwort von Rudolf Hartung
Frankfurt/M., Suhrkamp 1962 (es 108)
Peter Weiss:
Rapporte
Frankfurt/M., Suhrkamp 1968 (es 276)
Franz Tumler (1912-1998), früh schon Nazi (NSDAP-Mitglied, publiziert in Nazi-Organen, hat während der Nazizeit hohe Auflagen in Hiterldeutschland), später dann, als der Zusammenbruch klar war, Abwendung. Nach dem Krieg beispielhafte Karriere im Kulturbetrieb, wo die frühere völkische Gesnnung keinen Makel darstellte.
Heute wird ein Preis nach ihm benannt. Wenigstens leugnet man nicht sein zeitweiliges Nazitum, wie es noch zur in den Sechzigerjahren der Fall war. Im hier genannten Buch wird mit keinem Wort der braune Fleck erwähnt, konzentriert sich alles auf Literatur und Sprache.
In der neueren Zeit wurde "aufgearbeitet" und "bewältigt". In der Internetseite "Franz Tumler Literaturpreis" heißt es im Absatz "Würdigung":
"Franz Tumler war in der ersten Phase seines literarischen Schaffens ein Sympathisant der NS-Ideologie. Zu jener Zeit waren seine Werke stilistisch stark von Adalbert Stifter beeinflusst und hatten, wie auch später häufig, seine Südtiroler Heimat zum Schauplatz. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzte sich Tumler in einigen zeitgeschichtlichen Romanen mit dem Dritten Reich auseinander, was zu seiner allmählichen Rehabilitation bei der zeitgenössischen Kritik führte. Ende der 1950er Jahre nahm Tumlers Skepsis gegenüber der herkömmlichen, realistischen Literatur zu, er wandte sich von der Position des allwissenden Erzählers ab und ging über zu einer von der literarischen Moderne, vor allem vom Nouveau roman beeinflussten, Erzählweise. Nach einem Schlaganfall 1973 veröffentlichte Tumler nur noch sporadisch neue, vorwiegend lyrische Arbeiten und geriet daher bei der literarischen Öffentlichkeit weitgehend in Vergessenheit. Spätestens seit den 1990er Jahren hat jedoch eine Neuentdeckung eingesetzt, und heute gilt Tumler als bedeutender Autor sowohl der Südtiroler als auch der österreichischen Nachkriegsliteratur. Zu seinen Ehren wurde der Franz-Tumler-Literaturpreis benannt."Ob einer Nazi oder Stalinist war, soll ihn nicht exkommunizieren. Wir hören Wagner, obwohl er antisemitische Schriften verfasste, einige denken die Philosophie Heideggers, obwohl er Antisemit und Nazi war, einige lesen Hamsun, andere sowjetische Autoren oder lassen sich von Elogen und Parteinahmen für Stalin von westlichen Autoren und Philosophen nicht beeindrucken (Bloch, Brecht & Co.). Warum also bei kleinen Nazis besonders pingelig sein? Weinheber hat sich umgebracht, Benn erhielt den Büchnerpreis und die Gruppe 47 lachte Celan aus.
Die Erzählung VOLTERRA ist lesenswert und die Betrachtung über Prosa hoch interessant. Sie lässt sich in Kontrast stellen zum Text "Laokoon oder Über die Grenzen der Sprache", den der marxistische Schriftseller Peter Weiss, der, als die Nazis an die Macht kamen, emigrierte, hier mit anderen gewichtigen Beiträgen offeriert (besonders lesenswert sein "Gespräch über Dante").
Peter Weiss (1916-1982) hat spät zu schreiben begonnen, aber rasch eine interessierte Leserschaft elektrisiert. Seine Dramen wurden im Westeen mehr als im Osten gespielt. Sein WErk ist sehr umfangreich, seine Stellung in der Literaturgeschichte fest verankert.
In einem Text zu einer Gedenksendung 2007 im Deutschlandradio ist zu lesen:
In Erinnerung geblieben ist vor allem Peter Weiss' Romantrilogie "Ästhetik des Widerstands". Dass der 1918 in Babelsberg bei Potsdam als Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten geborene Weiss zuerst als Maler und Grafiker debütierte, bevor er der viel beachtete politische Schriftsteller wurde, ist weniger bekannt.
Als Marxist wurde er im Westen skeptisch beäugt, und im Osten als Kritiker des Stalinismus und der real existierenden sozialistischen Verhältnisse. Peter Weiss hatte die 40 schon überschritten, als 1960 zum ersten Mal ein Buch von ihm in Deutschland erschien. Mit den autobiografischen Romanen "Abschied von den Eltern" und "Fluchtpunkt" und den großen politischen Dramen wie "Marat / Sade" gelang ihm der Durchbruch.
Erst in den vierziger Jahren begann er zu schreiben. Sein dritter Roman "Das Gespräch der drei Gehenden" (1963), die von einem Heimatlosen handelt, sorgte in der "Gruppe 47" für Diskussionsstoff. Keins seiner Werke ist allerdings so bekannt geworden wie die Romantrilogie "Ästhetik des Widerstands", deren drei Teile 1975, 1978, 1981 erschienen. Sie spiegelt Weiss' eigene Entwicklung, der in den 60er Jahren Marxist und auch Mitglied der schwedischen Kommunistischen Partei geworden war.
Eine interessante Gegenüberstellung: rechts & links, fast gleiche Generation, Tumler 1912, Weiss 1916 geboren. Höchst ungleiche Arbeiten von ungleichen Autoren.
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