Dienstag, 19. Juni 2012

Werner Schönolts Malerei

Gustav Ernst
Schönolt und die Malerei

Anläßlich der Eröffnung der Ausstellung „Werner Schönolt. Landschaften“ im Bezirksmuseum Margareten am 14. Juni 2012.


Werner Schönolt & Gustav Ernst (Foto Werner Macho)  
Werner Schönolt als Maler hab ich im Theater kennengelernt. Das heißt in der Vorbereitung zur Aufführung meiner Stücke. Als Vorschein, als vorweg erscheinendes, erstes Bild dessen, was auf der Bühne sichtbar werden wird, als erste bildhaft konkretisierte Imagination dessen, als erster Versuch, mit Farben und Formen einen Raum zu konstruieren, in dem dann mein Stück stattfinden sollen. Werner hat ganze Szenen gemalt. Aber vor allem hat er die Figuren aus meinen Stücken gemalt, sie mir sehr genau vorgeführt, wie er sie sah. Und ich hab meine Figuren nicht wieder erkannt. Aber ich hab mir eingestehen müssen, ich hab sie vorher auch noch nie gesehen gehabt, so vollständig, so mit Nasen und Ohren und mit speziellen Haartrachten, mit Röcken, Knöpfen, Hemdkrägen und Schuhen, und vor allem nicht so farbig. Ich war ziemlich perplex: So sehen also meine Figuren aus, dachte ich mir, so schauen sie drein, solche Dinge haben sie an, wenn sie reden, was sie reden, und wenn sie tun, was sie tun.
Gustav Ernst trägt vor (Foto Werner Macho)
Werner hat also am und für das Theater auch schon BILDER gemalt und nicht nur Bühnenbilder. Und daß er auch Bilder gemalt hat, diesseits oder jenseits des Theaters, hab ich erst später erfahren, und, wenn ich mich nicht täusche, hat er dieses Bildermalen in den letzten Jahren um einiges intensiviert. Ständig höre ich, wenn ich ihn frage: Und, was ist deine nächste Produktion?, ich fahr jetzt ins Burgenland malen. Er fährt offenbar ständig ins Burgenland malen. Nur gelegentlich macht er einen kleinen Umweg über ein Theater – auf den Weg ins Burgenland. Werner sagt, auf dem Theater bin ich nicht allein, da male ich eben so, wie ich male, wenn ich nicht für mich allein male. Im Burgenland bin ich allein, da male ich, wie ich male, wenn ich für mich allein male. Und er will offenbar immer stärker das malen, was er für sich allein malen will.


Und was malt er da? Landschaften, Bäume, Steine. Ich habe mir gedacht: Wieso malt ein Mensch nur Steine? Wieso malt ein Mensch wie Werner, wenn er allein ist und für sich malt, nur Steine? Dann habe ich mir die Steine genauer angesehen, die Werner malt, und da ist mir plötzlich, mit einem Schlag, wie aus heiterem Himmel, ein schreckliche Verdacht gekommen: Es sind vielleicht gar keine Steine. Und der Verdacht hat sich für mich erhärtet. Und es wird für jeden so gut wie unmöglich sein, selbst für Werner, mich davon abzubringen: Es sind keine Steine! Es geht nicht um Steine! Es sind keine Steine! Es geht nicht Steine.

Dabei sind es natürlich Steine. Sieht doch jeder. Und doch hab ich den Eindruck, Werner geht es nicht um die Steine, sondern um die Form, um Formen, die die Natur vorgibt. Die aber danach schreien, bearbeitet zu werden. Die Werner nicht so einfach der Natur überlassen will. Werner sagt sich, sage ich: Ich als Mensch laß mir von der Natur doch nicht vorschreiben, was eine Form ist. Wie Steine auszusehen haben. Ich habe selber eine Vorstellung davon. Die Natur soll zur Abwechselung einmal meine Form spüren, zu spüren bekommen. Ich bin auch noch da. Ich hab da auch noch mitzureden. Und  Werner redet da ziemlich fest mit.

Wie er mir erzählt hat, arbeitet er nach Fotos. Skizziert, was er auf dem Foto sieht, noch einmal und noch einmal, erarbeitet sich mithilfe des fotografierten Gegenstands eine eigene Form des Gegenstands, erarbeitet sich den fotografierten Gegenstand als gezeichneten Gegenstand. Er bearbeitet und bearbeitet, zeichnet drüber, malt drüber, übermalt auch die Fotos, wenn sie nicht entsprechen. Und sie entsprechen prinzipiell nicht, da können sie noch so großkotzig tun mit ihrem Realismus, als entsprächen sie. Er montiert mehrer Fotos und dann zeichnet er. Nach vielen Skizzen und Zeichnungen malt er und übermalt er. Er arbeitet sich also mühevoll und aufsässig seine eigenen Steine heraus aus den Steinen, bis er das Gefühl hat, ja, jetzt sind sie nahe genug bei mir und weit genug von der Natur weg.

Denn es gibt ja nichts naturbelassen Steinartiges auf den Steinen. Kein Moos, keine Käfer, keinen Sand, keinen Wurm. Nur Formen. Und, was mir dann auch aufgefallen ist, ganz spezielle Formen. Weiche Formen. In einem ganz speziellen weichen Weiß. Weiße oder weißliche weiche Rundungen, Wölbungen, eher fleischliche Oberflächen. Fleischformen. Ja, es gibt auch Spitzes und Schroffes. Aber auch das erscheint mir eher wie offenes Fleisch mit Kochenstücken, Knochenspitzen. Als ob der fotografierte, sogenannte echte Stein mit den vielen Stadien formaler, auch materiale Bearbeitung – Bleistift, Feder, Farbe -, auch seine Steinhaftigkeit verlieren würde, und mit der zunehmenden Nähe zum Menschen auch zunehmend menschliches Material annehme, eben Fleisch, Knochen. Die Steinbilder sehen für mich aus wie ineinander verschlungene Körperstücke, Fleischstücke. Knochenstücke. Zum Teil im Wasser liegend – als Kontrast. In manchen Bildern, in manchen Details, glaube ich auch tatsächlich Körperteile zu erkennen. Auch bei manchen Landschaftsbildern kommt mir vor, das ist kein Berg, das sind keine Bäume, keine Gräser, das ist ein Stück menschliche Körperoberfläche mit Haaren drauf. Aber vielleicht ist nur meine Einbildungskraft etwas zu übermütig geworden.

Vor allem aber sind diese Stein- und Wasserbilder für mich überaus meditativ. Der Blick ruht sich aus auf den weichen Steinen. Das Gehetze in meinem Inneren sinkt in sich zusammen. Die Steine sind zutraulich, vertrauenserweckend, sie laden ein, man kann sich an sie anlehnen.

Das Meditative finde ich vor allem auch in den Baumbildern, Baumgruppenbildern, in diesen angenehm dunkel gehaltenen, vollkommen unnatürlichen Farbtönen. Da sind es auch die Formen, die Werner sich mühsam von der Natur weg in sich, in seine Welt hineinarbeitet, das ist deutlich. Aber deutlich ist auch das stark Meditative, die Stimmung, die Werner aus der realen fotografischen Natur herausarbeitet und innerhalb des Bildes wieder in sie hineinarbeitet. Eine unnatürliche Farbe, mit der uns Werner das Meditative, das wir durchaus in der Natur finden, extrem konzentriert in einem kleinen Bild anbietet. Das Bild ist übervoll davon. Es platzt damit aus allen Nähten. Ich kann mich dem nicht entziehen. Die Arbeit, die ich ansonsten leisten muß, um in diesen meditativen Zustand zu kommen – Rucksack packen, mit dem Auto hinausfahren, in den Wald gehen, schwitzen, den passenden Platz finden -, hat mir Werner abgenommen. Statt mir hat er geschwitzt. Ich brauch mich nicht anstrengen, ich habe das Konzentrat an der Wand hängen. Das Bild kommt mir, kaum schaue ich es ein bisschen länger an,  auch schon entgegen auf halbem Weg. Und trotzdem bleibt alles darin entfernt und unerreichbar. Und trotzdem fordert es mich zugleich auf, es zu betreten, und versichert mir, das Unerreichbare wäre durchaus zu erreichen. Ich müsse mich nur etwas bemühen.

Damit bin ich schon am Ende mit meinen eigenwilligen, sicher etwas abstrusen Phantasien zu Werners Bildern. Aber es hat mir Spaß gemacht. Ich dachte mir: Wie sich Werner über meine Figuren hergemacht hat und sich daraus eigene Bilder erschaffen, so mache ich mich über seine Bilder her und erschaffe mir daraus meine eigene Literatur.

Und nun möchte ich Sie Ihrerseits einladen, meine Damen und Herren, Ihre eigenen eigenwilligen Phantasien zu entwickeln, anhand von Werners Bildern. Haben Sie keine Angst. Trauen Sie sich. Wir sind ja unter uns. Und es tut gar nicht weh.

Herzliche Gratulation zur Ausstellung, liebe Werner, und viele Verkäufe!

Werner Schönolt & Haimo L. Handl (Foto Werner Macho)

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