Gustav Ernst
Schönolt
und die Malerei
Anläßlich
der Eröffnung der Ausstellung „Werner Schönolt.
Landschaften“ im Bezirksmuseum Margareten am 14. Juni 2012.
Werner Schönolt als Maler hab ich im Theater kennengelernt. Das heißt in der
Vorbereitung zur Aufführung meiner Stücke. Als Vorschein, als vorweg
erscheinendes, erstes Bild dessen, was auf der Bühne sichtbar werden wird, als
erste bildhaft konkretisierte Imagination dessen, als erster Versuch, mit
Farben und Formen einen Raum zu konstruieren, in dem dann mein Stück
stattfinden sollen. Werner hat ganze Szenen gemalt. Aber vor allem hat er die
Figuren aus meinen Stücken gemalt, sie mir sehr genau vorgeführt, wie er sie
sah. Und ich hab meine Figuren nicht wieder erkannt. Aber ich hab mir
eingestehen müssen, ich hab sie vorher auch noch nie gesehen gehabt, so
vollständig, so mit Nasen und Ohren und mit speziellen Haartrachten, mit
Röcken, Knöpfen, Hemdkrägen und Schuhen, und vor allem nicht so farbig. Ich war
ziemlich perplex: So sehen also meine Figuren aus, dachte ich mir, so schauen
sie drein, solche Dinge haben sie an, wenn sie reden, was sie reden, und wenn
sie tun, was sie tun.
Werner hat also am und für das Theater auch
schon BILDER gemalt und nicht nur Bühnenbilder. Und daß er auch Bilder gemalt hat,
diesseits oder jenseits des Theaters, hab ich erst später erfahren, und, wenn
ich mich nicht täusche, hat er dieses Bildermalen in den letzten Jahren um
einiges intensiviert. Ständig höre ich, wenn ich ihn frage: Und, was ist deine
nächste Produktion?, ich fahr jetzt ins Burgenland malen. Er fährt offenbar
ständig ins Burgenland malen. Nur gelegentlich macht er einen kleinen Umweg
über ein Theater – auf den Weg ins Burgenland. Werner sagt, auf dem Theater bin
ich nicht allein, da male ich eben so, wie ich male, wenn ich nicht für mich
allein male. Im Burgenland bin ich allein, da male ich, wie ich male, wenn ich
für mich allein male. Und er will offenbar immer stärker das malen, was er für
sich allein malen will.
Und was malt er da? Landschaften, Bäume,
Steine. Ich habe mir gedacht: Wieso malt ein Mensch nur Steine? Wieso malt ein
Mensch wie Werner, wenn er allein ist und für sich malt, nur Steine? Dann habe
ich mir die Steine genauer angesehen, die Werner malt, und da ist mir
plötzlich, mit einem Schlag, wie aus heiterem Himmel, ein schreckliche Verdacht
gekommen: Es sind vielleicht gar keine Steine. Und der Verdacht hat sich für
mich erhärtet. Und es wird für jeden so gut wie unmöglich sein, selbst für
Werner, mich davon abzubringen: Es sind keine Steine! Es geht nicht um Steine!
Es sind keine Steine! Es geht nicht Steine.
Dabei sind es natürlich Steine. Sieht doch
jeder. Und doch hab ich den Eindruck, Werner geht es nicht um die Steine,
sondern um die Form, um Formen, die die Natur vorgibt. Die aber danach
schreien, bearbeitet zu werden. Die Werner nicht so einfach der Natur
überlassen will. Werner sagt sich, sage ich: Ich als Mensch laß mir von der
Natur doch nicht vorschreiben, was eine Form ist. Wie Steine auszusehen haben.
Ich habe selber eine Vorstellung davon. Die Natur soll zur Abwechselung einmal
meine Form spüren, zu spüren bekommen. Ich bin auch noch da. Ich hab da auch
noch mitzureden. Und Werner redet da
ziemlich fest mit.
Wie er mir erzählt hat, arbeitet er nach
Fotos. Skizziert, was er auf dem Foto sieht, noch einmal und noch einmal,
erarbeitet sich mithilfe des fotografierten Gegenstands eine eigene Form des
Gegenstands, erarbeitet sich den fotografierten Gegenstand als gezeichneten
Gegenstand. Er bearbeitet und bearbeitet, zeichnet drüber, malt drüber,
übermalt auch die Fotos, wenn sie nicht entsprechen. Und sie entsprechen
prinzipiell nicht, da können sie noch so großkotzig tun mit ihrem Realismus,
als entsprächen sie. Er montiert mehrer Fotos und dann zeichnet er. Nach vielen
Skizzen und Zeichnungen malt er und übermalt er. Er arbeitet sich also mühevoll
und aufsässig seine eigenen Steine heraus aus den Steinen, bis er das Gefühl
hat, ja, jetzt sind sie nahe genug bei mir und weit genug von der Natur weg.
Denn es gibt ja nichts naturbelassen
Steinartiges auf den Steinen. Kein Moos, keine Käfer, keinen Sand, keinen Wurm.
Nur Formen. Und, was mir dann auch aufgefallen ist, ganz spezielle Formen.
Weiche Formen. In einem ganz speziellen weichen Weiß. Weiße oder weißliche
weiche Rundungen, Wölbungen, eher fleischliche Oberflächen. Fleischformen. Ja,
es gibt auch Spitzes und Schroffes. Aber auch das erscheint mir eher wie
offenes Fleisch mit Kochenstücken, Knochenspitzen. Als ob der fotografierte,
sogenannte echte Stein mit den vielen Stadien formaler, auch materiale
Bearbeitung – Bleistift, Feder, Farbe -, auch seine Steinhaftigkeit verlieren
würde, und mit der zunehmenden Nähe zum Menschen auch zunehmend menschliches
Material annehme, eben Fleisch, Knochen. Die Steinbilder sehen für mich aus wie
ineinander verschlungene Körperstücke, Fleischstücke. Knochenstücke. Zum Teil
im Wasser liegend – als Kontrast. In manchen Bildern, in manchen Details,
glaube ich auch tatsächlich Körperteile zu erkennen. Auch bei manchen
Landschaftsbildern kommt mir vor, das ist kein Berg, das sind keine Bäume,
keine Gräser, das ist ein Stück menschliche Körperoberfläche mit Haaren drauf.
Aber vielleicht ist nur meine Einbildungskraft etwas zu übermütig geworden.
Vor allem aber sind diese Stein- und
Wasserbilder für mich überaus meditativ. Der Blick ruht sich aus auf den
weichen Steinen. Das Gehetze in meinem Inneren sinkt in sich zusammen. Die
Steine sind zutraulich, vertrauenserweckend, sie laden ein, man kann sich an
sie anlehnen.
Das Meditative finde ich vor allem auch in den
Baumbildern, Baumgruppenbildern, in diesen angenehm dunkel gehaltenen,
vollkommen unnatürlichen Farbtönen. Da sind es auch die Formen, die Werner sich
mühsam von der Natur weg in sich, in seine Welt hineinarbeitet, das ist
deutlich. Aber deutlich ist auch das stark Meditative, die Stimmung, die Werner
aus der realen fotografischen Natur herausarbeitet und innerhalb des Bildes
wieder in sie hineinarbeitet. Eine unnatürliche Farbe, mit der uns Werner das
Meditative, das wir durchaus in der Natur finden, extrem konzentriert in einem
kleinen Bild anbietet. Das Bild ist übervoll davon. Es platzt damit aus allen
Nähten. Ich kann mich dem nicht entziehen. Die Arbeit, die ich ansonsten
leisten muß, um in diesen meditativen Zustand zu kommen – Rucksack packen, mit
dem Auto hinausfahren, in den Wald gehen, schwitzen, den passenden Platz finden
-, hat mir Werner abgenommen. Statt mir hat er geschwitzt. Ich brauch mich
nicht anstrengen, ich habe das Konzentrat an der Wand hängen. Das Bild kommt
mir, kaum schaue ich es ein bisschen länger an,
auch schon entgegen auf halbem Weg. Und trotzdem bleibt alles darin
entfernt und unerreichbar. Und trotzdem fordert es mich zugleich auf, es zu
betreten, und versichert mir, das Unerreichbare wäre durchaus zu erreichen. Ich
müsse mich nur etwas bemühen.
Damit bin ich schon am Ende mit meinen
eigenwilligen, sicher etwas abstrusen Phantasien zu Werners Bildern. Aber es
hat mir Spaß gemacht. Ich dachte mir: Wie sich Werner über meine Figuren
hergemacht hat und sich daraus eigene Bilder erschaffen, so mache ich mich über
seine Bilder her und erschaffe mir daraus meine eigene Literatur.
Und nun möchte ich Sie Ihrerseits einladen,
meine Damen und Herren, Ihre eigenen eigenwilligen Phantasien zu entwickeln,
anhand von Werners Bildern. Haben Sie keine Angst. Trauen Sie sich. Wir sind ja
unter uns. Und es tut gar nicht weh.
Herzliche Gratulation zur Ausstellung, liebe
Werner, und viele Verkäufe!
Werner Schönolt & Haimo L. Handl (Foto Werner Macho)
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