Cixous: Derridas Texte sind, wie die
meinen, eigentlich nicht übersetzbar. So wie Lyrik nicht übersetzbar ist. Aber
natürlich kann man in der Verfremdung, die durch den Wechsel der Sprache
eintritt, noch etwas vom Ursprünglichen wahrnehmen. Ich bin meinen Übersetzerinnen
sehr dankbar. Sie machen ihre Arbeit mit Kraft und Demut. Sie versuchen, dem
Text treu zu bleiben. Aber wenn jemand mit den Signifikanten spielt, ist es
unmöglich, treu zu übersetzen.
ZEIT ONLINE: Wie stellen Sie sich vor, dass
Ihre Texte gelesen werden, Texte, die mit Bedeutungen spielen und vom Leser
viel fordern?
Cixous: Alles Lesen braucht Übung. Immer.
Je mehr man liest, umso besser wird man im Lesen. Man kann sich einbilden, dass
man Shakespeare schon beim ersten Lesen verstanden hat. Aber natürlich bin ich
jetzt, nachdem ich Shakespeares seit 10, 20 und mehr Jahren lese, eine viel
bessere Shakespeare-Leserin als früher.
ZEIT ONLINE: Heute verliert das Lesen von
Büchern immer mehr gegenüber dem Verweilen in sozialen Netzwerken, auf Nachrichtenplattformen.
Gerade in Zeiten, wo sich die apokalyptischen Nachrichten jagen.
Cixous: Ja, das letzte Jahr war eine
Katastrophe. Aber jetzt kommen die Leser zurück.
ZEIT ONLINE: Das ist eine Hoffnung.
Tatsächlich kleben viele an ihren Smartphones, weil sie versuchen, die Welt in
Zeiten von Trump und Brexit und Klimakatastrophe zu verstehen.
Cixous: Natürlich sind die Menschen
fasziniert von der Apokalypse. Deswegen muss man für das Überleben des Lesens
kämpfen. Man muss die Menschen daran erinnern, dass sie sich nicht vom Abgrund
anziehen lassen dürfen. Sie sollten zurückkommen zu etwas, das Zeit und
Vertiefung braucht und Bestand hat.
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