Montag, 17. März 2014

Neue Rundschau 1/2014

Manifeste für eine Literatur der Zukunft

lautet der Titel des ersten Heftes des Jahrgangs 125, 2014 der NEUEN RUNDSCHAU.
In der Firmeninternetseite ist zwar noch ein alter Eintrag aus dem letzten Jahr, aber das Heft ist schon ausgeliefert und liegt in der GLEICHGEWICHT BIBLIOTHEK auf.

Der Einzelpreis hat sich von 12 auf 15 Euro erhöht, ebenso der Abonnementspreis. Aber das vorliegende Heft ist ein dickes Buch mit 398 Seiten.

Leider entspricht die Quantität nicht der Qualität. Heute im Literarische noch von Manifesten reden zu wollen oder gar neue zu formulieren, ist weniger verwegen als daneben. Und die Zukunftsüberlegungen sind denn auch mehr oder weniger dürftig, peinlich, lächerlich, überflüssig, seicht, eitel, dumm, schwätzerisch usw. usf.

Schon im Vorwort, pardon, "Editorial" des gastweisen Mitherausgebers  Jan Brandt (*1974), heißt es:
"Die dreißig Texte beschreiben fiktive Zukunftsvisionen, die in der Vergangenheit liegen, und entwerfen Szenarien, die unsere Vorstellungskraft sprengen. Sie fordern eine göttliche Sprache oder einen allumfassenden Aufruhr."

Aufgeblasene, leere Worte. Welche Vision ist real? Real ist das Visionieren, aber wie unterscheidet sich eine Vision von der anderen als fiktiv oder nicht-fiktiv?

Werden vergangene Zukunftsvisionen "beschrieben", sind sie also selbst keine eigentlichen, sondern nur Beschreibungen. Jetzt behauptet der mitteljunge Autor, dass diese fiktiven Zukunftsvisionen, die aber in der Vergangenheit liegen, Szenarien entwerfen. Meint er "entwarfen", weil sie ja in der Vergangenheit liegen, oder mein er tatsächlich im Präsens die Jetztzeit, in der die in der Vergangenheit liegende fiktive Zukunftsvisionen also Szenarien entwerfen, die, man staune, unsere Vorstellungskraft sprengen.

O je, o Jammer, o Aufruhr! Wie kann denn ohne Vorstellung kommuniziert werden? Die Vorstellungskraft, meint der Junge oder Mittelalte, werde gesprengt, durch diese Szenarien. Na, weit kann es mit dieser Zersprengung nicht sein, immerhin füllte er ein dickes Heft mit den Elaboraten der Sprenger und Aufrührer und Schwätzer des Literaturbetriebes.

Wirkt hier die Sprengkraft der edlen Selbstmordattentäter (die fälschlicherweise so genannt werden, zu allermeist sprengen diese Erleuchteten ja nicht nur sich zersprengend außer die Vorstellungskraft, sondern schnöde, dumme, oft ungläubige oder andersgläubige Mitmenschen, weshalb sie Attentäter sind, die sich im Töten mittöten, in einem wahren Gottesdienst für Allah, ihrem Gott, und Mohamed, seinem Propheten) auf das abendländische Denken, das daher wieder, wie anno dazumal, die göttliche Sprache fordert, sucht – und nicht findet, weil die Hilfsmittel, die Suchwerkzeuge, ja Szenarien entwerfen, die die Vorstellungskraft sprengen.

O Jammer, o Schmerz. O Gottesschatten! Das liefert immerhin viel Stoff für weitere Zeitschriftenausgaben, Symposien, Messethemen, Talkshows und Bücher, konventionell und virtuell!

Es folgen Sätze, die weniger die zersprengte Vorstellungskraft dokumentieren, als vielmehr die Dürftigkeit des biederen, bornierten Horizonts, der repetitiven Stereotypie in einem Aufmucken, das als Aufruhr, Revolte oder sonst was Chicem missverstanden wird. Neu ist daran gar nichts. Abklatsch von etwas, das die rabiaten Spießer, vor 100 Jahren als Dadaisten verkleidet, den anderen Spießern, gegen die sie geiferten in einem Jargon, der so nah und  verwandt war zu jenem der Faschisten, dass einem angst und bange werden könnte, wenn man diese Ergüsse wieder liest und eben noch eine Vorstellungskraft hat und keine ausgetriebene, versprengte, zersprengte.
"Weniger Realismus. Mehr Mut. Mehr Sex. Mehr Radikalität. mehr Widerstand. mehr Grenzen. Mehr Freiraum. (...)

Sie [die Texte] wollen sich und der Welt den Betrieb austreiben und wehren sich gegen 'lästige saugseelen', gegen Befehle von außen, gegen Schubladendenken, Kritikermeinungen, Algorithmen und den allgemeinen Quantifizierungswahn. Stattdessen empfehlen sie bewegungsloses Reisen und schwereloses Denken."
Nun, die offerierten Alternativen sind so naiv und dumm wie die der Heilsarmee oder Zen-Mönche auf Werbefahrten in den USA und einigen europäischen Metropolen. Obwohl sie schwereloses Denken empfehlen, richten sich viele Texte gegen das Oberflächendenken, auf dem aber, schwerelos, diese Art zelebrierten Denkens verharrt, weil es ohne Schwere nicht sinken kann in die Tiefe der Erkenntnisse der ichentleerten Seele, wohin die Novizin oder der Meister versuchen bewegungslos zu reisen. Andererseits, meinten solche Bewegungslosen es ernst, wäre viel gewonnen: Keine Schriftstellerin, kein Schriftsteller reiste mehr zu den Messen, zu den Wettbewerben, den Preisveranstaltungen, den Jubiläen, den Lesungen, den Talkshows, den Laufstegen. Sie alle unternähmen ihre Touren im Kopf bzw. Bauch, aber verinnerlicht innerlich, bewegungslos, getragen von ihrer göttlichen Sprache in einem schwebenden, schwerelosen Denken. Wenn das nicht die Zukunft ist, weiß ich nicht – Die göttliche Ruhe erlaubte Erholung, Besinnung und Purifikation vom Lärm und Schmutz der Quantifizierungsbesessenen einerseits, und den Aufrührern und Zersprengern andererseits. Es herrschte das bewegungslose Schwerelose. Das ist die Zukunft, wie sie unsere modernen Schriftstellerinnen auf fast 400 Seiten weissagen. Danke. 

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