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Max Horkheimer-Archiv in Englisch bei marxists.org
Zitat:
Das Ende des Sprechens. – Wir beklagen, dass man nicht mehr sprechen kann. Die Menschen sind stumm, soviel sie auch reden mögen.
Heute ist die Rede schal, und die, welche nicht zuhören wollen, haben gar nicht so unrecht. Einesteils ist das Wort Lenkinstrument der armseligen Führergestalten der Massengesellschaft, ihr hypnotischer Hammer, der aus den Mäulern der Rundfunkgeräte und in der Einsamkeit der Untersuchungsgefängnisse zusammen mit den übrigen Foltermethoden Gehorsam erzwingt; andrerseits fristet es am Rande der zu Ende gehenden bürgerlichen Zivilisation ein mickriges Dasein als Bildungsgespenst. Aber auch von ihm lassen sich die verschüchterten ratlosen Nachkommen der Gebildeten bloß deshalb heimsuchen, weil sie schon die Morgenluft wittern, in der an die Stelle des Psychoanalytikers der Große Bruder tritt. Sie suchen Anweisung, weil sie selbst nicht mehr mit anderen redend einen eigenen Weg auftun können, einen eigenen Weg bahnen können. Deshalb ist es auch heute vergeblich zuzuhören. Das Sprechen ist überholt. Freilich auch das Tun, soweit es auf das Sprechen einmal bezogen war.
(Aus: Max Horkheimer: Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung. Notizen in Deutschland. Herausgegeben von Werner Brede. Einleitung von Alfred Schmidt. Frankfurt, S. Fischer Verlag 1974);
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