Der neue Opferautoritarismus
Der
Wettbewerb um den Status des Meistdiskriminierten beherrscht den
gesellschaftlichen Diskurs. Wie kommt es, dass sich in einer beispiellos
egalitären Gesellschaft alle als Opfer fühlen?
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Die Auswüchse des Gutmenschenregimes, der Terror der Schwachen, der falsche Egalitarismus: alles Wegmarken am Weg nach Unten.
Dabei könnten wir es so schön haben in aller Gleichheit:
Nietzsche: Nachgelassene Fragmente Herbst 1880.
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Wer
tiefer Empfindungen fähig ist, muß auch den heftigen Kampf derselben
gegen ihre Gegensätze leiden. Man kann, um ganz ruhig und
leidlos in sich zu sein, sich eben nur die tiefen Empfindungen
abgewöhnen, so daß sie in ihrer Schwäche eben auch nur schwache Gegenkräfte erregen: die, in ihrer sublimirten Dünne, dann wohl überhört werden und dem Menschen den Eindruck geben, er sei ganz mit sich im Einklange. — Ebenso
im socialen Leben: soll alles altruistisch zugehn, so müssen die
Gegensätze der Individuen auf ein sublimes Minimum reduzirt
werden: so daß alle feindseligen Tendenzen und Spannungen, durch
welche das Individuum sich als individuum erhält, kaum mehr
wahrgenommen werden können, das heißt: die Individuen müssen
auf den blassesten Ton des Individuellen reduzirt werden! Also die
Gleichheit weitaus vorherrschend! Das ist die Euthanasie,
völlig unproduktiv! Ebenso wie jene Menschen ohne tiefe Empfindungen,
die liebenswürdigen ruhigen und sogenannten glücklichen, eben
auch unproduktiv sind! Der Werth der Wissenschaft ist, eine
ungeheure Gegenkraft zu sein: vielleicht entzündet sich, im
Widerspruch zu ihr, wieder die Unlogik und Phantasterei immer
von Neuem! — Vielleicht ist dies nöthig!
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