Samstag, 9. Juli 2011

Musiktheater Interpretationen

In der NZZ ist eine Kritik zweier Musiktheateraufführungen in Madrid und  München zu lesen. Es heißt:

Häufig wird «Saint François d'Assise» von Olivier Messiaen nicht aufgeführt, das verhindern die Anforderungen des Werks. Umso bemerkenswerter, dass jetzt gerade zwei Produktionen herausgekommen sind. Sie zeigen, dass auch neue Musik interpretiert wird und darum in unterschiedlichen Gewändern erscheinen kann.


Erstaunlich, "dass auch neue Musik interpretiert wird". Wer hätte das gedacht? Heutzutage wird ja nicht mehr interpretiert, - und das Regietheater ist offensichtlich keine Interpretation...
Die Besprechung oder Kritik ist ganz interessant, vor allem im Vergleich der Aufführungensarten. Die Geschichte vom heiligen Franz als pompöse Inszenierung? Schon die Monsterkomposition stellt ein Missverstehen dar. Größensucht hat immer schon was Peinliches. Dafür kommt die Imitatio, die Wiederholung und Angleichung an die Natur vor, wie man es sonst nur von den Alten kennt, als man Kunst noch anders verstand.
Aber das hier wird als Musik des 20. Jh. gefeiert. Hm. Und zudem noch interpretiert...


Wir lesen:

Alles, was die Handschrift des 1992 verstorbenen Franzosen ausmacht, kommt hier in einzigartiger Weise zusammen: das Denken in Leitmotiven und damit die Sprachähnlichkeit von Musik, die Arbeit mit Tonarten, die Messiaen für sich synästhetisch mit Farben verbunden hat, die rhythmische Komplexität, wie er sie den Vögeln und ihren Gesängen abgelauscht hat, die Klangwirkungen fernöstlicher Orchester und die Gesten der französischen Spätromantik. 

Leitmotivik schafft Sprachähnlichkeit! Wie? Wagner der Sprachmeister. Und von der Romantik nur die Gesten. Das ist wirklich hochmodern.

In München werde zu viel des Guten geliefert. (Wenn zuviel, wie ist es dann noch gut?):

Auch wenn sie in die Jahre gekommen sein mag, dominiert die Handschrift des 72-jährigen Wiener Künstlers das Geschehen von A bis Z, absorbiert sie die Aufmerksamkeit und stört sie die Kontemplation, welche die Musik verlangt. Einmal mehr plustert sich in einer Produktion der Münchner Staatsoper das Szenische auf und sucht sich das Theater gegenüber der Musik in den Vordergrund zu rücken; es prallt hier allerdings ab an einem musikalischen Entwurf, dessen Grösse unverrückbar in sich zu ruhen scheint.

Nitsch, der Möchtegernopernregisseur ist ein Spektakulateur. Vielleicht auch ein Spekulant. Jedenfalls einer, der im Großen schwelgt. Der, wie es in der Kritik heißt, sich aufplustert. Aber das passt zur Eventkultur, nicht? Nitsch auch als Illustrator:

Zum Vogelkonzert lässt Hermann Nitsch ein Ballett gezeichneter Vögel auf die Bühnenrückwand projizieren, was nicht nur die hier rein instrumentale Musik zur Seite schiebt, sondern auch ein Moment der kitschigen Verniedlichung einbringt, das die Absicht der Stelle verfehlt.

Das lenkt ab von der Frage, warum der Meister Olivier Messiaen überhaupt so stark "abbildet", nachmacht, vielleicht nachäfft, der Natur nachrennt. Wäre es da nicht treffender, gleich über Funk von einem Wald von Mikrofonen die originalen Vogelstimmen in das Spektakelhaus zu bringen? 

Und wieder zeigt der Rezensent seine hohe Bildung, und die Notwendigkeit feststellen zu müssen (anscheinend doch nicht selbstverständlich):

Auch bei Musik des 20. Jahrhunderts ist es so, dass die Interpretation das Gesicht des Kunstwerks mitgestaltet. 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen