Im Beitrag von Imre Kertész aus seinem Taqgebuch 1995 ist im Schlussabsatz über die romantisch-todessüchtigen Celans, Bachmanns, Amerys und andere zu lesen sowie über ihn, den jüdischen Europäer, der nicht ungarisch dachte:
Celan, Bachmann, Améry, Kafka, Sylvia Plath usw. usw.: Alle rannten mit einer Art von Unumgänglichkeit ins Verderben. Diese Unumgänglichkeit ist die Identifikation mit der Opfer-Rolle, die, wie es scheint, das markanteste Ausdrucksmerkmal des geistigen Lebens im 20. Jahrhundert ist. Gleichzeitig spiegelt sich darin die Wirkung der unsterblichen deutschen Romantik, wie übrigens allgemein in den deutswchen Phänomenen: Hitler ist genauso Romantik wie Wagner oder, durchaus, Céline und, ja, Bachmann: Das Leben ist, wie gersagt, entweder Demonstration oder Kollaboration, und die glaubwürdigste geistige Form der Demonstration ist die Selbstvernichtung des Opfers. Das ist das letzte, was noch die Hoffnung der Wirkung birgt.
Ich hingegen habe nie auch nur die geringste Wirkung auf die sogenannte ungarische Literatur ausgeübt und kann sie auch nicht ausaüben, denn dazu müßte ich das ungarische Denken übernehmen, das wahnhaft ist, und mich in das wahnhafte ungarische Bewußtseiun vertiefen. Ich bin ein jüdischer Schriftsteller, und ich muß festhalten, das "Jude" hier "Universalität" bedeutet; ich bin also kein israelischer Schriftsteller und kein den alttestamentarischen Traditionen folgender chassidischer Schriftsteller – nein, ein Europäer, der die einzige universale Existenzform und das universale Bewußtsein wahrt, die heimatlose – über die Heimaten hinausgehende – Existenzform lebt: Das heißt, ich bin Jude, Eklektiker, Existentialist, Religionsloser, Gläubiger, exiliereter Umherziehender, der zu Hause nicht zu Hause ist, dessen einzige Identität die des Schreibens ist, dessen Schaffen sich von der Sprache, in der es entsteht, loslöst, dort auf Wirkung stößt, wo Menschen ihm zuhören und ihm ihr Herzt öffnen – ...
Bedeutsam und eindrignlich, diesse Notate von Kertész, gerade zu einer Zeit der instrumentalisiserten Erinnerung an die Hysterikerin Ingeborg Bachmann, die als Ikone unkritisch gefeiert wird, glorifiziert als die Inkarnation der besten, bedeutendsten, höchsten, stärksten, glorreichsten Schriftstellerin deutscher Sprache, eine Gutmenschin, bevor der blöde Begriff als Terminus sich festgemacht hat. Unsere Opferkult-Gesellsschaft erkennt mit feinem Gespür in ihr den christlichen Märtyrerkern, der sich vom ebenso perversen muselmanischer Fanatiker nicht unterscheidet, außer dass letztere etwas konsequenter ihre Opfer-Täter-Rolle wahrnehmen.
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