Lettre International Nr. 115 / Neue Ausgabe
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Lektüre für die Fest- und Ferienzeit: Freuen Sie sich auf die neue Ausgabe von Lettre
International Nr.
115, die ab sofort im Buchhandel, am Kiosk und ab Verlag bereit
liegt.
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ÜBERBLICK
- LETTRE 115
Die neue Ausgabe beleuchtet Ursachen, Konsequenzen und Reaktionen der US-Wahl. Wir untersuchen das Verschwinden des Intellektuellen, erkunden Grenzen, beobachten den globalen Handel mit Staatsbürgerschaften und heißen Sie im Darknet willkommen. Wir analysieren die Ideologie der Sozialen Medien. Wir berichten von killing fields im Südsudan. Wir forschen nach Totaler Gegenwart in Theater und Kunst und observieren die Statusphäre des Kunstmarkts. Wir bestaunen die Produktivität des Irrtums, belauschen Plaudereien zur Liebe, während uns der Aufenthalt im Kaffeehaus zu Lebensweisheit verhilft. Wir genießen das Alter am Rande des Meeres, bevor wir Goethes Italienische Reise nachempfinden. Auf Östlichem Gelände konfrontieren wir uns mit russischen Kriegsgeheimnissen, belegen einen Lehrgang der verlorenen Illusionen, erleben eine Dystopie aus Gehirnwäsche und Versklavung und werden Zeugen eines Pogroms.
Die neue Ausgabe beleuchtet Ursachen, Konsequenzen und Reaktionen der US-Wahl. Wir untersuchen das Verschwinden des Intellektuellen, erkunden Grenzen, beobachten den globalen Handel mit Staatsbürgerschaften und heißen Sie im Darknet willkommen. Wir analysieren die Ideologie der Sozialen Medien. Wir berichten von killing fields im Südsudan. Wir forschen nach Totaler Gegenwart in Theater und Kunst und observieren die Statusphäre des Kunstmarkts. Wir bestaunen die Produktivität des Irrtums, belauschen Plaudereien zur Liebe, während uns der Aufenthalt im Kaffeehaus zu Lebensweisheit verhilft. Wir genießen das Alter am Rande des Meeres, bevor wir Goethes Italienische Reise nachempfinden. Auf Östlichem Gelände konfrontieren wir uns mit russischen Kriegsgeheimnissen, belegen einen Lehrgang der verlorenen Illusionen, erleben eine Dystopie aus Gehirnwäsche und Versklavung und werden Zeugen eines Pogroms.
KUNST
Ghosts der Schweizer Künstlerin Valérie Favre tanzen im nächtlichen Hexenreigen, der russische Künstler Nikolai Nasedkin knickt, faltet, collagiert und bemalt Zeitungspapier zu faszinierenden Porträts von Dichtern, Denkern und Künstlern: Russisches Antlitz.
Ghosts der Schweizer Künstlerin Valérie Favre tanzen im nächtlichen Hexenreigen, der russische Künstler Nikolai Nasedkin knickt, faltet, collagiert und bemalt Zeitungspapier zu faszinierenden Porträts von Dichtern, Denkern und Künstlern: Russisches Antlitz.
MACHTVERSCHIEBUNG
Inszenierung potenter Männlichkeit, Signale zur Gewaltbereitschaft, Revival des Patriarchalismus, Verteidigung des umgrenzten Nationalstaats - diese Elemente identifiziert Roger Friedland in Staat und Geschlecht als entscheidende Faktoren für Trumps Erdrutschsieg. "Nie zuvor hatte ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat die Länge seines Penis verteidigt, geschweige denn in einem Rededuell zur besten Sendezeit versichert, seine kleinen Hände ließen nicht darauf schließen, daß auch alles andere klein sei. (...) Bei dieser Wahl ging es um das Geschlecht des Staates. (...) Donald vs. Hillary: Das war ein Kampf zwischen der Faust und dem Schoß, dem Phallus und der Gebärmutter. (...) Trump repräsentiert eine Rückkehr zum männlichen Prinzip als der Grundlage sowohl der Schöpfungsordnung als auch der Ordnung der Zerstörung." Über die Erotisierung der Macht und die Verheißungen des Patriarchats.
Inszenierung potenter Männlichkeit, Signale zur Gewaltbereitschaft, Revival des Patriarchalismus, Verteidigung des umgrenzten Nationalstaats - diese Elemente identifiziert Roger Friedland in Staat und Geschlecht als entscheidende Faktoren für Trumps Erdrutschsieg. "Nie zuvor hatte ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat die Länge seines Penis verteidigt, geschweige denn in einem Rededuell zur besten Sendezeit versichert, seine kleinen Hände ließen nicht darauf schließen, daß auch alles andere klein sei. (...) Bei dieser Wahl ging es um das Geschlecht des Staates. (...) Donald vs. Hillary: Das war ein Kampf zwischen der Faust und dem Schoß, dem Phallus und der Gebärmutter. (...) Trump repräsentiert eine Rückkehr zum männlichen Prinzip als der Grundlage sowohl der Schöpfungsordnung als auch der Ordnung der Zerstörung." Über die Erotisierung der Macht und die Verheißungen des Patriarchats.
Zwanzig
Lektionen zur Bewahrung der Freiheit in der Unfreiheit
notiert Timothy
Snyder in Setzen Sie ein Zeichen!
"Wir
Amerikaner sind nicht klüger als die Europäer, die ihre Demokratien Faschismus,
Nazismus und Kommunismus Platz machen sahen. Unser einziger Vorteil ist der,
aus ihrer Erfahrung lernen zu können. Jetzt wäre dazu eine gute
Gelegenheit." Lektion 1: "Gehorchen Sie nicht schon im voraus. Man wirft
dem Autoritarismus einen Gutteil seiner Macht allzu bereitwillig nach. In
Zeiten wie diesen stellt der einzelne sich vor, was eine künftige repressivere
Regierung von ihm wollen könnte, und macht das dann unaufgefordert. Haben Sie
doch auch schon gemacht, stimmt's? Dann hören Sie auf damit! Vorweggenommener
Gehorsam weist der Obrigkeit nur unnötig Möglichkeiten auf und beschleunigt die
Unfreiheit."
Die
russisch-amerikanische Autorin Masha Gessen mißtraut dem Präsidenten
Trump. Sie plädiert für äußerste Wachsamkeit und ruft bittere historische
Erfahrungen in Erinnerung: "Regel #1: Glaube dem Autokraten. Er meint, was er sagt. Wann immer Sie sich bei dem Gedanken
ertappen oder andere behaupten hören, daß er nur übertreibe, dann ist das
nichts weiter als unsere natürliche Neigung zur Rationalisierung. Das passiert
immer wieder: Menschen scheinen so gebaut, es nicht wahrhaben zu wollen, wenn
sie sich öffentlich mit dem Inakzeptablen konfrontiert sehen. In den dreißiger
Jahren des 20. Jahrhunderts versicherte die New York Times ihren Lesern, Hitlers
Antisemitismus sei nichts weiter als eine Pose." Sechs Regeln gegen
geistige Vernebelung und Bequemlichkeit.
ÜBER
GRENZEN
Der Philosoph Jean-Luc Nancy kontaktiert die Ungrenze. Eine Grenze liegt vor oder hinter einem. Gelangt man an eine solche, gibt es kein Dazwischen. Eine Grenze ist Linie, Front, Frontlinie, durch eine Armee in Schlachtordnung gesichert und mit Grenzstädten, Grenzregionen, die an fremdes Territorium stoßen. In der Geschichte Europas ist die Grenze mit der Konstituierung des souveränen Staates verbunden. Die Geschichte der Menschheit jedoch ist eine ununterbrochene Geschichte der Grenzüberschreitungen, Migrationen, Transformationen und Metamorphosen. Geschichte gibt es nur, weil sie in sich die Möglichkeit des Wandels trägt.
Der Philosoph Jean-Luc Nancy kontaktiert die Ungrenze. Eine Grenze liegt vor oder hinter einem. Gelangt man an eine solche, gibt es kein Dazwischen. Eine Grenze ist Linie, Front, Frontlinie, durch eine Armee in Schlachtordnung gesichert und mit Grenzstädten, Grenzregionen, die an fremdes Territorium stoßen. In der Geschichte Europas ist die Grenze mit der Konstituierung des souveränen Staates verbunden. Die Geschichte der Menschheit jedoch ist eine ununterbrochene Geschichte der Grenzüberschreitungen, Migrationen, Transformationen und Metamorphosen. Geschichte gibt es nur, weil sie in sich die Möglichkeit des Wandels trägt.
Das
Ende der Kriege, ein globaler Markt freien Austauschs und ungehinderter
Bewegung - goldene Träume, die mit dem Ende der Systemkonkurrenz 1989 verbunden
waren. Doch der Globalisierungseuphorie folgte die Globalisierungsangst.
Grenzen haben wieder Hochkonjunktur. Doch manche Menschen bewegen sich nahezu
ungehindert über den Erdball, denn Staatsbürgerschaften sind zur Handelsware
geworden. Russische Oligarchen, chinesische Neureiche, reisewillige ägyptische
Geschäftsleute sind die Kunden jener Glücksritter und Abenteurer, Aquapreneure
und Technoutopisten, die im Bunde mit Staaten wie den Komoren, Zypern, St.
Kitts, Malta oder den Arabischen Emiraten Aufenthaltsrechte, Visa oder Pässe
gegen Geld oder Investitionen offerieren. Ein wachsender Markt, höchst
professionell gemanagt. Kristin Surak schildert, wie das
lukrative Treiben funktioniert: Kosmopoliten.
Mit
Preisen überhäuft wurde der US-amerikanische Journalist Nick Turse für seine Untersuchung zum Vietnamkrieg. Drei Jahre recherchierte
er nun zu den killing fields in Südsudan, die noch nicht Geschichte,
sondern erschreckende Gegenwart sind, nahezu unbeachtet von der
Weltöffentlichkeit: Übelster Ort der Welt. Sein Bericht beginnt so:
"Da ist er wieder. Dieser widerliche Geruch. Ich stehe auf der Schwelle
eines ehemaligen Hauses, von dem nur noch der Fußabdruck übrig ist. Inmitten
der Ruine steht ein silberner kleiner Teekessel, die sanfte Rundung seines
Bauches rußgeschwärzt, ansonsten scheinbar unversehrt - bis auf die beiden
Löcher in seinem Bauch. Was immer ihn durchschlagen hat, er ist unbrauchbar,
zerstört, so wie das Haus an sich zerstört ist, unbewohnbar wie die staubige
Ruinenlandschaft der ganzen Stadt. Um die Wahrheit zu sagen, ist das hier gar
keine Stadt mehr, noch nicht einmal eine geschliffene Stadt. Es ist das
klassische killing field: ein Ort, an dem unbegraben menschliche
Überreste herumliegen." Eine Reportage gegen das Vergessen.
Mit
der Geisterdämmerung, dem Verschwinden des Intellektuellen im Posthistoire beschäftigt
sich Martin
Burckhardt. Zwar wird ständig über Politik geredet, der
Charakter der öffentlichen Rede hat sich jedoch gewandelt. Die guten
Intentionen führen justament in die Vorhölle der Talkshows, wo sich Experten in
Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Eigen-PR an ihren Spiegelbildern entflammen.
In der beschworenen Vielfalt wird der Zuschauer mit geballter Einfalt
konfrontiert - und wundert sich, wo die Geister geblieben sind, die der
Wirklichkeit mit Theorie und einer Suche nach Ursachen und Zusammenhängen auf
den Leib gerückt sind. Im Regelfall wird die Abwesenheit der Theorie nicht
vermißt. Es herrscht selbstzufriedenes Justemilieu, eine Internationale der
Konsumenten, ein Proletkult ohne Proleten. Hat man das Verstummen der
Intellektuellen weithin mit dem "Ende der Geschichte" erklärt, hält
Burckhardt die Veränderung des Schriftbegriffs für die Ursache. Die
Elektrifizierung der Schrift hat einen Strukturwandel der Öffentlichkeit
bewirkt, der radikaler ist als alle politischen Umsturzversuche - nur hat sich
das Machtbeben auf untergründige, klandestine Weise ereignet. Die neuen
Verhältnisse verlangen nach einem Denken, das zwischen Codes und Algorithmen zu
navigieren versteht; mehr noch, nach einem Denken, welches es vermag, den Code
der Simulation, das Phantasma der digitalen Gesellschaft, zu entziffern.
Willkommen
im Darknet! William Langewiesche nimmt uns mit in den digitalen Underground, wo unsichtbare
Weltkriege ausgefochten werden. Ein früherer Meisterhacker schildert dem
Reporter die Herausbildung und Struktur des Darknets - hier werden Waffen,
Drogen, Informationen gehandelt und gehackt, hier versuchen Cyberguerilleros
und Geheimdienste Trojaner und Schläferviren einzuschleusen, Programme
umzufunktionieren, Systeme zu unterwandern. Agenten, Unternehmen,
Drogenkartelle, Waffenhersteller, sie alle mischen mit beim unsichtbaren
Cyberkrieg, dessen spektakulärste Manifestation bislang der Stuxnet-Angriff auf
die iranischen Atomzentrifugen war und der unlängst in der Attacke auf
Internet- und Telefonverbindungen in Erscheinung trat. Über die Partisanen
eines Paralleluniversums.
Der
Internettheoretiker Geert Lovink, einst avantgardistischer
Verfechter der Segnungen des digitalen Zeitalters, ist skeptisch geworden.
Soziale Medien formatieren heute Gesellschaftlichkeit, digitale Medien
verkörpern die werdende Infrastruktur des Planeten. Netzwerktechnologien sind
Normalität, doch ihre Codierungen entziehen sich dem Blick. "Hört auf
zu pushen und fangt an zu analysieren", ruft er den Usern zu. "Wir
sind in einem neuen, noch namenlosen Stadium angekommen, der hegemonialen Ära,
der Social-Media-Plattformen als Ideologie.
Er fordert
eine kritische Theorie und die Politisierung der Versorgungsunternehmen für
Informationen und Kontakte. Ein Aufruf zur Vorsicht, denn die Ideologie der sozialen
Medien ist bereits zur materiellen Macht geworden.
Paolo
Giordano sinnt nach über literarisches Erzählen in
Zeiten des Internets: James Joyce 2.0. Ein Problem wird von
Autoren wie Verlegern zumeist ignoriert: das begrenzte Reservoir an Zeit und
Gedanken, das jeder zur Verfügung hat. Man muß haushalten mit seiner
schöpferischen Zeit, mit Geistesblitzen und brillanten Ideen. Sich in sozialen
Netzwerken zu tummeln mag dem Autor helfen, einen weiteren Tag dem
Vergessenwerden zu trotzen, doch droht man sich dadurch selbst zu berauben.
"Ein pointierter Satz, einmal geäußert, ist verbraucht; eine schöne
Landschaft, mit dem iPhone photographiert und geteilt, wird nie mehr eine
grandiose Beschreibung werden, und ein heimlich abgelauschter Dialog, mit dem
man seine WhatsApp-Gruppe zum Lachen bringt, wird keine Romanfigur mehr
wiederholen können. Was man im Netz verschleudert hat, läßt sich in einem Buch
nicht mehr wiederverwerten - oder nur um den Preis der ewigen Schande. Autoren,
die nicht an Debatten in den sozialen Netzwerken teilnehmen, verweigern sich
häufig aus einem einfachen ökonomischen Kalkül: Sie wollen sich die paar guten
Einfälle, die sie täglich haben, lieber für ihre Bücher aufheben."
Über das Schriftstellerleben zwischen terrestrischer und virtueller Dimension.
KUNSTKONZEPTE,
KUNSTERFAHRUNGEN
Wer in einem Museum einem Suppenkoch begegnet, kann getrost davon ausgehen, daß er auf einen Exponenten der "relationalen Kunst", einer Spielart der Gegenwartskunst gestoßen ist. Was die Gegenwartskunst und ihre Vielfalt von Erscheinungsformen charakterisiert, diskutiert Frank M. Raddatz mit dem Kunstphilosophen Alexander García Düttmann und dem Leiter der Berliner Festspiele, Thomas Oberender. Ihr Diskurs Totale Gegenwart versucht, wesentliche Strukturen und die Aporien dieser Kunstform näher zu bestimmen. An die Stelle der Kritik und der Vorstellung alternativer Realitäten ist die Produktion von Präsenz bzw. Gegenwart getreten. Warum aber etwas produzieren, was ohnehin existiert? Die Beantwortung dieser Frage führt auf die Spur eines veränderten Zeitregimes und eines in Transformation begriffenen Gegenwartsbegriffs. Unter der Prämisse stillgestellter Gegenwart drapiert sich die Gegenwartskunst als reines Machen, als Fiktion, die ihr Außen, die in sie eingegangenen Entscheidungen, Absichten und Kategorien zu verdecken weiß, um sich als unvermittelt und ursprünglich zu präsentieren.
Wer in einem Museum einem Suppenkoch begegnet, kann getrost davon ausgehen, daß er auf einen Exponenten der "relationalen Kunst", einer Spielart der Gegenwartskunst gestoßen ist. Was die Gegenwartskunst und ihre Vielfalt von Erscheinungsformen charakterisiert, diskutiert Frank M. Raddatz mit dem Kunstphilosophen Alexander García Düttmann und dem Leiter der Berliner Festspiele, Thomas Oberender. Ihr Diskurs Totale Gegenwart versucht, wesentliche Strukturen und die Aporien dieser Kunstform näher zu bestimmen. An die Stelle der Kritik und der Vorstellung alternativer Realitäten ist die Produktion von Präsenz bzw. Gegenwart getreten. Warum aber etwas produzieren, was ohnehin existiert? Die Beantwortung dieser Frage führt auf die Spur eines veränderten Zeitregimes und eines in Transformation begriffenen Gegenwartsbegriffs. Unter der Prämisse stillgestellter Gegenwart drapiert sich die Gegenwartskunst als reines Machen, als Fiktion, die ihr Außen, die in sie eingegangenen Entscheidungen, Absichten und Kategorien zu verdecken weiß, um sich als unvermittelt und ursprünglich zu präsentieren.
"Der Übergang von der
Wahrheit zur Lüge ist mitunter schmal wie ein Haar, und ich versuche dieses
Haar zu spalten", sagt der libanesische Künstler und Theatermann Rabih Mroué. Mit Märtyrern spielen! ist das Interview
betitelt, das Frank M. Raddatz mit ihm führte. Mroué,
dessen Mutter als Milizsoldatin im libanesischen Bürgerkrieg ums Leben kam,
realisiert ein beklemmendes politisches Theater. Er legte die grotesken Züge des libanesischen Bürgerkriegs zu einer Zeit
offen, als bei Dunkelheit in den Hauseingängen bewaffnete Posten Stellung
bezogen und in den Nebenstraßen Panzerspähwagen bereitstanden. Mut zeichnet
diesen Künstler aus, der immer wieder zu den Abstrusitäten der bewaffneten
Konflikte im arabischen Raum zurückkehrt. In seiner letzten Produktion führt er
die Ideologie des Märtyrertums zu absurden Höhen. Der Theatermacher gehört zu
den markantesten Gestalten der globalisierten Kunstwelt.
Notizen
zu Shakespeare verfaßte Harold Pinter 1951 auf einer Theatertournee durch Irland. Jeden Abend gab man
ein anderes Shakespeare-Stück. Vier Jahre, so Pinter, war er wie besessen von
Shakespeare, und dieser Leidenschaft entstammt seine Hommage. "Er dreht
sich um und beißt sich in den Schwanz. Er defäkiert auf den eigenen Teppich. Er
sagt die Bibel seitwärts auf. Die Notbremse lehnt er mit derselben
Geringschätzung ab wie den Rettungsring. Er kratzt sich mit einem Eisberg am
Kopf. Aber zu keinem Zeitpunkt reißt das Gewebe. Nicht einen Augenblick
verliert das Drahtseil an Spannung. (...) Er steht sich selbst im Weg, er
verbrennt sich die Finger, er kentert, schmort im eigenen Saft, er verliert die
gesamte Besatzung; er übersteht Feuer, Brandstiftung, Notzucht, Plünderung,
Verheerung, Betrug, Knechtschaft, Mord, Einmischung, Snobismus, Läuse,
Eifersucht."
Nicht
das römische Liebesleben Goethes vor 230 Jahren interessiert Peter von Becker, sondern warum der Dichter seine italienische Exkursion von 1786
erst 1816, dreißig Jahre später, literarisch verarbeitete. Da hatten die
Französische Revolution, Napoleon und der Wiener Kongreß bereits eine
neue Welt hervorgebracht, in der Goethes Italienische Reise in ihrer
Unzeitgemäßheit hervorstach. Goethe war der kleinen Welt des Weimarer Hofes und
dem kunstlosen Land im Norden entflohen, um in der Hauptstadt der Welt die
Subjektivität des Künstlers wiederzufinden, um vom selbstgefesselten Prometheus
wieder zum Poeten zu werden. Die Italienische Reise war die Erinnerung
an ein Lebensglück, das mit seinem strahlenden Licht auch den Schatten des
Todes vorauswarf: Wunde und Wunder.
Die
Standardökonomik unterstellt jeder Kaufentscheidung Rationalität. Am Kunstmarkt
jedoch spielen andere Faktoren eine Rolle. Während die Zahl der
Dollar-Milliardäre, die sich in die "Statusphäre" der Kunst einkaufen
können, wächst, schrumpft das Angebot am oberen Ende des Marktes. Es wird
zunehmend schwieriger, frische Werke der Gegenwartskunst zu erstrangigen
Prestigegütern, zu "Siegerkunst" zu machen, um die sich Händler und
reiche Sammler reißen. Diesen geht es in ihrer Sammelwut nicht in erster Linie
um Profite. Über Spekulation, Kunsterwerb und Kunstexhibition als
daseinssteigernde Erfahrung. Steffen W. Groß in Unruhige Kunstmärkte.
Ein
Panorama der Irrtümer eröffnet der britische Philosoph John Roberts. Die Geschichte der Philosophie folgt widersprüchlichen Impulsen:
dem Bestreben zur Eliminierung aller Irrtümer aus dem Denken zugunsten
absoluter Vernunftautonomie oder aber der Akzeptanz des Irrtums als produktiver
Fehlleistung, als Motor der Erkenntnis: Die Furcht vor dem Irrtum gibt sich
demnach als Furcht vor der Wahrheit zu erkennen. Kant und Descartes sind
militante Feinde des Irrtums, insofern er das souveräne Vernunftsubjekt
gefährdet. Spinoza, Hegel und Marx sehen in ihm eher das Durchgangsstadium
eines Bewußtseinsprozesses auf dem Weg zur Entfaltung wachsender Vernunft: Über den Irrtum.
LEBENSWEGE
Eine Frau, zwei Männer. Drei Parisliebhaber und das Thema ihres Herzens: die Liebe. Hanna Schygulla, Peter Stephan Jungk und Georg Stefan Troller erinnern sich, rätseln und sinnieren: Wie war das mit jenem großen Gefühl, jenem zarten Erwachen der Sinne? Das erste Verlieben in eine blonde Kriemhild, die Frage nach der Männlichkeit, die undurchsichtige Kraft der Frauen, die Anziehungskraft des eigenen Geschlechts, die Verbindung von Schönheit und Humor, die erotische Aufladung, die sich nicht erfüllt ... Von Schicksalsliebe und Eigenliebe, Unglück und Passion, mütterlicher Zuneigung, Rosenkriegen und der Transformation der Liebe im digitalen Zeitalter - drei höchst lebendige Geister lassen ihre Erfahrung mit Leben und Liebe Revue passieren: L'amour toujours!
Eine Frau, zwei Männer. Drei Parisliebhaber und das Thema ihres Herzens: die Liebe. Hanna Schygulla, Peter Stephan Jungk und Georg Stefan Troller erinnern sich, rätseln und sinnieren: Wie war das mit jenem großen Gefühl, jenem zarten Erwachen der Sinne? Das erste Verlieben in eine blonde Kriemhild, die Frage nach der Männlichkeit, die undurchsichtige Kraft der Frauen, die Anziehungskraft des eigenen Geschlechts, die Verbindung von Schönheit und Humor, die erotische Aufladung, die sich nicht erfüllt ... Von Schicksalsliebe und Eigenliebe, Unglück und Passion, mütterlicher Zuneigung, Rosenkriegen und der Transformation der Liebe im digitalen Zeitalter - drei höchst lebendige Geister lassen ihre Erfahrung mit Leben und Liebe Revue passieren: L'amour toujours!
An
Schwung und Grandiosität einstiger künstlerischer Auflehnung erinnert das 1931
geschaffene poetische Manifest Total des chilenischen Dichters Vicente Huidobro. "Genug von euren Stücken Menschen, euren kleinen Stückchen Leben.
(...) Die Welt hat genug von euren Stimmen monotoner Kanarienvögel. Eure Zungen
gehören zu Prinzen, und man sollte die Zunge eines Menschen haben. / Besser ist
es, einem Steinbrucharbeiter zuzuhören, weil er zumindest seine Wut verspürt
und sein Schicksal kennt, leidet und Grenzen zerbrechen möchte. / Ihr dagegen
sprecht das große Wort nicht aus, das sich in seinem Bauch bewegt. Ihr wißt
nicht, wie ihr es enthüllen sollt. / Das große Wort, Geschrei des Menschen in
der Unendlichkeit (...)."
Ein
Ort, Bühne für die unwiderstehlichste aller Drogen: Aufmerksamkeit, ein Ort,
der das Flickwerk Mensch aus Eigenem, Fremdem, aus Nachahmung und Spiegelung
wie durch ein Brennglas deutlich werden läßt. Täter und Opfer in einem Raum,
Sklaven eigener Triebe auf der Suche nach Traum und Trugschluß: dem eigenen
Selbst. Die stille Blume und der zynische Opportunist, Fleißkärtchenprovinzler
und traurige Helden, sie alle sitzen im Kaffeehaus des Gerald Uhlig-Romero, und bevor sie ihre Lebensreise aus dem Nichts ins Nichts
fortsetzen, sind sie Teil seines Kosmos und Protagonisten seines
lebensphilosophischen Gedankengebildes: Das Kaffeehaus.
Der
französische Philosoph Jean-Claude Pinson lebt am Meer, bei jedem
Wetter genießt er es, am Strand entlangzulaufen, um die Süße jener Linie
auszukosten, wo Land und Meer zusammentreffen. Er lebt in einem disparaten
Habitat. Pinien, elegante Appartements, Ruhe, Freizeitfreuden im Dialog mit dem
alternden Körper. Das Meer hat eine eigene Kulturgeschichte, erfährt
bürgerliche Inbesitznahme und den Einzug des Massentourismus, die Unterteilung
der Klassen und Generationen schreibt sich ein in seine Geographie: Alt sein am Meer.
Liebeserklärung
sowie Erinnerung an Nadeschda und Ossip Mandelstam ist Die Sage von der
Pfefferminze des chinesischen Lyrikers Yang Lian: "Eine Fläche Wasser säubert die Waffe, die der Poet der Welt
hinterließ. / Dem Herz der Nadeschda sind Worte entnommen, die kein Schnee
erinnern kann. / (...) Er schaut all die Schädel; Seidenblumen sind die
Intarsien. / Sie hängen an den Haken eigens erkorener Tage. Auch abgeschnitten
/ sind sie noch süß in ihrer Süße. Unter fahlem Lampenschirm / lebt er. Da hat
der Poet zu erlernen den Stand steigenden Wassers, / den wir abhören. So viele
dunkle Nächte, so viele 1937. / Woronesch, ein Ort wie der Klang eines Apfels,
der rot gefror. / Der Schnee ist ein Leichensammler, er rezitiert Buchstabe für
Buchstabe / die Verse der Toten, so aufrecht in den Kehlen. "
ÖSTLICHES
GELÄNDE
Die Revolution frißt nicht nur ihre Kinder, sondern auch die Kindeskinder: Dichte, wuchtige, faszinierende Porträts russischer Literaten des 20. Jahrhunderts hat der Moskauer Maler und Zeichner Nikolai Nasedkin geschaffen. Tief graben sich Tragik und Gewalt der Geschichte ins Antlitz seiner gemalten Dichter und Denker, die individuellen Schicksale der Intellektuellen ein, die an den Fortschritt glaubten und Opfer von Terror und Unterdrückung wurden.
Die Revolution frißt nicht nur ihre Kinder, sondern auch die Kindeskinder: Dichte, wuchtige, faszinierende Porträts russischer Literaten des 20. Jahrhunderts hat der Moskauer Maler und Zeichner Nikolai Nasedkin geschaffen. Tief graben sich Tragik und Gewalt der Geschichte ins Antlitz seiner gemalten Dichter und Denker, die individuellen Schicksale der Intellektuellen ein, die an den Fortschritt glaubten und Opfer von Terror und Unterdrückung wurden.
Bora
Cosics kurzer Lehrgang der Verlorenen Illusionen erinnert an die Aufbruchszeit in Jugoslawien nach der Befreiung.
Im frischgebackenen Sozialismus traten vermehrt Illusionisten in Erscheinung.
"Nun, da die allgemeinen Volksveranstaltungen zu einer alltäglichen
Erscheinung wurden, hielten die Künstler im Herbeizaubern von Hasen aus Hüten ihre Zeit wieder für gekommen. So wurden in zwei Hälften
gesägte Mädchen durch ihr Können wieder ganz, und aus einem winzigen Glasgefäß
sprang kraft dieser Kunst ein riesiges weißes Pferd. Alles war eigentlich wie
früher, nur daß das zersägte Mädchen in seiner heilen Variante in die
Staatsflagge gehüllt war, und der Hase, der aus dem Hut sprang, hatte ebenfalls
den roten fünfzackigen Stern auf dem Rücken." Die Illusion wurde zur geistigen Nahrung des Proletariats, das an
eine blühende Zukunft glaubte. Doch ließen die versprochenen sozialen
Errungenschaften auf sich warten. "Es gibt keine Enttäuschung ohne
optimistische Naivität, genausowenig wie Hamletsche Reife ohne den zerbrochenen
Krug der Illusionen."
Oksana
Timofejewnas Kriegstrilogie schildert die sprachlichen und psychologischen Konstruktionen, mit
denen die russische Staats- und Militärführung versucht, die Realität des
Krieges in der Ostukraine vor der eigenen Bevölkerung zu verleugnen. Ganze
Divisionen gehen "verloren" auf dem Weg ins Feindesland; zurück kommt
nicht selten eine sogenannte "Fracht 200", anonymisierte Leichen in
Zinksärgen. Die Soldatenleiche aus einem nichtexistierenden Krieg darf es nicht
geben. Wie läßt man mit den Körpern der "antiterroristischen Einsatzkräfte"
aus den grenznahen Schattenzonen Kriegsbeweise verschwinden? Gräber unter
falschem Namen an entfernten Orten, Vermißtenbescheinigungen, Kredite, Renten,
Kompensationsleistungen für Hinterbliebene - so ernähren Krieger über ihren
eigenen Tod hinaus ihre zum Schweigen erpreßten Familien. "Die Soldaten
sind die Prostituierten des Krieges. Sie gehören, wie die Prostituierten, einer
anderen, sakralen Welt an. Diese Welt beruht auf dem Verstoß gegen das Verbot -
das Verbot von Sex oder das des Tötens. So wie der Körper der Prostituierten
ist der Körper des Soldaten unanständig und zur Gewalt prädestiniert. Wie die
Prostituierte haust der Soldat in einem Territorium, wo der anständige Bürger
nichts zu suchen hat - einer Zone bewaffneter Auseinandersetzungen, einem
Konfliktherd. Die Gewalt des Krieges oder des Sexes sind nicht für menschliche
Augen bestimmt - denken wir. Wenn es ein Spektakel ist, dann ein erhabenes,
welches man nur aus sicherer Entfernung beobachten darf."
Nur
keine Frauen heißt die finstere
Dystopie über Gehirnwäsche und sexuelle Versklavung von Alexej Lukjanow. "Dreckschwanz, Schwuchtel, Arschficker" - ein Lehrer unter
Verdacht und eine Gruppe Schüler, die ihn in brutalem Kalkül denunziert, um
selbst nicht unter Verdacht zu geraten, jemanden zu decken, der homosexuell
sein könnte. Das Land: Rußland. Die Umstände: Ein Sportlehrer, der sich nie an
seinen Schülern vergriffen hat. Die Gesellschaft: von Milizen in Schach
gehalten. Nur einer, der gelehrige Schüler, versucht, seinen Lehrer zu warnen,
doch es ist zu spät. Die Miliz ist schon vor Ort, der Junge wird gefoltert,
inhaftiert, operiert und in einer Lehranstalt für Hausangestellte mit Kursen in
Sex und Erniedrigung zum dienstbaren Objekt perverser Herrscher herangezüchtet.
Jean
Malaquais war das literarische Pseudonym von Wladimir
Malacki, eines aus Polen nach Frankreich emigrierten
Schriftstellers. Seine bislang nie auf deutsch veröffentlichte Erzählung Marianka von 1936 trug ihm die
Anerkennung André Gides ein. Sie schildert ein Pogrom
im Gefolge der russischen Revolution und der polnischen Staatsgründung auf dem
Gebiet der heutigen Ukraine, einen grausamen Gewaltexzeß entfesselter Milizen,
die in Willkür und Erniedrigung nach Lust und Befriedigung suchen. Der damalige
willkürliche Mord nationalistischer Partisanen an der Familie eines Rabbiners
hat unlängst in dem Priestermord in Frankreich ein zeitgenössisches Äquivalent
gefunden.
BRIEFE
& KOMMENTARE, KORRESPONDENZEN
Ukraine - im Osten nichts Neues, so die Diagnose von Achim Engelberg nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Kiew und in die Ostukraine. "Wer den Krestschatik, den zentralen Boulevard von Kiew, vom Bessarabischen Markt über den Maidan bis zum Hotel Dnipro am Europaplatz entlangläuft, findet Bilder der Toten des Euro-Maidans, die als "Himmlische Heerschar" bezeichnet werden. Für die Kämpfer an der Ostfront wird Geld gesammelt. Die Anzahl der Menschen, die Habseligkeiten, Blumen oder Obst und Gemüse aus dem Garten anbieten, nimmt zu. Verwandelt sich der Maidan vom Helden- zum Bettlerplatz? Führte die Himmlische Heerschar in die Hölle der Armut?" Berichte und Erinnerungen aus dem Hinterland, von der der Front und vom Irrenhaus des Krieges.
Ukraine - im Osten nichts Neues, so die Diagnose von Achim Engelberg nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Kiew und in die Ostukraine. "Wer den Krestschatik, den zentralen Boulevard von Kiew, vom Bessarabischen Markt über den Maidan bis zum Hotel Dnipro am Europaplatz entlangläuft, findet Bilder der Toten des Euro-Maidans, die als "Himmlische Heerschar" bezeichnet werden. Für die Kämpfer an der Ostfront wird Geld gesammelt. Die Anzahl der Menschen, die Habseligkeiten, Blumen oder Obst und Gemüse aus dem Garten anbieten, nimmt zu. Verwandelt sich der Maidan vom Helden- zum Bettlerplatz? Führte die Himmlische Heerschar in die Hölle der Armut?" Berichte und Erinnerungen aus dem Hinterland, von der der Front und vom Irrenhaus des Krieges.
Patricia
Görg porträtiert einen Aufrührer. Einst Friseurlehrling,
wurde er zum Giganten - Parfümeur, Poet, Universalkünstler, Schwarzmagier -
Serge Lutens, berühmter Schöpfer von Düften, gibt sich als Brandstifter des
Marktes erlesener Gerüche, der mit dem Feuer spielt. Seine Produkte,
suggerieren seine Selbstinszenierungen, seien Destillat persönlicher Träume,
Alpträume und Erinnerungen, berührten das abgründige Wesen der Dinge und
könnten sich ob dieser schmerzlichen Wahrhaftigkeit mit dem Wesen ihres Käufers
und Trägers verbinden. Das Profil eines geschäftstüchtigen Hohepriesters, der
sich die nach Geld und Ruhm duftenden Hände reibt.
Der
neue Morgenrock trägt Unruhe in den Haushalt des Philosophen Denis Diderot; er
paßt nicht zu anderen Objekten des Ensembles. Die Konsequenz: Bilder müssen
verkauft, neue angeschafft werden, selbst Möbel müssen sich dem neuen Regime
anpassen. Einzig ein Flickenteppich verbleibt als Rebell einer vergangenen
Epoche erhalten. Nicht das souveräne Subjekt benutzt hier die Dinge zur
Inszenierung der eigenen Persönlichkeit, vielmehr werden die Dinge herrisch,
schreien nach kompatiblen Ladegeräten, Pflegeprogrammen, regelmäßigen Wartungen
und harmonierenden Begleitern. Was tun? Felix Heidenreich über Herren, Knechte, Morgenmäntel.
Neu-Delhi,
Anfang November. Lange Schlangen vor Bank- und Geldautomaten, Indien in
Aufruhr, seit über Nacht deklariert wurde, daß die 500- und 1000-Rupien-Noten
kein gesetzliches Zahlungsmittel mehr darstellen. Ein Schock, eine Art
Enteignung - ohne jede Vorwarnung trifft die Inder dieses Regierungsdekret, das
Korruption, Schwarzgeld, Terrorismus Einhalt gebieten soll. Über einen
Ausnahmezustand, der die Armen und Unbeholfenen trifft und die raffinierten
Schwarzgeldbarone wenig tangiert. Urvashi Butalia: Bargeldchaos über Nacht
Das
Viertel Upplandsgatan in Stockholm, einst verkommen, dann Shopping-Hölle, wird
gentrifiziert und nun von neuen Bewohnern in Besitz genommen. "Die
Leute, die dort arbeiten, sehen gut aus. Sind gut gekleidet, haben guten
Geschmack. Sie sitzen hinter Applebildschirmen, an Eiermanntischen und unter
Poulsenlampen. Sie strahlen Zufriedenheit aus. Unwillkürlich fragt man sich vor
dem Schaufenster, wie zufrieden man selbst ist. Hier wird Arbeit ausgestellt
wie in einem Gegenwartsmuseum. Arbeit erhält einen Look." Das Theater einer neuen Welt erlebt Lars Henrik Gass.
KUNST
Valérie Favre, Ghost nach Goya
"Die Malerei benutze ich, weil ich insgeheim eine stille Regisseurin bin. Malerei ist für mich weniger ein künstlerisches Medium als eine Möglichkeit und eine Art des Erzählens. Vor Wörtern und vor Bildern habe ich Respekt, denn sie bergen ein Geheimnis. (...) Als Reservoir dient mir auch die Geschichte der Kunst, aus der ich Bilder und Photographien neu inszeniere; so wie bei Goyas Flug der Hexen. Hexen sind immer unterwegs - machen wir die Fenster auf, vielleicht haben sie etwas zu erzählen."
Valérie Favre, Ghost nach Goya
"Die Malerei benutze ich, weil ich insgeheim eine stille Regisseurin bin. Malerei ist für mich weniger ein künstlerisches Medium als eine Möglichkeit und eine Art des Erzählens. Vor Wörtern und vor Bildern habe ich Respekt, denn sie bergen ein Geheimnis. (...) Als Reservoir dient mir auch die Geschichte der Kunst, aus der ich Bilder und Photographien neu inszeniere; so wie bei Goyas Flug der Hexen. Hexen sind immer unterwegs - machen wir die Fenster auf, vielleicht haben sie etwas zu erzählen."
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