Mittwoch, 9. Mai 2012

Vergeuden

Haimo L. Handl nennt seine jüngste Kolumne vom 6.5.2012 "Vergeuden". Ein Leser hat kommentiert.
Deshalb hier ein kurzer etymologischer Hinweis:


vergeuden Ztw. Im ältern Nhd. geläufig z. B. bei Luther, dann ausgestorben und von der Schweiz aus seit etwa 1740 erneuert in der Dichtersprache (z. B. Bodmer 1754 Gedichte S. 31) und als neueres Dichterwort dann bei Mylius 1777 Hamiltons Märchen S. 578 gebucht. Es beruht auf mhd. giuden (übergiuden) schw. Ztw. ‚prahlen, groß thun, prahlerisch verschwenden’; ahd. *giwidôn fehlt. Got. *giwiba könnte auf ahd. gëwôn ‚den Mund aufsperren’ (s. gähnen) weisen.

verschwenden Ztw. aus mhd. verswęnden, zerbrechen, vernichten, verzehren’, das als Faktitivum zu mhd. verswinden = verschwinden eigtl. ‚machen, daß etw. verschwindet’ bedeutet.

Kluge, Etymologisches Wörterbuch
5. verb. Aufl. 1894

Synonyme:

vergeuden

16 Synonyme in 2 Synonymgruppen

Bedeutung: durchbringen

[Verb]

verschwenden, vergeuden, verbraten, verjubeln

Bedeutung: verschwenden

[Verb]

verbrauchen, vertun, vergeuden, verwirtschaften, aufbrauchen, kleinkriegen, verjubeln, verjuxen, verplempern, verprassen, verpulvern, durchbringen


Siehe auch Eintrag BEOLINGUS (De-En)


392. Durchbringen 1). Vertun 2). Verschwenden 3). Vergeuden 4). Verschleudern 5).

1) To consume, spend.    2) Spend in trifles.    3) Lavish, waste.    4) Waste,
dissipate.     5) Squander, throw away.
1) Consumer (dissiper, manger).     2) Dépenser (pour les bagatelles).
3) Prodiguer.    4) Dissiper (manger).    5) Perdre (dissiper).
1) Consumare (spendere).   2) Spendere (per bagatelle).   3) Dissipare (sprecare).
4) Scialacquare.    5) Dissipare (buttar via).
Vertun ist der allgemeinste Ausdruck und bedeutet überhaupt, Geld für unnütze Dinge ausgeben. Ein Vermögen durchbringen heißt, es für Genüsse völlig verwenden, ohne daß man von dessen Anwendung ferner einen Nutzen hat. Verschwenden (eig. verschwinden machen) drückt aus, daß die Verwendung des Geldes auf eine unverständige und maßlose Weise geschehe, vergeuden (mhd. giude, geude, = Freude, giuden, geuden, = in geräuschvoller Freude sein, prahlen, groß tun, prahlerisch verschwenden) aber vereinigt die Begriffe von vertun und verschwenden und bedeutet also, Geld auf etwas Ungehöriges in maßloser und prahlerischer Weise verwenden. Verschleudern heißt, sich einer nutzbaren Sache wie einer unnützen Last eilig entäußern und diese gegen eine andere von weit geringerem Werte weggeben. Es kann einer sein Geld auf Reisen durchgebracht haben, auch wenn er es bloß für nötige Bedürfnisse ausgegeben und für keins zuviel bezahlt hat; er hat es aber auf Reisen vertan, wenn er es für Dinge ausgegeben hat, die für ihn keine nötigen Bedürfnisse waren, und verschwendet, wenn er übermäßigen Aufwand gemacht und alles in gedankenloser Weise über seinen Wert bezahlt hat. Ein Kaufmann verschleudert seine Waren, wenn er sie unter dem Preise verkauft. Was man vertut, das geht bloß für uns verloren, was man durchbringt, das geht zu andern über, indem man es vertut; was man verschwendet, davon verwendet man mehr, als man sollte; was man vergeudet, das verwendet man in der Lustigkeit zu einem Zwecke, zu dem man nichts verwenden sollte, und was man verschleudert, das gibt man gegen etwas hin, das einen geringeren oder gar keinen Wert hat. — Hierher gehören auch die Ausdrücke verprassen, verschlemmen, verschwelgen, verjubeln. Verprassen hebt hervor, daß das Verschwenden von Hab und Gut durch allerlei üppige und übermäßige Genüsse geschieht. "Ich bin | noch rein, ein dreiundzwanzigjähr'ger Jüngling. | Was vor mir tausende gewissenlos | in schwelgenden Umarmungen verpraßten, | hab' ich dem künft'gen Herrscher aufgehoben." Schiller, Don Carlos 9, I. Verschlemmen (von schlemmen, mhd. slemmen, von mhd. slamp, Gelage; niederl. slemp bedeutet: leckere Mahlzeit) und verschwelgen (von schwelgen, aus mhd. swëlgen, schlucken, verschlucken, saufen) haben ähnliche Bedeutung wie verprassen; sie drücken aus, daß das Verschwenden durch Schlemmerei und Schwelgerei geschieht. "Wir verschlemmten und verschleuderten das Unsere nicht." Engel. Verjubeln weist darauf hin, daß Geld und Gut durch ein Leben in Lust und Freude verschwendet wird. Mancher verjubelt sein Geld bei Tanz und Spiel. Für verjubeln werden zuweilen auch die volkstümlich derben Ausdrücke verjuxen und verjuheien (auch verjuchhehn) gebraucht. — Verschwenden und vergeuden werden auch in übertragenem Sinne von anderen Dingen, als von Geld und Gut, gebraucht, z. B. "Verschwende nicht | die Pfeile deiner Augen, deiner Zunge! Du richtest sie vergebens nach dem Kranze, | dem unverwelklichen, auf meinem Haupt," Goethe, Tasso II, 3. "Mit wahrer Leidenschaft verschwendete sie den ganzen Reichtum ihrer Liebkosungen, welche ihr die Natur eingab, welche die Kunst sie gelehrt hatte, an ihren Liebling." Goethe. "Der ich meine Talente und meine Tage absichtslos vergeudete." Goethe. Die übrigen Ausdrücke könnten hier nicht gesetzt werden. Vergeuden ist im allgemeinen ein stärkerer Ausdruck als verschwenden.

Aus Johann August Eberhards-Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache (1910)

Nicht unnötig Zeit vergeuden


Sprachliche Ungenauigkeit:

Vergeudung ist immer negativ, verlangt oder verträgt keine besondere Bedingungen „unnötig“. „Nicht unnötig Zeit vergeuden“ ist ein Pleonasmus. Denn, könnte man nötig Zeit vergeuden? Nein, dann wäre sie keine Vergeudung (wenn wir freie Wahl des Handelnden unterstellen). Vergeuden impliziert negative Konnotationen und Denotation des negativen Verschwendens (es kann durchaus ein „positives“ Verschwenden geben, sich z. B. im Sex verschwendend verausgaben).

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