Donnerstag, 24. Oktober 2013

Michael Hofmann gegen den überschätzten Antisemiten Kraus

Für den 1957 in Freiburg geborenen und seit 1961 in England lebenden Übersetzer und Kritiker Michael Hofmann bietet die Rezension (NYRB Oct. 24, 2013) von

The Kraus Project: Essays by Karl Kraus
translated from the German and annotated by Jonathan Franzen, with assistance and additional notes from Paul Reitter and Daniel Kehlmann
Farrar, Straus and Giroux

beste Gelegenheit, um sich lang und breit gegen den seiner Meinung nach überschätzten Tyrannen und Antisemiten Karl Kraus auszulassen. So nebenbei, gegen Ende der langen Besprechung, äußert er sich auch kritisch zu Jonathan Franzen.

Aber die durchgehende Abqualifizierung von der Großstadtsumpfblüte Kraus ist eindrücklich und verwunderlich; dass ein mit vielen Preisen ausgezeichneter Übersetzer (vor allem von Joseph Roth) und Kritiker so einen Ton findet, sagt mehr über ihn aus, als über das Objekt der Behandlung.

Hier erfährt man etwas über den clash of cultures, wie ihn die Briten und Americaner so gerne und so schnell annehmen und postulieren. Respektlosigkeit kann ja erfrischend sein – wenn ihr Argumente und Einsichten folgen. Das ist bei Herrn Hofmann aber nicht der Fall. Er macht es sich leicht und billig mit sattsam bekannten Stereotypen.

In seinem kurzen Vortrag "Die Wunde Heine" von 1956 zum 100. Geburtstag von Heinrich Heine bemerkte Theodor W. Adorno kritisch:
"Das ›Buch der Lieder‹ hatte unbeschreibliche Wirkung getan, weit über den literarischen Umkreis hinaus. In seiner Folge ward schließlich die Lyrik hinabgezogen in die Sprache von Zeitung und Kommerz. Darum geriet Heine um 1900 bei den geistig Verantwortlichen in Verruf. Man mag das Verdikt der Georgeschule dem Nationalismus zuschreiben, das von Karl Kraus läßt sich nicht auslöschen."

Michael Hofmann will es auslöschen, abtun.

 


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