Dienstag, 14. Februar 2012

Claude-Prosper-Jolyot de Crébillons 305. Geburtstag

Claude-Prosper Jolyot de Crébillon, dit Crébillon fils, né à Paris le 14 février 1707 et mort dans la même ville le 12 avril 1777, est un écrivain, chansonnier et goguettier français.

Wikipédia

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Claude-Prosper-Jolyot de Crébillon:

Das Sopha. Ein orientalisches Sittenbild.
Erzählung


(Quelle: Zeno)

Einleitung.

[7] Vor einigen Jahrhunderten herrschte ein Fürst, Namens Schach Baham, in Indien. Er war ein Enkel jenes glorreichen Schach Niar, von dessen Heldenthaten man in Tausend und eine Nacht gelesen, und welcher sich unter anderen Dingen auch damit unterhielt, Frauen zu erdrosseln, sowie sich Märchen erzählen zu lassen. Es war derselbe Fürst, welcher der unvergleichlichen Scheherezade nur deshalb Gnade gewährte, weil sie so schöne Märchen zu erzählen verstand. Es mag wohl sein, dass Schach Baham es im Punkte der Ehre nicht sehr genau nahm, oder, dass seine Frauen in der That nicht mit ihren Negern schliefen, oder (was noch wahrscheinlicher ist), dass er davon nichts wusste, denn Schach Baham war, im Ganzen genommen, ein recht guter und bequemer Ehemann und hatte von [8] Schach Niar nur die Tugenden und seine besondere Vorliebe für schöne Märchen geerbt. Man behauptet sogar, dass die Sammlung der Märchen der Scheherezade, welche der erlauchte Großvater Schach Bahams mit goldenen Lettern niederschreiben ließ, die einzigen waren, welche er selbst jemals zu lesen geruht hatte.

Wie sehr auch mündliche Erzählungen den Geist bereichern, und so erhaben es auch sein mag, sich fremdes Wissen anzueignen, um daraus schöne Ideen zu schöpfen, so bleibt es dennoch gefährlich, nur Bücher dieser Art zu lesen. Es sind daher nur wirklich aufgeklärte Leute, welche über alle Vorurtheile hinweggehen, die Leere mancher Wissenschaften erkennen, im Stande zu begreifen, wie sehr ähnliche Schriften der menschlichen Gesellschaft nützlich sind, und welche Hochachtung, ja selbst Verehrung man jenen Männern schuldet, die so geistreich waren, sie zu verfassen, und genug Geistesstärke besaßen, sich ihnen zu widmen, indem sie sich über die frivolen und üppigen Bilder hinwegsetzten, welche die Unwissenheit so gerne beanständet. Die sehr oft wertvollen Lehren, die diese Märchen enthalten, sind schöne Gedanken dichterischer Fantasie und die heiteren Einfälle, welche sie durchleuchten, enthalten nicht gemeine Dinge, sie sind oft wertvoll und werden von allen Lesern geschätzt, welche sie begreifen und ihren Inhalt verstehen.

In Schach Baham finden wir in dieser Beziehung ein merkwürdiges Beispiel menschlicher Ungerechtigkeit. Ihm war der Ursprung dieser Feenkünste ebenso gut bekannt, als ob er selbst jener glücklichen Märchenzeit entstammte. Er, der so gründlich das berühmte Land des Ginistan kannte, der die glorreiche Geschichte, die Dynastien der ersten Könige von Persien wusste, und der ohne Widerrede der einzige Mann seines Zeitalters war, der alleinige Kenntnisse aller Ereignisse, welche niemals stattgefunden, hatte; ihn hielt man dennoch für den größten Fürsten der Welt.

Es ist wahr, Schach Baham erzählte ohne Anmuth (was umso unangenehmer war, weil er beständig[9] sprach), so dass er seine Zuhörer, die hauptsächlich aus seinen Frauen und seinen Höflingen bestanden, nicht wenig langweilte. Es waren dies im Allgemeinen also sehr oberflächliche Personen, die sich mehr an die profane Handlung der Märchen hielten, als dass von den großartigen und geistreichen Ideen überrascht und entzückt gewesen wären.

Es mag wohl nach der allgemeinen Meinung, welche man von Schach Baham an seinem eigenen Hofe hatte, dass der Schriftsteller Scheik-Ebn-Tacher-Abon-Faraiki, ein Zeitgenosse des Fürsten, uns denselben in seiner großen Geschichte Indiens so genau beschrieben hatte, wie es der Leser auf den nachstehenden Zeilen entnehmen wird.

Schach Baham, der erste dieses Namens, war ein unwissender und höchst verweichlichter Fürst. Es war überhaupt unmöglich weniger Geist zu besitzen als er (was jenen natürlich nicht auffiel, die ihm in dieser Richtung gleichkamen).

Er staunte über Alles, was natürlich war, und begriff bloß unsinnige Dinge, welche aller Wahrscheinlichkeit entbehrten.

Obzwar sich es im Laufe eines ganzen Jahres nicht ereignete, dass er gezwungen war überhaupt etwas zu denken, und er es nicht vermochte, eine einzige Minute zu schweigen, pflegte er doch stets bescheiden von sich zu behaupten, dass er keinen lebhaften Geist besitze; dass er jedoch, was seine Reflexionen betrifft, weit und breit seines Gleichen suche.

Kein einziges jener Vergnügen, welche dem Geist entspringen, gefiel dem Sultan: jede Thätigkeit missfiel ihm, und dennoch war er nicht müßig. Er hatte Lieblingsvögel, welche nicht müde wurden, ihn vortrefflich zu unterhalten; Papageien, welche, Dank der Mühe, die er sich mit ihnen gab, die dümmsten Papagaien von ganz Indien waren, ohne der Affen zu erwähnen, denen er einen großen Theil seiner Zeit widmete, und schließlich waren es noch seine Frauen, [10] die ihm wohl unter allen Thieren seines Zwingers am geeignetesten schienen, ihn zu unterhalten.

Trotz dieser angestrengten Beschäftigungen und dieser mannigfaltigen Vergnügen war es doch dem Sultan unmöglich der Langweile zu entgehen. Er hatte gar keine andere Zerstreuung, als diese berühmten Erzählungen, welche beständig Gegenstände der Bewunderung, des Erstaunens und der höchsten Wertschätzung für ihn bildeten, worüber zu kritisieren unter Todesstrafe verboten war, und die, obzwar so wohlbekannt, ihm dennoch niemals fade wurden.

Er bewunderte diese Erzählungen stets, während er dabei gähnte. Die Langweile folgte ihm schließlich bis in die Frauengemächer, woselbst er einen guten Theil seines glorreichen Lebens verbrachte, um die Frauen sticken und Figuren aus Papier ausschneiden zu sehen, welche Beschäftigungen er für ganz besondere Künste hielt und deren Erfindung er für das größte Meisterwerk des menschlichen Geistes erkannte; weshalb er auch befahl, dass alle seine Höflinge sich fleißig mit Sticken und Ausschneiden beschäftigen sollten. Er belohnte auch sehr großmüthig jene, welche sich in diesen Arbeiten auszeichneten, so dass es bald im ganzen Reiche niemanden gab, der sich vernachlässigt hätte. Sticken und Schnitzeln waren demnach in Indien zu jener Zeit die einzigen Mittel, um zu hohen Ehren zu gelangen. Der Sultan kannte keine andere Art von Verdienst, er glaubte fest, dass jeder Mann, der diese Talente besaß, deshalb auch alle Vorzüge und Geistesgaben besitzen musste, die für einen großen Feldherrn oder vortrefflichen Minister nöthig sind. Um zu beweisen, wie sehr er davon überzeugt war, ernannte er an die Stelle des ersten Veziers einen müßigen Höfling, einen jener Herren, die ihre Zeit nicht anders zu verwenden wussten, als ihre Könige mit ihrer eigenen Langweile zu plagen. In diesem Manne, welcher lange Zeit unbeachtet im Volke lebte, ward zu seinem Glücke plötzlich der beste Papierausschneider des Königreiches entdeckt; da es Schach [11] Baham eben beliebte, die Ausschneidekunst zu bewundern, so hatte der Mann es nicht mehr nöthig, wie so mancher Andere Ränke zu schmieden, den er verdankte bloß der Größe seines Genies die Ehre bei seinem Herrn schnitzeln zu dürfen und die erste Stelle im Reiche.

Unten allen Frauen des Sultans unterschied man die Sultanin Königin, welche Geist genug hatte und die der einzige Trost an diesem frivolen Hofe für jene war, die überhaupt noch den Muth besaßen zu denken, oder sich zu belehren.

Sie allein kannte und unterstützte hier das Verdienst, und selbst der Sultan wagte es selten anderer Meinung als sie zu sein, obzwar die Sultanin weder seinen Geschmack noch seine Vergnügungen theilte. Der Sultan begnügte sich damit, ihr bloß zu sagen, wenn sie über seine gelehrigen Affen und seine sonstigen Beschäftigungen spottete, dass sie bissig wäre, wohl ein Fehler, den Dummköpfe stets an geistreichen Leuten zu finden pflegen.

Eines Tages, als Schach Boham mit seinem ganzen Hofe in den Frauengemächern weilte, wo er mit unglaublicher Aufmerksamkeit den Schnitzereien zusah, und dennoch die Langweile nicht bewältigen konnte, sagte er gähnend:

»Wahrlich, es wäre kein Wunder, wenn ich einschliefe; wir reden kein Wort. Ach! wie gerne hätte ich eine angenehme Unterhaltung.«

»Und wovon wollen Sie, dass ich spreche?« fragte die Sultanin.

»Weiß ich es,« antwortete er, »bin ich dazu da, es zu errathen? Genügt es nicht, dass ich will, man soll mir etwas erzählen, ohne dass ich zu sagen brauche, was ich zu hören wünsche? Wissen Sie, dass Sie viel weniger Geist besitzen, als Sie sich einbilden, dass Sie mehr im Traume leben und dass Sie außer einigen schlechten Witzen, welche ich nicht einmal beachte, ich Sie ganz unfruchtbar finde? Glauben Sie, wenn zum Beispiel die Sultanin Scheherezade leben würde und sie hier anwesend wäre, dass sie uns nicht [12] unaufgefordert und ohne sich von der Tante Dinarzade bitten zu lassen, die schönsten Geschichten erzählen würde? Aber wahrhaftig, in Betreff ihrer habe ich eine herrliche Idee! Es ist doch ganz unmöglich, dass sie sich alle Märchen gemerkt hat, welche sie erlernt hatte; und es ist leicht möglich, dass jemand gerade jene weiß, welche sie vergessen hat, dass man seit ihrer Zeit keine Märchen erdacht hatte oder dass man gegenwärtig keine schreibt, ist zweifellos.«

»Sire,« sagte der Vezier, »ich kann Euer Majestät versichern, dass ich nicht bloß neue Märchen weiß, sondern, dass ich selbst das Talent besitze, neue und ebenso reizende Märchen zu erfinden, als diejenigen ihrer verstorbenen Frau Großmutter waren, die nichts enthielten, was die meinen übertreffen würde.«

»Vezier! Vezier!« sagte der Sultan, »das ist viel gesagt! Meine Großmutter war eine Frau von seltenen Verdiensten. In der That, es gehört viel dazu, schöne Märchen zu erfinden! Würde man nicht sagen, wenn man Dir zuhört, dass Deine Erzählung das Meisterwerk des menschlichen Geistes sei?«

»Und dennoch gibt es etwas Unsinnigeres? Was ist ein Werk, wenn es überhaupt wahr ist, dass ein Märchen es verdient diesen Namen zu tragen; was ist das für eine Arbeit, sage ich, worin jede Wahrscheinlichkeit stets verhüllt ist und worin die empfangenen Eindrücke unaufhörliche Umwälzungen erleiden; welche sich auf ein falsches und nichtiges Wunderbares stützend nur deshalb das Außergewöhnliche und Allgewalt in den Feerien benützt und nur deshalb die Gebote der Natur und jene der Elemente umstürzt, um lächerliche Undinge von ganz außergewöhnlicher Vorstellung zu schafen, welche oft gar keinen Reiz an sich haben, der für Überspanntheit ihrer Schöpfung entschädigen würde.«

»Es ist ein Glück, wenn solche elende Fabeln bloß oberflächlich den Geist berühren und wenn sie nicht mit ihren zu lebhaften Schilderungen, welche [13] das Schamgefühl verletzen, nicht mit gefährlichen Eindrücken bis zum Herzen dringen.«

»Unnützes Gerede, alberner Klatschbasen,« sagte der Sultan ernst, »große Worte, die nichts bedeuten! Alles, was Du eben sagen wolltest, hat zuerst den Anschein schön zu sein; es überrascht, ich muss es gestehen; aber nach reiflicher Überlegung ist es unmöglich zu .... Aber im Grunde handelt es sich ja hier bloß darum, zu wissen, ob Du mit Deiner Behauptung recht hast, und wie ich eben sagen wollte, und was ich eben bewiesen habe, ist, dass ich Dir nicht glaube: denn es ist wahrlich, nicht um Schöngeisterei zu treiben, sicherlich; aber bloß, weil ein Märchen mich stets unterhielt, so ist es klar, dass ein Märchen keine alberne Sache sein kann.«

»Mich wird man doch nicht glauben machen wollen, dass ein Sultan ein Dummkopf sei, aber, dass heißt, in der Parenthese gesprochen, es ist so klar, wie ein Wunderding, ich verstehe darunter eine jener Sachen, welche ich so gerne benennen würde, aber ... wenn es davon handeln würde ... aber reden wir von der Leber weg; was kümmert es uns trotz allem?«

»Ich behaupte also, dass ich die Märchen liebe und dass ich sie größtentheils nur dann gefällig finde, wenn sie, was man unter vernünftigen Leuten zu sagen pflegt, ein bischen ausgelassen sind. Das verleiht ihnen ein lebhaftes Interesse ... so lebhaft! Schließlich ich begreife gut: es ist gerade, als ob Du sagen würdest, dass Du schöne Märchen weißt und sie zu dichten vermagst.«

»In der That, das ist's, was ich brauche. Ich dachte, um mir die Tage etwas abkürzen, wäre es nöthig, dass ein Jeder von uns Märchen erzähle; wenn ich Märchen sage, und ich verstehe mich wohl darauf, will ich außergewöhnliche Ereignisse, Feen, Talismane; denn, irre Dich nur nicht, es gibt nur darin Wahres. Nun wohlan! Wir stimmen doch alle darin über ein Märchen zu ersinnen? Möge Mahomed mir beistehen! Aber ich zweifle nicht daran, dass ich [14] selbst ohne Hilfe Anderer bessere Märchen zu ersinnen im Stande bin, als irgend jemand; und die Hauptursache davon ist, dass ich aus einem Hause stamme, von dem es doch wohlbekannt ist, dass man Märchen erdichten kann, und gewiss ohne Eitelkeit, wirklich sehr gute.«

»Schließlich, wie ich schon so gutmüthig und ohne jedwede Parteilichkeit bin, so erkläre ich hiemit, dass jedermann erzählen darf, sobald die Reihe an ihn kommt, das Los soll die Reihenfolge entscheiden und nicht mein Wille; damit ich höre, dass jedermann die Freiheit habe mir Märchen zu erzählen. Jeden Tag wird man eine halbe Stunde mehr oder weniger erzählen, je nachdem es mir zusagen wird oder nicht.«

Nach diesen Worten ließ er den ganzen Hof Lose ziehen. Trotz der heißen Wünsche des Veziers fiel das Los einem jungen Höfling zu, welcher, nachdem er die Erlaubnis des Sultans erhalten, folgendermaßen begann: -

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