Mittwoch, 13. April 2011

Engagierte Literatur

Aversionen gegen engagierte Literatur erstarkt mit deren (vermeintlicher) Renaissance.

So schreibt Andreas Rosenfelder in der Welt vom 12.04.2011 "Diese Pfeife raucht noch":

"Eigentlich war der Ausstieg aus der engagierten Literatur ja längst beschlossene Sache. Nach der Wiedervereinigung hatte man in Deutschland die meisten Moralkraftwerke vom Netz genommen. Die Technologie galt als hoffnungslos veraltet, da waren sich die einschlägigen Gutachter einig, und die Folgeschäden für die geistige Umwelt wollte niemand mehr verantworten. "  *)

Der Vergleich zur Umweltbelastung spricht Bände! Die Verbindung von Moral & Engagement mit gefährlichen Reaktoren, die bei Unfällen strahlenverseuchen, färbt Engagement als höchst gefährlich ein. Dieses Gefahrengut muss entsorgt werden.

"Schnell einigten sich die Experten darauf, das Textmaterial im berüchtigten Endlager in der schwäbischen Kleinstadt Marbach zu entsorgen, wo es seine mahnenden Botschaften wohl noch in Hunderten von Jahren abstrahlen wird, abgeschirmt nur durch Stahltüren und einen Sarkophag aus Beton."

Archive, Forschungsstätten oder Museen als moderne Sarkophage für einige Experten...

"In jüngster Zeit allerdings mehren sich die Anzeichen für einen Ausstieg aus dem Ausstieg. Nach den Umbrüchen in der arabischen Welt und den Katastrophen in Japan stieg die weltweite Nachfrage nach engagierter Literatur sprunghaft an, besonders in Deutschland, wo sogar militante Gegner von einst keine Alternative zu dieser Form der literarischen Energiegewinnung mehr sehen. Selbst die zwischenzeitlich ins Abseits gedrängte Lobbyvereinigung PEN sitzt wieder mit am runden Tisch."

Wiederum schafft der Autor den satirischen Überschlag, wie man ihn in der Anstalt so schätzt! Na, was wird da auf uns zukommen?

*) Bitte beachten: Zitate sind durch Anführungszeichen markiert.

3 Kommentare:

  1. Der Beitrag von Rosenfelder ist wirklich ein satirischer. Aber er illustriert doch auch die literarische Empfindlichkeit im deutschsprachigen Raum. Das Problem Engagement konnte man z.B. in vielen Beiträgen zum Gedenken von Max Frisch auffinden. - Wenn man an die politischen Zensuren zum Gedenken an Ferdinand Celine in Frankreich denkt, an die schlimmen Seiten des hochbelobigten Cioran, an die Ausfälle gegen Grass, die Unverbindlichkeit jüngster Preisträger bei den wichtigen Buchpreisen, dann stimmt schon was am Befund von Rosenfeld.

    Karl Eder

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  2. In diesem Zusammenhang auch interessant:
    Politisches Erzählen
    Die Reparatur der Welt
    Noch heute hofft er angesichts unlösbarer Probleme auf ein Übernachtwunder. In 133 neuen Geschichten schreibt Alexander Kluge gegen die scheinbare Alternativlosigkeit der Politik an. Es ist das Buch der Stunde.
    Von Volker Weidermann, FAZ, 6.4.11

    http://www.faz.net/s/RubD3A1C56FC2F14794AA21336F72054101/Doc~E397259CCD6934885B5043C7A44EFC977~ATpl~Ecommon~Scontent.html

    Christl Meier

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  3. Da fand ich in der FR auch noch etwas Passendes:
    Gisela Elsners kulturkritische Schriften
    Hoffnung auf sehr viel später
    "Wir Kommunisten" sind nicht am Ende: Soeben sind Elsners Essays erschienen, die sie aus meist tagespolitischen Anlässen für den Rundfunk, das Magazin Spiegel, für Anthologien und linke Zeitschriften wie Kürbiskern oder Konkret schrieb; hinzu kommen Texte aus dem Nachlass.

    http://www.fr-online.de/kultur/literatur/hoffnung-auf-sehr-viel-spaeter/-/1472266/8348526/-/index.html

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